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bietungen, die in angenehmer, rascher Aufeinanderfolge an den lauschenden Zuhörern vorüberiogen. Herz und Gemüt fanden hier reiche Ladung. Christentum und Kunst boten all den andächtigen Menschenkindern ihre kostbaren Schätze. Trotz der Fülle war im Saale eine Ruhe, die außerordent lich wohltat. Solche Veranstaltungen sollten recht oft statt finden. Sie sind die würdigste und beste Unterhaltung und Stärkung unsere» Volke« am lieben Sonntage, der leider in zunehmendem Maße entweiht wird. So bringt man die Kunst dem Volke nahe, und so läßt man e« stch laben an dem unvergleichlichen und unverstechbarrn Jungbrunnen wirk- lichen Christentum«, au« dem erquickende Ströme fließen, die Jungen wie Alten reichen Segen und wahre Freude bringen. Die Festordnung für die Nachmittag«feier wie« drei Teile auf. Der erste Teil bestand in einem gemeinsamen Gesang, Gebet und Begrüßung durch den BundeSvorsttzenden, Herrn Prokuristen Salzbrenner. Dieser wie« in seiner kurzen, trefflichen Ansprache auf da« Wesen und die Bedeutung der Jugendbundbeflrebungen hin und kennzeichnet« die großartige Verbreitung der Bewegung in der ganzen christlichen Welt. Dor reichlich 30 Jahren tst der Juaendbund in« Leben ge rufen worden von dem Pastor Dr. Klark, und heute bestehen bereit» 74 000 Vereinigungen mit nahezu 5 Millionen Mit gliedern. Der zweite Teil setzte stch zusammen au» musika lischen und GesangSvorträgen, die in buntem Wechsel nur zu schnell vorübergingen und alle Anwesenden ganz gefangen nahmen. Sämtliche Darbietungen legten Zeugnis ab von ernstem Fleiße und künstlerischem Können. Die prächtigen Lieder waren vorzüglich eingeübt und kamen in wohltuender Reinheit und Frische zum Vortrage. Anerkennenswerte Lei stungen bot Herr Meinel au» Schneeberg sowohl auf der Violme, wie auch mit dem Tenorhorn. E» war wirklich ge diegene Musik, die durch ihn zu Gehör kam in dem 7. Vio linkonzert von Rode (^-moll) und in dem Tenorhornsolo „Nordische Fantasie" von Th. Hoch. In dem Streichquar tett — Largo von Rob. Schumann — und in einem Trio von Reißiger wirkte ein Cellist mit, der des König« Rock trug und der — wie wir erfuhren — seines Zeichens ein Schmied war. Die Hand, die früher den Hammer führte, entlockte dem Cello herrliche Töne. Sehr schön kam auch das Sopran solo mit Violine und Harmonium aus „Paulus": „Sei ge treu bis in den Tod" zum Vortrag. Fast überwältigend wirkte am Ende dieses Teiles der mächtige Schlußchor aus dem Oratorium „Lazarus" mit seinem sieghaften Halleluja. Alle Vorträge blieben ohne äußere Beifallsbezeigungen, aber die stille Freude, die aus aller Augen leuchtete, die feierliche Andacht und Ruhe und die gehobenen und erquickten Herzen sind Lohn, der reichlich lohnet. Der dritte Teil brachte zwei Ansprachen über das Thema: „Was verdanken wir dem Ju gendbund für entschiedenes Christentum?" Die Antwort ga ben in einfachen, überzeugenden und zu Herzen gehenden Aus führungen die Herren Missionare Böhme-Dresden und Pastor Röseberg - Deuben. Ersterer verlieh zunächst der Freuds der Mitglieder des Jubelvereins Ausdruck über die großen Segnungen Gottes, die auch dem hiesigen Jugend- dunde in den verflossenen 10 Jahren beschieden waren, in dem diese großartige Einrichtung für unzählige Menschen auf dem ganzen Erdenrunde und erfreulicherweise auch in unse rer Eibenstocker Pflege für eine stattliche Zahl junger Leute ein Mittel zu „Persönlichem Christentum" geworden sei. So dann sprach Redner