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monstrationen und e« gelang der Polizei nur mit Mühe, die erbitterten Leute zu beruhigen. Die Angestellten und di» Statisten de« Theater- haben beim Gewrrbeamt Klage erhoben. — Dresden, 20. Januar. Bereit« vor längerer Zett waren zwischen der fortschrittlichen Volkspartei und dernationalliberalen Partei Verhandlungen im Gange, die ein gemeinsame « Vorgehen bei den im nächsten Jahr stattfindendrn Landtagswahlen zum Ziel haben. Ein Resultat ist nun bereit» zu verzeichnen, da sur die Oberlaufltz das Abkommen perfekt geworden ist Man nimmt an, daß nunmehr für ganz Sachsen eine Verständi gung zustande kommt. — Dresden, 20. Januar. Seit gestern werden in den Geschäftsräumen der Jasmayi-Aktiengesell- schäft umfangreiche Haussuchungen vorgenommen. Gestern früh erschien ein Landgerichtsrat und fünf Kriminal beamte und hielten sich den ganzen Tag in der Fabrik auf. Heute wurden die Haussuchungen fortgesetzt. Ueber die Gründe tns behördlichen Vorgehens wird strengstes Still schweigen beobachtet und selbst die Lritung der JaSmatzi- Aktiengesellschaft ist angeblich darüber nicht informiert, um was es sich handelt. In der Stadt sind die verschiedensten Gerüchte verbreitet, im die aber eine Bestätigung bisher nicht »u erlangen war. Fest steht die Tatsache, daß zu den Haus suchungen nur Beamte hinzugezogen werden, die die englische und französische Sprache beherrschen. Man schließt daraus, daß e» sich um irgend eine mysteriöse G ehet m b ün d e lei handelt. — Leipzig, IS. Januar. Nach größeren Unter schlagungen zum Nachteil einer Leipziger Firma ist der 23jährige, in Meiningen geborene Reisende Leopold Göpel vor einigen Tagen von Leipzig flüchtig geworden. Göpel hat von Kunden seiner Firma Geld einkassiert, dieses jedoch nicht abgeliefert, sondern damit das Wette gesucht. Die be treffenden Kunden wohnen auswärts, und zwar zumeist in der Umgebung von Chemnitz Beim Einkasstercn der Beträge soll sich der Betrüger als Sohn des Inhabers der in Frage kommenden Firma ausgegeben und sich den Nanien Hugo Frey bügelegt haben. Man nimmt an, daß Göpel, der übrigen» auch noch «ine fünfmonatige Gefängnisstrafe zu verbüßen hat, sich durch weitere Unterschlagungen die Mittel zur Flucht in» Ausland verschaffen wird. — Borna, 20. Januar. In einer zahlreich besuchten Versammlung deS Vereins reich»- und königstreuer Wähler wurde für die demnächst stattfindende Nachwahl im 14. sächsischen Reichstagswahlkreis (Borna) der jet zige Abgeordnete Herr v. Liebert als Kandidat auf gestellt. Herr v. Liebert wird von einem Teil der National- liberalen und von den vereinigten Rechtsparteien unterstützt. — Meißen, 20. Januar. Erfroren aufgefunden wurde heute früh bei der Ortschaft Keilbusch neben der Straße der Mechaniker Paul Hofmann. Der Verunglückte ist 5S Jahre alt. — Mittweida, 20. Januar. Der .Reichstreue Bür- gerveretn" hat heute abend eme öffentliche Versammlung ein berufen, um eine Hilfsaktion für die durch das Groß- feuer am Markt Geschädigten in» Leben zu rufen. Sächsischer Landtag. Dresden, 20. Januar. Erste Kammer. Var Ein tritt in die Tagesordnung gab der Minister des Innern Graf Vitzthum v. Eckstädt auf eine Aeußerung des Ober bürgermeister» Keil-Zwickau in der Sitzung vom 14. Januar eine Erklärung ab, nach der e» den Beamten der Staats behörden und den Beamten der Kommunalbehörden, soweit