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Sächsischer Landes-Anzeiger : 04.10.1891
- Erscheinungsdatum
- 1891-10-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-189110046
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18911004
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18911004
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1891
-
Monat
1891-10
- Tag 1891-10-04
-
Monat
1891-10
-
Jahr
1891
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 04.10.1891
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2. Beilage M Sächsischen Landes-Atyeiger (Chemnitzer Gcncral-Änzeiger). ^ — Verlag: Alexander Wiede in Chemnitz. — 1 Sonntag, 4. Oktober 1891. Nr. 231. — 11. Jahrgang. Voulariger's Ende. Einem Berichte ans Brüssel, welcher sich ansfnhrlich über die letzten Tage Bonlanger's verbreitet, entnehmen wir die folgende» Zeilen: Jxellcs ist jener Vorort von Brüssel, de» »>a» mit seinen kchmncken, rothdachige» Hänsern so malerisch über Thal und Hügel sich hinziehcn sieht, wenn man die große Avenue entlang »ach dem Bois wandert. Der Kirchhof liegt ganz am Ende des Ortes, fast eine Stunde von dem Centn»» Brüssels entfernt, rings von Grün umgeben, und auf allen Seiten dehnt sich »in ihn das waldige Hügel land bis an de» Weiten Horizont. Es ist ein lleincr Gottesacker, »och ziemlich neu, und man sieht ihm an, daß man sich, wenn man dort begraben wird, in guter Gesellschaft befindet. Denn Jxellcs umfaßt einen Thcil der eleganten Brüsseler Villcn-Bicrtel. Freilich haben die vornehmen Bewohner der Landhäuser ans dem Terrain von Jxellcs von ihrem hübschen Kirchhof noch nicht allzu ver schwenderischen Gebrauch gemacht. Es ist noch viel Platz da und die Gräber drängen sich nicht so pöbelhaft dicht aneinander, wie lindcrswo, Ivas auch wohl znm guten Ton gehört. Das Grab der Madame Bonnemain insbesondere liegt ganz frei, ohne jede Nachbarschaft, am Ende der zweiten Allee. Das Monnment, Welches der General Bonlanger der von ihm geliebten Frau hat errichten lassen, ist ein kleiner terrassenförmiger Ausbau ans grancm Sandstein. Zn nntcrst ist ein kleines Beel mit allerlei Blumen. Darüber erheben sich einige Stufen, deren Gestein vollständig verschwindet unter den daraus gelagerten Bouquets von Rosen und Astern, unter welche einige Kränze von Strohblumen gemischt sind. Ueber der letzten Stufe befindet sich eine schräg ge- Ucigte Platte ans schwarzem Marmor, welche die Inschrift trägt: .Miu-guorrts, 19. Oeoswdrs 1855; 16. juillot 1891 n bieiitöt!" Den Beschluß des Aufbaues macht eine zerbrochene Säule ans grauem Sandstein. Das Grabdenkmal ist auch in seinen oberen Theilcn von alle» Seite» mit großen Kränze» ans künstlichen weiße» Blumen behängt; sämmtliche Kränze tragen Allasschlcifen in den blau-weiß rothc» französischen Farbe». Zur Rechten des Grabes, unmittelbar an den Stein anstoßend, wächst ein Busch dichten Gesträuches ans dem Boden. Das war der Ort, an den der General Bonlanger seit dem Tode seiner Freundin täglich wallfahrte. Um 5 Uhr nach dem Diner wurde der Wagen cingespannt, und der General fuhr nach dem Kirchhof, von seiner Mutter, einer zweinndachtzigjährigen Dame, oder von seinem Freunde Dntcms begleitet. Er trug den schwarzen Trauer flor nm Hut und Arm, durchschritt langsam die Allee und verweilte clange am Grabe, gebeugten Hauptes, in tiefes Sinnen versunken. Die Bewohner von Jxellcs begannen dem trauernden Manne ihre Aufmerksamkeit zu schenken und einige Schänken in der Nähe des Friedhofes brachten die Stimmung