über dieses Thema im allgemeinen. Herr Pastor Röseberg zeigte darnach, wie persönliches Christen tum ein „Praktisches Christentum" auswirkt. Die packenden, kurzen Ansprachen mit ihrem bilderreichen Inhalte und in ihrer Herzlichkeit wurden von der dankbaren Zuhörerschaft mit wirklicher und freudiger Andacht angehört. Was von Herzen kommt, geht zu Herzen. Nirgends merkte man Lange weile. Wohl für alle war die Festfeier trotz ihrer 2'/, Stun den Dauer zu schnell vergangen. Den Schluß bildeten ge- meinsamer Gesang und Gebet. — Auch die Evangelisations versammlung am Abend erfreute sich sehr guten Besuchs. Zu dieser waren mindestens 500 Personen erschienen. Nach einem Allgemeingesange und Gebet überbrachte zunächst Herr Pastor Wagner als Vorsitzender des Jünglingsvereins sei nen Gruß an den feiernden Bund, wies hin auf das gemein same Ziel, das Jünglingsverein und Jugendbund verfolgten, freute sich des Erfolges der Arbeit und des verständnisvollen Hand-in-Hmid-gehens und schloß mit dem Wunsche, es möge weiter so bleiben zum Segen unserer Jugend und Gemeinde. Dann wechselten Chor-, Quartett- und Allgemeingesänae mit zwei Ansprachen der Festredner über das Thema „Wahre Lebensfreude". Hier verstanden es die Redner vortrefflich, in wiederum einfacher, einleuchtender und durchschlagender Darstellung den aufmerksamen Versammlungsbesuchern Ur sprung und Aeußerung wahrer Lebensfreude, solcher Freude, di« stetig ist und ins ewige Leben quillt, anschaulich zu ma chen. Auch über dieser Versammlung lag eine Stille und Feierlichkeit, wie man sie an solcher Stätte nicht gewohnt ist. Man konnte empfinden, daß die Versammelten gern noch mehr gehört hätten: eS war alles wieder so angenehm rasch vergangen. Ohne Zweifel kann der Jugendbund über den Erfolg seines Festes sehr erfreut sein. Wir danken ihm für die Veranstaltungen mir einem „Lohn s Gott!" und mit dem Wunsche: „Gott segne die nächsten zehn Jahre seines Wir kens!" — — Eibenstock, 18. Juni. Es scheint an der Zeit zu sein, wieder einmal warnen zu müssen vor einer Sekte, die auch in unsrer Stadt Eingang sucht. DaS sind die Millenni Umschriften, über die unS folgendes mit geteilt wird: Eine Sekte, die seit einigen Jahren auch in Deutschland Fuß gefaßt hat, die MillenniumSsekte, oder wie sie sich selbst mit Vorliebe nennt: „Die Internationale Ver einigung ernster Bibelforscher", macht neuerdings auch in Sachsen wieder lebhafte Propaganda für ihre Lehre. Von Barmen aus sind an ein« große Menge Adressen unsere» Landes Flugblätter und Flugschriften gesandt worden, die heftige Angriffe auf die übrigen christlichen Kirchen enthalten und mit allerlei Lockmitteln der Sekte Anhänger zuführen sollen. Deshalb tu» Aufklärung über den wahren Charakter dieser Vereinigung und ihrer Lehre not. Der Stifter der Sekte ist der Amerikaner Charle« T. Russel, der im Jahre 1912 auf einer Vortray«reise auch nach Dresden kam, und dort sprach, allerdings ohne irgendwie tieferen Eindruck zu machen. Er gibt vor, der Menschheit den „voll ständigen Plan Gottes mit der Welt" enthüllen zu können und setzt auf das Jahr 1914 und zwar auf den Okto ber den Anbruch des 1000jährigen Reiches fest. Dir Kirche ist ihm das schlimme Babel, das mit dem Anbruch diese» Reiche» vernichtet wird. „JesuS", so behauptet Ruffell, „war vor seiner Menschwerdung der oberste Engel, der Erzengel Michael, sterblich wie alle Engel. (!) Der Mensch sei genau so wenig unsterblich wie da» Tier und werde nur dann, wenn er stch im Russellschen Sinne