ste unter staatlicher Aufsicht stehen, verboten ist, amt liche Auskünfte direkt an Mitglieder der Ständeversammlung abzugeben. Die Mitglieder der Ständeversammlung hätten sich diese Auskunft direkr von dem zuständigen Ministerium zu holen. Hierauf trat das Hau» in die Beratung der Tagesordnung ein, und zwar standen zunächst zur Beratung die Etatkapitel 97 und 98, katholische Kirchen und wohltätige Anstalten, sowie sonstige Kultuszwecke betreffend; ferner Kapitel 27 und 28, auf den Staat-kaffen ruhende JahreSrenten und Ablösung der dem Domänenetat nicht angehörigen Lasten, sowie Abfindungs zahlungen bei RechtSstreiligkeiten betreffend, weiter Kapitel 36 betr. Oberrechnungskammer und Kapitel 69, Statistische« LandeSamt betreffend. Sämtliche Etatkapitel wurden teil« debattelo», teil» nach unwesentlicher Debatte gemäß den An trägen der zweiten Deputation erledigt. Nächste Sitzung Mittwoch nachmittag 1 Uhr. Dresden, 20. Januar. Zweite Kammer. Am RegierunaStisch Finanzminister v. Seydewitz. Präsident Dr. Vogel eröffnet die Sitzung um 2 Uhr. Auf der Tagesord nung steht zunächst die Schlußberatung über die Etatkapitel 71: Verwaltung des gemeinschaftlichen Mini sterialgebäudes in Dresden-Neustadt; 14: staat licheS Heiz- und ElekrizitätSw erk zu Dresden und 15: Münze betreffend. Sämtliche Kapitel werden debatte- loS nach der Vorlage erledigt. Ueber Kapitel 13 bi» 21 de» Rechenschaftsbericht» für 1910/11 erstattet Abg.K lein- Hempel (Natl.) den Bericht und beantragt, die Etatsüber schreitungen nachträglich zu genehmigen. Adg. Fräßdorf (Soz ): Al» Vorsitzender der RechenschafiSdeputation habe er in deren Namen zu erklären, daß im Rechenschaftsberichte auf große Ersparnisse bei Beamtenbesoldungen Bezug ge nommen wurde. Die Deputation habe daraufhin bet der Regierung angefragt, wie sich diese Ersparnisse auf die oberen, mittleren und unteren Beamten verteilten und wie ste zu er klären seien. Eine Antwort sei noch nicht eingegangen. Die Deputation wolle deshalb die Schlußberatung nicht aufhalten, behalte sich aber vor, nach Eingang der Antwort dem Hause eingehend Bericht zu erstatten. Im übrigen beantrage er, Kapitel 79 von der heutigen Tagesordnung abzusetzen, weil über dieser Kapitel, Straßen- und Wasserbauverwaltung betr. inzwischen weitere Erörterungen notwendig geworden seien. Abg. Günther (Fortschritts. Vp.) wünscht Erläuterung über den verhältnismäßig geringen Nutzen und dir großen Aus gaben bei Kapitel 13, Blaufarbe nw er kOberschlema. Finanzminister v. Seydewitz: Er sei zu seinem Bedauern gegenwärtig nicht in brr Lage, die Ziffern zu übersehen, um eine endgültige Auskunft geben zu können. Nach weiterer unerheblicher Debatte werden die Kapitel 13 bl« 21 ebenso wie die Kapitel 73 bis 80 de« Rechenschaftsberichte« mit Aus nahme von Kapitel 79 antragsgemäß erledigt. Nächste Sitzung morgen nachmittag 2 Uhr. Anträge betreffend Regelung de» Beamtenrechte«. Deutscher Reichstag. 19ö. Sitzung vom 20. Jaguar 1914. 