in der Bevölkerung zum Ausdruck, indem sie auf ihr Firmenschild „Znm General Bonlanger" schrieben. Der General betrieb die Fertigstellung des Grabdenk mals sehr eifrig, suchte bei der Gemeindeverwaltung von Jxellcs um bessere Pflasterung der zum Grabe führenden Allee nach und erreichte nach vielen Mühen von der Friedhofsverwaltung, daß ihm in dem Grabe selbst, das aus zwei Abtheilungen besteht, das zweite zur persönlichen Benutzung reservirt werde, obwohl dieses Recht sonst nur Verwandten der Tobten zuerkannt wird. Am Dienstag machte sich der General, wider seine sonstige Gewohnheit schon am Morgen und ohne jede Begleitung auf den Weg. Er hatte vorher »och mit seinen beiden Richte», die er in seinem Hotel beherbergte, gefrühstückt, und diesen tvar sein verstörtes und wortloses Wesen derart aufge- fallen, daß sic, von bangen Ahnungen erfüllt, sofort nach seinem Weggang Ri. Dutems benachrichtigen und bitten ließen, zum Rechten zu sehen. Währenddem fuhr der General in seiner zweispännigen Equipage dem Kirchhofe zu und trieb den Kutscher unaufhörlich zur Eile an, so daß dieser die Pferde im wildesten Tempo einherstürmen ließ. Auch den Beamten des Kirchhofs fiel das Erscheinen des täg lichen Gastes zu so nngewvhnlcr Stunde ans. Dieser schritt, nachdem er ans dem Wagen gestiegen, direct auf das Grab zu und stellte sich davor, die Hände auf den Stein stützend. Unmittelbar nach Ankunft Aug' um Aug', Zahn um Zahn. Roman von Hans Heinrich Schefsky. (Fortsetzung.) Nachdruck verboten. Bevor Dora und der Bankier einstiegen, stellte sich der letztere Mit den Worten vor: „Ich heiße Bollmann", und auf Dora weisend, fügte er hinzu: »Meine Gattin. Wir beabsichtigen, die Billa Maudolinata in Augen schein zu nehmen, um sie eventuell zu kaufen." Golinski verbeugte sich mit dem Anstande eines Weltmannes und Nannte seinen Namen, indem er hinznsetzle: »Da werden wir vielleicht Nachbarn, ich bin der Besitzer von Gut Drachenstcin; wenn wir in die Milte des Sees kommen, werden Sie meine Villa auf dem Felsen sehen können." Nach diesen Worten bot er Dora die Hand und unterstützte sie beim Betreten des Kahnes, der unter ihren Tritten hin- und her- schwa»kle; dabei ruhte ihre mit seidenen Halbhandschuhen bekleidete Hand in der seinen, und, tvar cs Täuschung, tvar es Zufall, er glaubte, seinen Druck erwidert zu fühlen. Nachdem auch Bollmann im Kahne Platz genommen halte, stieß Golinski ab, und schnell wie ei» Pfeil bewegte sich der leichte Nachen über den glatten Wasser spiegel dahin. „Hier ist eS schön!" sagte Dora, „doppelt wohlthuend ist die Einsamkeit, die friedliche Stille der Natur, wen» man dem Getriebe des Weltgewühls soeben entronnen ist." „O diese Einsamkeit kann auch lästig werden," antwortete Golinski. Dabei dachte er unwillkürlich an seine Frau, und ein Gefühl des Zornes erfaßte ihn. Mit welchem Rechte hatte sie ihm die Freiheit abgekaust und ihm den goldenen Ring auf den Finger gezwungen, der jetzt verrätherisch zu Dora hinübcrblitzie. „Kennen Sic Villa Maudolinata?" wandte sich Bollmann an Golinski. „Verkehrten Sie mit dem früheren Besitzer?" „Das Innere der Billa habe ich nie betreten," entgegnele der Gefragte, „aber mein Weg führt mich oft an ihr vorüber. Kleines, hübsches Nest. Sic wissen doch, daß die Villa für die Sängerin A. erbaut wnrde, welche sie Villa Maudolinata taufte. Die Dame soll sie bis vor wenigeu Jahren bewohnt haben, dann ging die Villa in den Besitz eines Gelehrten über, eines alten, kahlköpfigen Herrn." „Ganz recht, cs war der Professor