bekehrt, mit der Unsterb lichkeit vrrsrhen und mit der göttlichen Natur «»»gerüstet. R. behauptet seine Lehre au» der Bibel zu schöpfen, vermag aber seine Berufung auf die Bibel nur durch «in« fast un glaublich« Vergewattiqung d«rs«lben zu stütz««. Sein« Schrif ten sind unter dem Titel „Millennium-TageSanbruch" erschie nen, die von ihm herausgegebenen Blätter „Jedermann» Blatt', „Die Volkskanzel", „Der Bibelforscher" werden von Barmen au» in deutscher Uebersetzung verbreitet. Vor der Sekte, die mit sehr aufdringlicher amerikanischer Reklame arbeitet und mit der Person ihre» Gründer» einen wenig schönen Kultu» treibt, muß im Interesse der religiösen Ge sundheit unsere» Volke» dringend gewarnt werden. — HundShübel, 18. Juni. Wie schon gemeldet, wird der Vaterländische Volk-verein HundShübel den berühm ten Bi» marckfilm am Sonnabend, den 20. Juni abend» und am Sonntag, den 21. Juni nachmittag» und abend» — 5 Uhr und 8', Uhr — im Möckel'schen Gasthof zur Linde vorführen. Hierzu wird unS noch geschrieben, daß der Ein trittspreis auf nur 10, 20 und 40 Pfg. festgesetzt ist. Kinder zahlen 10, Mitglieder vaterländischer Vereine 20 Pfg. Ein trittsgeld. Der Vaterländische Volksverein Eibenstock wird in liebenswürdigerweise 25 Mk. zu den Kosten der Vor- führungen beitragen, falls diese Kosten durch die Erträge nicht gedeckt werden sollten. Ihm sei hierdurch für sein« Bereitwilligkeit Dank gezollt. Die Mitglieder des vaterlän dischen Volk-vereinS Eibenstock werden Dank dieses Entge genkommens ihres Vereins beim Besuche der Vorführungen in HundShübel ebenso mit besonderer Freude begrüßt werden, wie jeder Besuch aus Eibenstock herzlich willkommen und starker Besuch der Vorführungen erwünscht ist. — Dresden, 17. Juni. König Friedrich August trat heute abend um 8 Uhr 32 Minuten vom Bahnhof Dresden- Neustadt aus die Reise nach ZarSkoje-Selo zum Besuch des russischen Hofes an. — Dresden, 17. Juni. In einer Automobilschlos serei auf der Bautzener Straße entstand heute vormittag ge gen 9 Uhr eine B enz in exp lo si on. Der Brand,der sehr gefahrdrohend auSsah, konnre bald von der Feuerwehr gelöscht werden. Der Materialschaden soll gegen 600 M. betragen. — Freiberg, 17. Juni. Wegen Erpressung und Betrug in mehreren Fällen verurteilte die hiesige Strafkammer den Kaufmann Josef Jottkowitz („Verlag mo derner Kunstwerke" Dresden) und sieben seiner Reisenden zu ? Strafen bis zu einem Jahr 3 Monaten und 300 Mk. Die - Verfehlungen hatten sie sich beim Vertrieb von Ver - i größerungen von Photographien zuschulden j kommen lassen, indem sie Frauen und Mädchen zum Unter- , schreiben von Bestellkarten bestimmten, die hinterher zur Ab nahme teurer Rahmen zwangen. Erfolgte die Annahme nicht, so wurde sofort geklagt. S»e arbeiteten meist unter falschen Namen. In der Verhandlung traten gegen 50 Zeugen auf. — Chemnitz, 17. Juni. Die Maschinenfa brik Kappel wird wieder, wie im Vorjahre, 10°« Divi dende verteilen. — Neuhausen i. Erzgeb., 16. Juni. Im nahen Heidelbach wurde der 27 Jahre alte Wirtschaftsgehilfe Artur Bräuer von seinem Pferde an den Unterleib geschlagen und dabei so schwer verlegt, daß der Tod auf der Stelle eintrat. — Crimmitschau, 16. Juni. Aus Anlaß der 500- jährigen Stadtrechlsfcier, die am Montag mit einem großen Fackelzug der 3200 Schulkinder und nachfolgender Festbeleuch tung der Stadt abschloß, hat die Firma D. O. Zöffel, Tuchfabrik, 1 0 0 0 0 M. zu Unterftützungszwecken für ihre Beamten und Arbeiter gestiftet. — Hohndorf, 17. Juni Hier lief ein