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«Mit Text.) nahm ihr fast den Atem. Endlich ermannte sie sich so weit, daß sie den Saaldiener bat, ihr diese Zeitung, die ja schon einige Tage hier ausgelegen hatte, zu überlassen. Dann eilte sie damit, so schnell sie nur konnte, in ihre Wohnung. Hier schloß sie sich ein und las den Abschnitt des Artikels wieder und wieder, bis sie nicht mehr konnte und weinend zusammensank. Als Luise heimkam, klopfte sie bei Lucie an, aber erst nach - zweimaligem Pochen wurde ihr aufgetan. „Was ist denn nur ge schehen ?" fragte Luise erschrocken, als sie die Schwägerin so halt los vorfand. Stumm und zitternd reichte Lucie ihr das Blatt. Luife las und las erstaunt weiter. Auch sie erschrak, doch DeS Schriftstellers HanSjakob neuerbauteS Heim zu HaSlach in Baden. «Mit Text) ging sie aus. Als sie weit genug fort war, eilte er ihr nach, zu erst in respektabler Entfernung. Richtig, er hatte Glück. Sie ging nach dem Tiergarten. Sofort Der einzige ^>ohn. Roman von Paul Bliß. (Fortsetzung.) 2E?^/err Bremer soll mich in Ruhe lassen", erwiderte die Künstlerin kurz. „Es sollte mir einfallen, mit einem verheirateten Mann zu flirten." IWUA „Ich habe den Brief verbrannt," sagte Mamachen. „Recht so. Reden wir nicht mehr davon." Mamachen war beruhigt. * Am andern Morgen kam ein prachtvoller Rosenstrauß, und gegen Mittag erschien Ernst selber. Mamachen empfing ihn — freundlich, aber etwas zurückhaltend. Er erkundigte sich, wie den Damen das Fest bekommen sei. „Danke, recht gut," sagte die Theatermutter, „nur meine Tochter ist etwas abgespannt und läßt sich entschuldigen." Er war enttäuscht, doch nahm er sich zusammen. Da seufzte Mamachen. „Sind auch Sie nicht ganz auf dem Posten, gnädige Frau?" fragte er besorgt. „O doch, ich muß schon den Kopf oben behalten", antwortete sie leicht gedrückt. „Was glauben Sie wohl, wieviel es jetzt bei uns zu tun gibt! Sobald meine Tochter Engagement hat, müssen wir die Kostüme beschaffen, dann haben wir auch noch gar keinen Schmuck, kurz, man hat seinen alten Kopf voll. Ja, ja, das können Sie mir gern glauben." Und sarkaststch fügte sie hinzu: „Ich sage Ihnen, Theatermutter sein, das kommtgleichnach Pferdestehlen." Er lächelte, doch er horchte etwas erstaunt auf, und er horte, was zwischen diesen komischen Klagen unausgesprochen blieb. Bald darauf empfahl Bremer sich. Aber er ging nicht nach Haufe, er ging in das Cafe, das der Wohnung gegenüberlag. Dort setzte er sich an ein Fen ster, geschützt durch eine Gardine, und wartete. Wie ein Schulknabe kam er sich vor. Aber ganz gleich, er mußte sie sehen und mit ihr sprechen. So wartete er über eine Stunde — eine wahre Mar ter war es. Endlich kam sie. Ganz allein schlug er einen Nebenweg ein, damit das Zusammentreffen wie zufällig aussah, und so trat er ihr fünf Minuten später plötzlich entgegen. Sie erschrak und war ganz verwirrt. „Ich bitte um Verzeihung," grüßte er heiter, „und ich freue mich, daß es Ihnen jetzt bester geht." „Wieso besser?' fragte sie. „Nun, Ihre Frau Mama sagte doch —" Aber sie unterbrach ihn. „Sie hat geflunkert." Da wurde er rot. „O, Sie wollten mich nicht empfangen?' „Nein, ich wollte nicht!" Fragend, bittend sah er sie an, so daß sie den Blick abwandte. „Weshalb wollten Sie nicht?" flehte er. „Um es kurz zu machen —", entgegnete sie jetzt ernst, „ich bitte Sie, Herr Bremer, unterlassen Sie von jetzt an jede weitere Annäherung, ich bitte Sie darum!" , Wütend sah er sie an — „Sie glauben meinen Worten nicht!?" „Ich darf — und ich will Sie nicht länger anhören." „Ah — Sie denken an meine Ehe, nicht wahr? Nun, jede Ehe ist doch zu trennen!" „Ich bitte — kein Wort weiter!" „Mila!" Bebend starrt? er sie an. Da winkte sie ihm zu, kühl, stolz und abweisend und ging weiter. Und er, rot wie ein Schulknabe, stand da und blickte ihr nach: noch nie war er sich so hilflos vorgekommen. 8. Wenige Tage nach dem großen Fest, das Ernst gegeben hatte, las Lucie im Lesezimmer des Wiesbadener Kurhauses eineBer- liner Zeitung, und da fand sie den Artikel, der eine ausführliche Schilderung der ganzen Veranstaltung gab. Mit gesteigertem Interesse las sie weiter und weiter. Aber als sie an den Abschnitt kam, der von dem neuentdeckten Talent sprach, der die herrliche Stimme und die blendende Schönheit Mila Perronis pries, und als sie las, daß ihr Mann, ihr Ernst, als der Entdecker dieses neuen Sterns gefeiert wurde, da hielt sie bebend inne. Das Blatt in ihrer Hand zitterte, und haltlos, hilflos sah sie mit starren Augen darüber hinweg, ins Leere hinein. Eine Ahnung, angstvoll und grauenvoll, stieg in ihr auf und sie zeigte Hs nicht. Endlich sagte Luise, scheinbar leichthin: „Nun ja, das ist ein Fest, wie er schon manchmal so eins gegeben hat." Doch Lucie verneinte weinend: „O nein, ich lese mehr aus diesen Zeilen heraus." „Mehr? Ja aber, liebes Kind, was denn?" „Ahnst du es wirklich nicht?' „Ich weiß nicht, was du meinst." „Diese Sängerin ist es, die mich beunruhigt." Luise nahm sich zusammen. „Aber du glaubst doch nicht etwa, daß Ernst seine Pflicht vergessen könnte?' Wehmütig schwieg die junge Frau und drückte das Tuch vors