Gesckius, ein berühmter Naturforscher," fügte Dora hinzu. „Er ist vor Kurzem nach Aegypten gegangen, wohin sein Beruf ihn zn reisen vcranlaßte, und hat dem Agenten Huhn in B. Auftrag gegeben» die Villa zn verkaufen." „Ich will wünschen, daß iins das Gebäude und die Einrichtung jusagt," nahm Bollmann das Wort, „denn die Gegend ist in der der Equipage Bonlanger's fuhr im schärfsten Trabe ein Miethswagen vor dem KirchhosSgitter vor, Dutems sprang ans demselben, ehe er noch angehaltcn, und eilte im Laufschritt die Allee entlang. Am Grabe angelangt, legte er dem Freunde beide Hände auf die Schultern, so daß dieser erschrocken auffnhr. Bald darauf sah man die Männer Arm im Arm im angelegentlichsten Gespräch auf- und abwandeln. Das dauerte so etwa eine Stunde. Nach Verlauf derselben schien Bonlanger von seinem Freunde etwas zu erbitten, was dieser verweigerte; auf Audringen des Generals gab dieser aber nach, schüttelte ihm die Hand und begab sich nach dem Ausgang. Von dort aus beobachtete Dutems noch, was weiter vorging. Bonlanger verfiel abermals in ein finsteres Brüten und stand einige Augenblicke ruhig »eben dem Grabe. I» nächster Nähe waren zwei Marmorarbeiter mit der Errichtung eines Monumentes beschäftigt. Um ein Werkzeug zn holen, mußten diese den Ort ihrer Thätigkeit verlassen. Diesen Moment benutzte der General, verschwand hinter dem a» das Grab zur Rechten angrenzenden Busch — und wenige Secnndcn später fiel der verhängnißvollc Nevolvcrschuß. Dutems, die Tcdtcngräbcr und die zwei Marmor arbeiter stürzten sofort herbei und fanden den General in sitzender Stellung, den Rücken an das Monument gelehnt, den Hut neben sich, mit einer Wunde in der Schläfe; ans der in dichten Strömen das Blut floß, mit geschlossenen Auge» und halb offenem, schwach röcheln dem Munde. Der Jnspector des Kirchhofes ließ einen gerad^Mrüber- gehcndcn Arzt hcrbeirnfen. Als aber dieser ankam, hatte der Werbende seinen letzten Seufzer ausgehancht. Mit einem in Wasser getanchteu Schwamm wusch man das blntbesudelte Gesicht ab und verband hierauf den Kopf. Als man die gleichfalls mit Blut befleckte Weste anf- knüpfte, fand man über dem Herzen ein Vollbild der Madame Bonne main, das diese strahlend von Jugend und Schönheit darstcllte. In den Taschen fand man nur eine Summe von 7 Frcs. und eine goldene Uhr mit Kette. Keine Papiere oder sonstige Legitimations- Zeichen. Hierauf wnrde der Leichnam in die Equipage des Generals getragen, welche noch immer vor der Thür wartete. Der Kirchhofs« inspcctor stieg mit i» den Wagen und setzte sich »eben de» Tobten. Dntcms fuhr voraus, um im Hause des Generals Alles zum Empfang vorzubcrciten. Die Bombenaffaiie bei Rosenthal. Die Reise des österreichischen Kaisers von Prag nach Neichenbcrg ist unterwegs durch cinen sensationellen Zwischenfall gestört worden. Wenn auch derselbe keine weiteren Folgen hatte, so bleibt doch die Thatsache, daß er sich überhaupt ereignen konnte, auffallend genug. Wie wir bereits berichtet haben, hat nämlich auf der Rosenthaler Brücke, über welche der Kaiscrzug seinen Weg nehmen mußte, eine Bombenexplosion stattgcfunden. Ganz unbegreiflich erscheint es, daß man bei einer, wenige Stunden vor der Explosion abgehaltenen Durch suchung der Brücke nichts Verdächtiges' bemerkt hat! Wir haben bereits gestern von der Art der Verbergung der Bomben in den Wasserschlänchen berichtet und wollen hier noch bemerken, daß der Dammdurchlaß, über welchen die Eisenbahn führt, sehr massiv construirt ist; der Damm ist mit großen Quadern