Kind einem Aju tomobil m den Weg. Diese- wich aus und fuhr da bei gegen einen Kinderwagen, in dem drei Kinder saßen. Em Kind wurde schwer verletzt und bewußtlos vom Platze getragen, während die anderen mit leichteren Ver letzungen davonkan en. — Aue, 17. Juni. Gestern nachm. in der 5. Stunde wurde eine unbetanr te ältere Frau auf der äußeren Schnee bergerstraße dabei betroffen, wie sie bei verschiedenen des Wegs kommenden Damen bettelte. Sie wurde festgenommen und dem Amtsgericht zugeführt. Sie steht außerdem im Verdacht, im Februar in Crimmitschau einen Diebstahl verübt zu haben. — Annaberg, 17. Juni. In der ältesten Kirche deS Erzgebirges, in Großrückerswalde, fand vor kurzem eine regel rechte Wandervogelhochzeit statt. Auf einem mit Birken und Blumen geschmückten Leiterwagen fuhren die Freun dinnen der Braut von Annaberg zur GroßrückerSwalder Kir che. Nach der ernsten Feier wurde unter Spiel und Tanz nach Wandervogelart im Freien abgekocht und das HochzeitS- mahl bereitet. Hunderte von schaulustigen Dorfbewohnern staunten das naturfreudige Völkchen an. — Annaberg, 17. Juni. UebunAen mit draht loser Telegraphie veranstaltet gegenwärtig hier, wie in weiteren Teilen des Obererzgebirges, die 3. (Funker-) Kom pagnie deS Königl. Sächs. Telegraphenbataillon» Nr. 7 ar»S Dresden-Uedigau. — Johanngeorgenstadt, 16. Juni. Der V e - teranentag brachte einen Fehlbetrag von etwa 1700 Mark, der aus dem Garantiefonds gedeckt werden muß. — Plauen,17. Juni. Nach Unterschlagung von 2000 M. ist der Kirchner Streubel von hier flüchtig geworden. Bis jetzt sind zahlreiche Buchfälschungen festgestellt worden. — Im nahen Oberlosa sind heute vormittag gegen 10 Uhr dasWohnhauS, die Scheune und die Stallung von Bern- hard Gorbitz in Asche gelegt worden. — Grün bei Asch, 16. Juni. Auf dem Wachtberg« wurde ein« auS 5 Personen bestehende Holzfällergruppe von einem plötzlich auftretenden Gewitter überrascht. Während einer der Arbeiter stch unter einen isoliert stehenden Baum flüchtete, setzten die anderen ihre Arbeit fort. Plötzliches chlug der Blitz in den erwähnten Baum, sprang in der Mitte de» Stamme» ab, verletzte jedoch merkwürdigerweise den unter dem Baume stehenden Mann nicht, sondern traf zwei der etwa 10 Meter entfernt stehenden Arbeiter namen» Josef Krögl und Franz Streitberger. Beide erlitten schwere Verbrennungen am Rucken, die Schuhe wurden ihnen von den Füßen gerissen und der «ine verlor für einige Zeit voll ständig da» Augenlicht, da» aber wiederkehrte. Die beiden anderen Arbeiter kamen mit dem Schrecken davon. Wandlungen. Novelle von K E. Berth. tTchluß.) Er seufzte. Was ist die Liebe doch für eine Zauberin! Er hatte sich abgemüht, gesorgt um sie — immer neue Pläne ersonnen, um sie aus ihrer Teilnahmlosig- keit aufzurütteln — vergebens! Der Freund brauchte nur zu kommen, brauchte ihr nur in die Augen zu sehen, und das Wunder war da! Sic war erwacht zu neuem Leben. Und er? Er selbst? Wie das jo plötzlich über ihn gekommen war, das Bewußtsein, daß seine Frau ihm trotz allem — viel leicht auch gerade um all dessen willen, was er um sie gelitten — teuer war! Und wie dies Gefühl in ihm wuchs — stärker, machtvoller wurde, je mehr sich seine Frau von ihm entfernte! Hohn des Schicksals! Er stand da mit gebundeneil Händen, mußte blu tenden Herzens zusehen, wie zwei andere sich ihr Glück bauten. Wer weiß, wie bald der Freund sie von ihm for dern würde. Aber mußte er sie den» hingeben? Mußte es denn sein? Wenn er nun nicht will? Wenn er sie nun