'Nach Erledigung einer kleinen Anfrage seitens des Abgeordneten Erzberger (Ztr.) wird die zweite Beratung des Etats für das Reichsanrt des Jn«ern fortgesetzt. Nach einer längere" Rede des sozialdemo kratischen Abg. Kraetzig, die sich vornehmlich mit dem angeblichen Wohnungselend der Landarbeiter be schäftigte, legte Staalssekretär Delbrück in einer geradezu glänzenden Rede seinen sozialpolitischen Standpunkt dar. Er zeigte dabei, daß die Regierung sich keineswegs den Forde rungen des Tages gegenüber verschließen will, daß sie vielmehr eine durchaus gesunde und natürlich ge mäßigte Sozialpolitik weiter treiben wolle, wen" na türlich vorläufig bis zu einem gewissen Grade ein kleiner Stillstand eintreten muß. Des weiteren äu ßerte sich der Minister auch über das Koalitionsrecht, indem er durchaus sich auf de« Standpunkt stellte, daß zur Vertretung von J»teresseufrage;n Ellenbogen freiheit gewährt werden müsse. Dan" ging er auf die wirtschaftliche Luge über und entwarf ei" Bild von unserer günstigen Situation; sowohl Arbeitgeber wie Arbeit nehmer seien dabei "icht schlecht gefahren. Unter die sen Umstände« werde die Regierung an ihrer bisheri gen Wirtschaftspolitik festhalten u"d nach den bis herigen Grundsätze« bei Abschluß der neuen Handels verträge verfahren. Reicher Beifall lohnte de« Spre cher und mit seiner Rede war das Hauptinteressezdes Tages erschöpft. Vom Zentrum sprach nach dem Staatssekretär der Abg. Chrys and über verschieden« MMclstandsfragen, und als Antwort teilte Ministerial- dircltor Caspar mit, daß demnächst eine Verord nung gegen den heimlichen Warenhandel von Beamte!« erlassen würde. Auf ei«e weitere Anfrage teilte Geheim rat Lewald mit, daß die Reichsregie,rung über ihre Stellung zu der im nächsten Jahre in Dresdenjstatt- sindende« Handwerker-Ausstellung sich in der Kommission äußern werde. Nachdem noch der Abg. Böhme vorwiegend agrarische Fragen erörtert u«d den verschiedentlich angegriffenen Bauernbund vertei digt hatte, vertagte sich das Hans. Aus der Zeit der BcsreiMgslmgc. 22. Januar 1814. Es gibt Dinge, Anschau ungen, Geschehnisse in der Geschichte, die der Nachwelt unerklärlich find und sich nur aus dem Zeitgeist her aus verstehen lassen. So auch das Verhältnis Eu ropas zu de„ Niederlanden: die Wichtigkeit, mit der die Schaffung eines starken Reiches in dieser Gegend behandelt wurde. Tatsächliche Gründe liegen hierfür nicht vor, sondern Spekulationen, Befürchtungen, Wünsche, Hoffnungen- Der Prinz von Oranien, aus. seinem Reiche von Napoleon vertrieben, hatte sich in feiner Weise bei der Eroberung Hollands im Befreiungs kriege bemerkbar gemacht, ebensowenig hatte das hol ländische Volk für seine Freiheit gekämpft; die Be freiung Hollands hatten einzig und allein die Preu ßen, «unterstützt vor: russischen Truppen besorgt. Ob schon soweit keinerlei Grund für die Lobpreisung des Oraniers und der Holländer vorlag, erschien und er hielt sich doch die Phrase von „Hollands Verdiensten um Europa" im Wörterbuch der Diplomatie. England hatte ein großes Interesse an der Vergrößerung der Niederlande: einfach deshalb, weil England den Nie derländern einen Teil ihrer überseeischen Kolonie^ bei der Neuordnung der Dinge abzunehmen gedachte. Oe sterreich und Preußer', dessen Kanzler Hardenberg sich in diesem Falle sehr kurzsichtig erwies, gedachte« einen Pufferstaat zu schaffen, der ev. Angriffe Frankreichs, zuerst auszuhalten hätte; diese Aufgabe wollte man einem Volke zuweisen, das sich als so unkriegerisch wie möglich erwiesen. Hardenberg merkte nicht, daß ma!n sich vor allem darin einig war, haß das gewaltig auf strebende Preußen allen als eine Gefahr erscheine u»d man es nicht zu mächtig an Gebiet werden lassen purste. Aus der Bahn geschleudert. Roman von Baronin G. v. Schlippenbach. (2. Forlsetzung.) Eckern