verkleidet — hat eine Breite von 5»/^ Metern und eine Höhe von 3^ Metern. In dem Damme sind unter der Brücke kleine Wasserableitungsschläuche von ^4 Meter Tiefe, in einen der letzteren waren die Bomben eingelegt. Eine derselben explodirte um 2/4I2 Uhr nachts, die andere etwa zehn Minuten später. Ein furchtbarer Knall, den man bis Rcichenberg hörte, schreckte die Bewohner von Rosenthal auf. In dem dem Damme nächstgelegene» Bauernhüuschen zersprangen die Fenster. Die Bewohner des Dorfes wagten sich an fangs nicht ans de» Häusern; erst »ach einigen Minuten stürzten sie aus den Platz, wo sie rathlos durcheinanderschriee». Unterdessen war derStationSvorstand von Nosenthal herbeigeeilt. Er war bei einem Fabrikanten in Nosenthal gewesen, als er die erste Detonation hörte, und kam unmittelbar »ach der zweiten Detonation. Die Explosion hatte keinen großen Schade» angerichtet; rechts und links waren im Damme unter der Brücke Quadern herausgerisscn, die» mit Schutt und Erde vermengt, auf dem Boden lagen. Es zeigte sich, daß die That romantisch schön. Und so still. — Habe» wir Telegraphcn- verbinduiig mit der Bahnstation?" Golinski verneinte. Bollmann schien durch diese Antwort sichtlich befriedigt zu sei». Eine Pause trat in der Unterhaltung ei», welche nur durch den tact- mäßigcn Rnderschlag unterbrochen wurde. Von Zeit zu Zeit trafen sich Dora's und Golinski'S Blicke, doch nur einen Moment, dann mieden sie einander. Dora sowohl wie Golinski dachte» über die zufällige Begegnung nach; mit dem Jnslincte ungewöhnlicher Naturen fühlten sie eine Art von Zusammengehörigkeit, eine Art geistiger Ver wandtschaft, welche ihre Charaktere, so verschieden sie auch sei» mochten, in einem Punkte zusamnienführte. „Sehen Sie dorthin," unterbrach Golinski das Schweigen, „jetzt können Sie meine Villa sehen." Ein Laut der Bewunderung entfuhr den Lippen des Paares. Wirklich bot Schloß Drachenstein von der Mitte des Sees aus ge sehen einen hochromantischen Anblick. „Man fühlt sich in die Zeit der Ritte« und Minnesänger zurück versetzt," sagte Dora. „Die Burg dort auf dem Felsen ist uneinnehm bar, aus hundert Fencrschlünden kann sie den Tod in's Thal hinab- schicken, es fehlt nur »och, Herr Ritter," wandte sie sich an Golinski, der ihr staunend znhörle, „daß Sie in voller Rüstung auf dem Balkon erscheinen und dem Anführer der Feind« zu persönlichem Zweikampfe den Fehdehandschuh hinabwcrfen." „Es käme nur darauf an, um welchen Preis mau kämpfte," er widerte Golinski. der infolge der Lektüre von Ritter- und Räuber- romancn diese Sprache genügend verstand. „Wenn der Preis eine schöne Frau wäre, ich würde mich nicht besinnen." „Ah, sehr galant!" lachte Dora, aber innerlich war sie über zeugt davon, daß dieser Mann ein gut Theil ritterlichen Muthes und Todesverachtung in sich trüge. — Nach fünf Minuten landeten die Insassen des Kahnes am jen seitigen Ufer; Golinski beschrieb dem Paare den Weg, den cs zur Villa Maudolinata einschlagcn müsse, und versprach, im Kahne zu warten, bis cs zurückkehren werde. Er habe Zeit, versicherte er, und die Herrschaften möchten sich für die Besichtigung der Villa nur Zeit nehmen. Als Bollmann und seine Begleiterin hinter den Bäumen verschwunden waren, wandelte der Besitzer des Drachenstcincs am Ufer unruhig auf und nieder. Dieses Weib hatte eine wahre Revo lution in seinem Inner» hervorgcrufe». Sonderbar! Eben hatte er sich noch ans der Gegend fortgesehnt und jetzt war cs ihm, als sei sie zu einem Paradies um ewandelt. Die Zukunft tauchte vor