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— 163 !— nur auf zwei ältliche Leute angewiesen gewesen war? Ein großes Bedauern erfüllte sie, daß sie heute so bestimmt von ihrer Abreise gesprochen hatte, — iu Gesellschaft von Dr. Wagner würde sie noch drei Wochen in Hohensdorf gut ertragen können. Ob er dann noch an das hübsche blonde Mädchen mit der tadellosen Figur denken würde? Sein Erröten hatte ihr bewiesen, daß er am Ende gar eine kleine Schwäche für Fräulein Leonhardt hegte; wäre es da nicht interessant und prickelnd, ihre Macht an ihm zu erproben, ihre Macht, der bisher noch keiner widerstanden? Wenn sie doch nur einen Ausweg fände, zu bleiben! Und was für ein herzliches Verhältnis zwischen ihm und seinen Eltern herrschte, wie komisch es von seinen Lippen klang: „Väterchen", „Mütterchen", komisch und doch zugleich rührend! Und wie die beiden Leutchen, die er uni Kopfeslänge überragte, ihn immer noch „Jungchen" nannten! Bei ihnen zu Hause ging es nicht so herzlich zu: für Senti mentalitäten war dort kein Plast, da war jedes Gefühl wohl temperiert und abgemessen. Endlich schlief sie ein. Früher als sonst erwachte sie am nächsten Morgen. Wie sie es gern tat, blieb sie noch eine Weile mit offenen Augen liegen. Ihr hatte allerlei konfuses Zeug geträumt, und Bernhard Wagner spielte die Hauptrolle darin. Während sie bemüht war, sich den Traum in die Erinnerung zurückzu rufen , hörte sie lustiges Pfeifen in ihr Denken hin ein. Es war die Melodie des ihr längst wohlbekann ten Studentenliedes: „O wonnevolle Jugendzeit mit Freuden ohne Ende." Unwillkürlich sang sie leise mit. Sie sprang aus dem Bett, lief mit bloßen Füßen aus Fenster und spähte vorsichtig durch die Gardine in den Garten. Dort stand Bernhard schon —es war kaum sechs Uhr vorüber — rm Ge spräch mit den Eltern. Man schien sogar von ihr zu sprechen; denn er blickte lange und aufmerk sam nach ihrem Fenster, »nährend seine Mutter aus ihn einredete. Wie gut er aussah, wie stattlich! Nachlässig hielt er die Hände in der. Taschen sei ner weißen Beinkleider, zu denen er einen dunkel blauen Rock und einen trug, sowie Helle Stiefel. Der Anzug saß tadellos, und es ge fiel ihr ungemein, daß er etwas auf sein Äußeres gab — auch wenn er Landarzt werden wollte. Schneller als sonst machte sie Toilette. Was abcr heute anziehen? Sie wählte lange. End lich entschloß sie sich zu einem grauen Leinen kleide mit geklöppelten Einsästen. Sie wußte, daß der raffiniert gearbeitete Faltenrock und die Matrosenbluse, die den Hals freiließ, sie sehr gut kleideten und ihr ein außerordentlich jugend liches Aussehen verliehen. Fast wie eine Sieb zehnjährige erschien sie in dem so einfach wir kenden Kleide, und nicht wie eine Dreiund zwanzigjährige. Der Morgen war herrlich; die Sonne lachte vom blauen Himmel herab und die Luft war köstlich klar und rein. Dagmar stieß die Fenster flügel weit aus und beugte sich hinaus. Pfarrer Wagner, der an seinen Rosenstöcken beschäftigt war, bemerkte sie. „Guten Morgen, Fräulein Dagmar!" rief er, „der Tausend, Sie sind schon auf? Haben Sie etwa nicht gut geschlafen?" „O doch, sehr gut, wie immer!" antwortete sie fröhlich, „guten Morgen Herr Pfarrer! Ich hatte mich in der Zeit versehen, aber nun freue ich mich darüber. Wie ist es heute schön!" „Ja, ein gesegneter Morgen! Und es wird auch voraussichtlich so bleiben für heute! — Mein Sohn ist auch schon auf!" Bernhard trat etwas vor und rief ihr einen freundlichen Morgengruß zu. Ihre nach ihm spähenden Augen hatten ihn bisher nicht erblicken können; nun freute sie sich, als sie ihn sah. Sie beeilte sich, hinunter zu kommen. «Fortsetzung folgt.. Unsere LUäer :-! Das „Hungermännchen" in Bad Blankenburg. Am Rathause zu Blankenburg im Schwarzatal ist eine verwitterte Figur angebracht, das „Hungermännchen". Sie ist das Erinnerungszeichen an ein „Hungerjahr", in dem der schlechte Ausfall der Ernte eine außergewöhnliche Verteuerung der Lebensmittel herbeiführte, denn die Inschrift über der Figur ist so ent ziffert worden: „Im Jahre 1446 galt das Malter Getreide 14 Mfl" Meitzner Gulden). Jin Mittelalter brachten Mißernten einzelnen Gegenden oft großes Elend, da die schlechten Berkehrsverhältnisse einen Ausgleich in der Getreideversorgung des Landes, wie wir ihn heute kennen, verhinderten. Andenken an „Hungerjahre" finden sich auch in anderen Städten, nament lich werden in manchen Mnseen die winzigen „Hungerbrote" aufbewahrt. Russische Grenzwache in Kalisch vor der Einnahme der Ltadt durch die deutschen Truppen. (Mit Text.) breiten seidenen Gürtel Der Felsen von Gibraltar mit Blick auf die englischen Befestigungen. (Mit Text.)