hatte die dunkelrote Rose ergriffen und sie in das Knopfloch seines Waffcmrockes gesteckt. Er saß Ellen gegenüber. Bedeutungsvoll hob der jlyrge Offi zier den Römer gegen sein holdes vis-ä-vis. „Ihr, spe zielles Wohl, gnädiges Fräulein," sagte er. Die feinen Kelche berührten sich mit Hellem Klange. Nach dem Frühstück, dein beide Herren tapfer zu- sprachcn, steckten diese sich ihre Zigarren qn, und An»a verschwand, um den Mokka zu bereiten. „Ellen, bringe den Chartreuse," befahl der Vater. Besorgt blickte Anna auf die gefüllten Gläser, sie sagte aber nichts mehr. — t Werdenstätt und sein Adjutant besprachen dienst liche Angelegenheiten. Anna und Elle" zogen sich diH- kret zurück. Das Herz des jungen Mädchens schlug laut. Heute hatte sie deutlich gefühlt, daß sie dem Grafen Nicht gleichgültig war, und zitternd gestand sie sich ei/n, daß sie ihn liebte, liebte mit der gläubigen, alles, hoffen den Liebe ihres jungen unschuldigen Herzens. Ihr fielen die Worte ihres Bruders Franz ein: „Du denkst, er wird sich mit dir verloben, er denkt gar nicht daran, er muß eine reiche Frasu heiraten-" Ach! Was wußte der grüne Junge, der war nicht imstande zu urteilen. Ellen setzte sich in die Jelängerjelieber-Laube. Mit einem Stöckchen zeichnete sie sehnen Namen i« den Sand und darunter dqn eigenen. Wie hübsch sähe« sie zusammen aus. Die war so in goldene Träume ver< tieft, dah sie erschrak, als eine weiche Stimme neben ihr sagte: „So einsam, Fräulein Ellen ?" O, welche süße Betonung gab er ihrem Namen. Errötend wollte sie die verräterische Schrift ver löschen, aber er hatte sie schon gesehen. Mit dex Reit gerte zog er schnell ein großes Herz um die beiden Namen. Ellen war aufgesprungen Md wollte fliehen; er ergriff ihre Hand. In der nächsten Minute hätte eG zu einem bindenden Worte kommen müssen, da erschien Franz, den beiden recht Mgelegen, auf der Bildfläche. Er Machte ein spitzbübisches Gesicht und setzte sich lin die Laube. „Ich störe wohl," sagte er lachend. „Durchaus nicht, ich wollte mich nur von Ihrem Fräulein Schwester verabschieden," entgegnete der Graf, und sein Fuß verlöschte die Schrift im Sande. Dym verneigte er sich und verließ den Garbek. „Heinz und Ellen und ein großes Herz darum," spottete Franz, „darf man gratulieren?" „Geh fort, du bist gräßlich, Junge " Ellen brach in Tränen aus. Und ging davo« wäh rend ihr Quälgeist ihr halb belustigt, halb erschreckt nachsah. Cs tat ihm leid, die Schwester in /seinem 'Kju«- benübermut geneckt zu haben. Graf Eckern ging nachdenklich seiner Wohnung zu, die in der Nähe des Psingstberges gelegen war. Er war unzufrieden mit sich; hatte er sich doch heute zu weit shinreißen lassen. Eigentlich war er Franz für die Störung dankbar. Es hätte nicht mehr viel ge fehlt, so hätte er sich gebmrden, und es «lag /nicht ikn feiner Absicht, dies schon jetzt zu tun. Eckern war arm. Soin Bruder, der Majoratsherr, der das schöne Gut Eckernförde in «der Mark besaß, gab ihm eine recht «gute Zulage, die für einen Junggesellen reichte. Wo aber sollte das. Äommißvermögen Herkommen um heiraten zu können! Werdenstätts galten nicht als wohlhabend. Götz diente in dem teuren Regiment und Frau von Werdenstätt war dafür bekannt, daA sie viel verbrauchte, und Franz und Anna wäre" «auch noch da. Das Gehalt des Obersten und die Zinsen seines Vermögens reichten in den letzte» Jahren nicht