seinem geistige» Auge auf wie ein Zauberschloß ans dem Wasser des Sees und kühne Bilder erfüll!,,, seine Phantasie. An der Seite dieses Weibe- schien ihm Alles möglich. Auch dieser rohe, ungezügelte Detonation von zwei Wasserleitnngsschlänchen auSgegaugen war, die höher als fünf Fuß über dem Boden liegen. I» diese hatte eine verbrecherische Hand die Bomben gelegt. Man fand ihre Splitter unter den Steine» auf dem Boden. Ueber den Splittern lagen zwei abgerissene rvthe Znnddrähte. Der Stalionsvorstand vcranlaßte sofort die Herstellung des Schadens. Man stützte mit einem Eichen- psostcn den cinen Damm und den andern durch eine kleine Ziegclmaner. Hierauf verständigte der Vorstand die Bahndirection der Sndnvrddcnlschen Verbindungsbahn und das Gensdarmcrie Com» mando. Um halb 1 Uhr waren GensSarmerie-Oberst Türr, Nlttmeister Ricdlinger, Bürgermeister Schücker und Bczirkshnuplman» Schlögl auf dem Orte des Thatbestandes. Sic konnten nur die Tbat seststellcn, aber keine Spur des Thäters finden. Man erkannte, daß derThäler nicht Zeit genug halte, die Bomben, die mit Nitroglycerin gefüllt waren, tief genug in den Wasserleilungsschlauch zu legen. Hätte er dies gekonnt oder hätte er die Bomben i» die höherlicgeiiden Schläuche gebracht, dicBrücke hätte in Trümmer gehen müsse». Die Dorfbewohner glauben, derThäler sei derselbe, der am Johannestage die Johannes- Statue in Neichenbcrg in die Lust sprenge» und nm Marienlage das selbe mit der Marien-Capclle bei Masfersdorf thnn wollte. Sein Motiv war Rache und die Lust, den Reichenbcrgcrn eine Freude zu verderbe». Der Durchlaß, es ist der zweite vom Rcichcuberger Bahn hose, ist von vielen Leuten umstellt. Zwei Gensdarmericposten stehen voc ihm. Einer von ihnen trägt eine Tasche, in der die Bvmben- plitter aufbewahrt sind. Ein bestimmter Verdacht liegt nicht vor, doch soll bereits eine Spur gefunden worden sei», welche zur Aufklärung des ruchlosen Bubenstückes führe» dürste. Daß man es nur mit einem solchen zu thnn hat, steht wohl außer Zweifel, und cs ist in keiner Weise irgend ein anarchistisches Complot dahuilcr zn vermnlhen. Der Verkehr wurde in keiner Weise gestört. Sämmtliche Anwesende gewannen übrigen- die Uebcrzeugung, das; es sich nicht um ein beabsichtigtes, der Person des Monarchen geltendes Attentat Handel» könne, da sonst nicht schon in der Nacht die Zündschnur angezündet worden wäre, daß also nur ein Bnben- tück vorlicge, bestimmt, die Feststimmung Reichenbcrgs zn trüben. Sofort nachdem die an Ort und Stelle erschienene Commission ihre Aufnahme beendigt halte, wurden die Löcher in den Seitenmauern zngemanert, die Sprünge in der Wölbung können jedoch nicht sofort ansgebessert werden. Es müssen große Theile der Wölbung zuvor ansgcbrochen werden. Die Commission hat im Ganze» 12 bis 13 Bombcnslückc vorgefnnden. Auch die anwesenden Fachmänner konnten nicht genau die Masse constatiren, aus der die Bomben geformt wurden, es ist weder Eisen »och Blei, sondern eine cigenthnmliche Gußmasse. Tie Untersuchungen bez. des Thäters sind noch im Gange; ein ver dächtiges Individuum ist bereits verhaftet worden. Ter Kaiser hat übrigens in vornehmster Weise das Bubenstück iu Nosenthal während seines Reichenbcrger Anfenthalles iguorirt, keiner der von ihm in Neichenbcrg durch eine Ansprache ausgezeichneten Persönlichkeiten gegenüber erwähnte er des Vorfalles mit Einem Worte. Er war für Alle von größter Leutseligkeit und in offenbar heiterer Stimmung. Auch der Statthalter betrachtete den Vorfall als völlig ungeschehen