halten will, solange ihm irgend die Macht zusteht? Mußte er unglücklich sein, weshalb nicht auch sie — sie alle beide! Mochte der Freund doch sehen, wie er sie sich ge winnen konnte! „Ein Schuft ist, wer einem andern helfen kann, und tut es nicht! Wer hatte ihm doch diese Worte zugerufen? Er stand wie gelähmt. Gleich darauf aber schüttelte er die geballten Hände. „Oho, Freund Gantzer, Frau Irene ist kein Butter brot!" Er stürmte wieder vorwärts, doch der Freund blieb an seiner Seite. „Du hast mir den Glauben an das Gute im Men schen ins Herz gepflanzt, und er ist nicht zuschanden geworden." Wegner stöhnte qualvoll. Er sah den Freund vor sich mit seinen klaren, leuchtenden Augen. Mit aller Gewalt suchte er dies Erinnerungsbild von sich zu stoßen, es ließ ihn nicht. „Ich kann, ich kann nicht von ihr lassen!" mur melte er. Ach — alles, alles könnte er ihr opfern — noch einmal von vorn anfangen, sein ganzes, schweres neues Leben noch einmal beginnen in Angst, Not und Sorgen von Tür zu Tür gehen — für sie, für sie! Und Irene? Sein Haupt senkte sich, sic würde verkümmern an seiner Seite mit dieser Liebe zu einem andern im Herzen. Vielleicht zugrunde gehen. „Nein nein", schrie alles in ihm auf, „so nicht — um diesen Preis nicht!" Tiefgesenkten Hauptes schritt er weiter. Er gewann nichts, wenn er sie hielt. Liebe läßt sich nicht erzwingen; sie ist ein Gottes geschenk, das uns in den Schoß fällt - ohne Ver dienst. Möge sie denn glücklich werden, er wird sich ihr nicht hindernd in den Weg stellen, sondern ihr die Wege ebnen zu neuem Glück — heute noch! Dieser von ihm gefaßte Entschluß ließ sein erregtes Gemüt zur Ruhe kommen. Langsam ging er nun seinem Heim zu — auf kleinen Umwegen, um möglichst still und gefaßt vor Irene hintreten, alles ihre neue Zukunft Betreffende mit ihr besprechen und durchdenken zu können. Die Augen zur Erde gerichtet, schritt er über den Hof. Er öffnete die Korridortür, legte sie wieder ins Schloß und — blieb erstaunt stehen. - Alle Türen offen. Geheimnisvoll stand die Luft in den Zimmern. Leise trat er auf und stand nun bei Irene auf der Schwelle. Sie saß und arbeitete, den Kopf leicht nach vorn geneigt, liebliche Röte im Gesichte, um den Mund ein Lächeln. Wegner betrachtete sie stumm mit langem Blick. Wie sie sich verändert hatte in dieser letzten Zeit! Eine gereifte, zielbewußte Frau, saß sie dort. Wie diese seelische Reife sie verschönt hatte! Ihre weichen, kind lichen Züge hatten sich vertieft, veredelt, ihr Antlitz war durchgeistigt, belebt von einem festen Willen. Und dennoch — bei all ihrer Sicherheit umschwebte sie der köstliche Reiz, der die edle Frau verklärt, em porhebt — der ihr einen Thron schafft, einen Thron, auf dein einzig nur das Weib Herrscherin sein wird — ihre sich in all ihren Bewegungen, in jeder Linie ihres Körpers kundgebende, sanfte, rührende Hin gebung. Alles an ihr sagte: Ich strebe, kämpfe und schaffe — ich trage sie in mir, die schweigend überwindendes unerschöpft duldende Liebe. Das war Irene — das ehemals launenhafte Mäd chen, die gelangweilte Frau geworden. Emsig führte ihr feine, schlanke Hand den Stift. Wegner war, als packte eine harte Hand sein Herz — jo — vertieft, so in sich versunken war sie — so mit allen Gedanken bei ihrem Glück, daß sie nichts bemerkte von dem, was um sie herum vorging. Wildes Weh schüttelte ihn. Doch er zwang sich zur Ruhe. Sie sollte cs nicht gewahr werden, daß und wie tief sie ihm ins Herz ge wachsen war. Es könnte sie vielleicht betrüben. Das