mehr «aus, um alle Ausgaben zu bestreiten, das -mun- kelte man seit langem. „Hol's der Kuckuck, ich muß es mir aus dem Sinn schlagen," dachte Eckern mißvergnügt. „Wen" Elle« nur nicht so reizend wäre, ich verliere meine Kalb- blütrgkeit, sobald sie mich so hold anlächelt. Ich darf nicht mehr so oft hingehen, will Urlaub nehmen!unL verreisen; vielleicht gelingt es mir, sie zu vergessen." Anna hatte den Vater sorglich in sein Zimmer ge führt. Sie zog die Vorhänge zu, deckte eine leichte Hülle über ihn und fragte, wann sie ihn wecke« sollte, da er versprochen, abe"ds ins Kasino zu gehen- „Um sieben muß ich dort sein. Setze dich Noch ein wenig zu mir, mein Kind. So -- lege deine .kühle Hand auf meine Stirn — das tut Wohl. Deine liebe Mutter tat es oft; ich meine, du gleichst ihr ganz." „Lieber, lieber Vater." Anim beugte sich über ihn und küßte ihn sa«ft. Er hielt ihre Hand fest und schloß die stlugen. / .Annchen,' sagte <r zögernd, .versprich mir, daß du Mama und die Kinder nie verlassen wirst, wen« - mir etwas zustoßen sollte." Sie sah ihn entsetzt an. „Fühlst du dich trank?" fragte sie beklommen. „Nein, mein Kind, aber siehst du, ich bin bald sechzig, «und da kommen einem oft ernste Gedanke»." Sie sank an seinem Lager nieder. Ihre sonstige Selbstbeherrschung verließ sie, und ste sagte init beben der Stimme: „Vater, lieber Vater, ich kann dich bricht missen; du weißt, wie lieb ich dich habe." „Ja, «ich weiß es, mein Kind. Sieh einmal, die zweite Frau, die ich wählte, ist dir nie bas geworden, was ich hoffte, ich habe es oft miNDrauer empfunden. Trage es ihr nicht nach, sie ist ein sehr verwöhnter Mensch. Aüch dutch mich " Er i^ufzke leise, dann fuhr er fbrtk „Ich habe Sorgen, Anna, schwere Sorgen! Laß mich »och heute darüber schweigen, e« regt mich furchtbar auf, darüber zu sprechen. Morgen vielleicht erkläre ich mich deutl cher. Geh jetzt, ich will versuchen zu ruhen'. Er schloß die Augen. Anna ging still hinaus, Das Herz war ihir so schwer, wie ein Alpdruck lag es darauf. — „Wenn der Vater uns war erhalte» bleibt, dam» ist «alles gut," dachte sie, und ein heißes Gebet,um das teuere Leben stieg zu Gott empor. Jubelnder Gesang störte Anna i» ihrem Sinmen. „Du meine Seele, du mein Herz, Du meine Wonne, du mein Schmerz " So sang Ellen am Klavier. Da der Gesang Glicht bis zu dem Zimmer des Vaters dringen konnte, Ließ Anna die Schwester gewähren. Sie lauschte dem fit! berhellen Sopran und der meisterhaften Begleitung. Ellen war sehr musikalisch und nahm treffliche Un terrichtsstunden in Berlin- „Du könntest dein Brot mit deiner Musik ver dienen," hatte Anna ei»mal scherzend geäußert. Ellen hatte erwidert: „Ja, wenn einmal die Not wendigkeit an mich heranträte, so wäre es mir die liebste Art, Schwesterchen. Und du mit deinem Sin« für alles Praktische könntest ebensogut auf eigend« Füßen stehen." Kranz lümmelte sich im Lehnstuhl und rauchte heimlich. Er hatte eine Zigarre des Vaters stibitzt. „Hast du deine lateinische Aufgabe gemacht?" fragte Anna. „Das «hat noch Zeit," lautete die Antwort. „Nein, du gehst sofort auf dein Zimmer, Junge, und arbeitest." Sehr energisch ergriff die ältere Schwester den Arm des Knaben und -ihr Gesicht wurde streng „Vor wärts — keine Widerrede!" Sie schob ihn zur Tür hinaus, und brummend gehorchte der Gymnasiast. Wenn er vor jemand Re spekt hatte, so war es vor Anna. Die schwache Mut-