und sprach von demselben mit Niemandem. Die Details der Erhebungen, die man noch in der Nacht, in welcher der Vorgang geschehen, über die garstige Sache pflog, wurden so spät nach Prag mitgetheilt, daß sie im Hofzuge erst während der Fahrt, und zwar in Tnrnan, bekannt ivnrden. Als der Kaiser »ach dem Erwachen von dem Vorfälle in einem ersten, nur allgemein abgefaßten Telegramme verständigt wurde, sagte er sofort, ohne irgendwie zu zögern: „Wir fahren, und wenn cS nöthig sein sollte, steigen wir vor der Brücke aus und passircn ein Stück Weges zu Fuß." Politische Rundschau. Chemnitz, den 3. Oclvber. Deutsches Reich. Der Kaiser hat, wie man ersäart, wegen der gegenwärtigen schönen Witterung seinen Aufenthalt in Ost. Charakter Halle endlich sein Ideal gefunden, wie es jedem Menschen vorschwebt und einmal im Leben begegnet. Wie wenigen Glücklichen gelingt es, ihre Ideale festznhaltcn und an sich zu ketten; für die meisten Staubgeboreneu zerfließt es in Luft und Nichts, wenn sie die Trnggcstalt in die Arme schließen wollen. Das Ideal ist die I'-rtcr urorMna, des menschlichen Lebens. VIII. Bollmann und Dora schritten zwischen den Bäumen dahin. Sie sprachen von der Zukunft. In einigen Tage» mußte das Projcct der Straßenbahngründung sich entscheiden. Der Bankier rechnete mit Bestimmtheit darauf, daß man ihm keine Schwierigkeiten in de» Weg legen würde. Die Gründung mußte zu Stande kommen »ach den Ideen Bvllmann's; hatte er doch bedeutende Summen anfgcnomnikn, um das Material und das Terrain, welches gebraucht wurde, au sich zu bringe». Schlug seine Speculation fehl, fo tvar er ein rninirler Mann, denn nur mit Hilfe der ihm von dem Käufer der gegründete» Bahn in Aussicht gestellten zwei Millionen konnte er seinen Ver bindlichkeiten Nachkommen, folglich war, sobald die Bahn nicht in's Leben gerufen werden konnte, auch die Kanssumme verloren, und, wenn er diese nicht erhielt, so war es ihm unmöglich, die auf- genottimeneu Gelder zurückzuzahlen. Somit waren die nächsten Tage für Bollmann und Dora, die ihr Geschick mit dem Scinigcn .'-er blinden hatte, entscheidend. Um indcß auch für den schlimm,stcn Fall nicht aller Mittel beraubt zu sein, beabsichtigte der Banki.-r für Dora und auf ihren Namen die Villa Mandotinata zu '.insen, die ihr durch Huhn zufällig angebvten worden war. Dorthin wollte da- Paar flüchten und von dem Capital, welches Bollmann Dora als „eiserne Reserve" eingehäudigt hatte, lebe»; sie hatten nämlich be schlossen» daß der Bankier, falls sein Unternehmen in die Brüche ginge, überhaupt nicht mehr zn de» Scinigen znrückkcyrcu solle, gelänge cs, nur auf wenige Tage, um einige Angelegenheiten zn ordnen und dann sofort für immer zn Dora zu flüchte». DaS Paar befand sich also vor einer Krisis, darum traf er mit umsichtiger Schlauheit alle Maßregel», »1» selbst im schlimmsten Falle nicht ganz verloren zn sein. „Ich weiß nicht, ob es klug von uns gehandelt tvar," sagte Bollmann, daß wir uns gleich ans dieser Entdeckungsreise mit einem unserer Nachbarn bckanv^ gemacht habe». Es war doch eigentlich unsere Absicht, recht zurückgezogen zu leben und unser» Verkehr so viel als möglich zp llieschränken." „Es steht lv.'S ja frei, zn jeder Zeit diesen Verkehr abznbrcchen,* entgegnele Dor«r, „übrigens haben wir ja nichts zu fürchten. Du bist in den leite» Tagen in Bezug c>>f De,.. ,f»>ßis Projcct sehr unsicher gewoiden. Fürchtest Du, daß , s scheitern wird?" Der Bsnkier rückte an seiner goldene» Brille.
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