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serc Korporation in Mißkredit gebracht. Es könn ten einmal unangenehme Folge« daraus entstehen. Die Gäste waren brave annektierte Lothrin ger, welche den Preußen nur von ganz ferne glei chen; deshalb wird der Borfall wohl auch reine diplo matischen Folgen haben. Er ist glücklicherweise von einer solchen banalen Weise, daß er in die Rubrik „Verschiedenes" gehört. — Einstellung 20jährrger Re traten. Der unter dem Vorsitz des Präftbenten Pomcaro ab gehaltene Ministerrat hat sich am Dienstag vormittag endgültig für die Einstellung der Rekruten km 20. Le- bensiahre ausgesprochen. Ministerpräsident Barthou und oer Kriegsminister Etienne haben dreie E„richei- dung nachmittags der Armeekommission mitgetei't. England. Die Homerulebrl'l in zwerter Le sung ab gelehnt. Das englische Oberhaus lehn te in zweiter Lesung die Homerulebill mit 302 ge gen 64 Stimmen ab und nahm den Antrag Lord Lins downes an, die Bill zuvor dem Urteil der Wählerschaft zu unterbreiten. Amerika. Die Situation in Mexiko. Die Washingtoner Blätter bringen alarmn'rende Nachrich ten aus Mexiko. Die Lage sei e i n e ungemein kritische, obwohl amerikanische Kriegsschiff? in ver schiedenen Häfen zur Stelle sind. Die Blätter kriti sieren die Haltung der Unionsrcgierung, ore es unter lassen habe, rechtzeitig energische Schritte zu unter nehmen, um eine Ausdehnung der Unruhen zu verhin dern, u die Ordnung im Lande wiederh.rzustellen. China. Der ru ssisch-chrnc fische Konflikt wegen der Mongolei. Es herrscht in Peking große Aufregung, sowohl unter den Chinesen, als auch unter den Ausländern, wegen der neuen Forderungen, die von Rußland unerwartet gestellt worden sind. Montag und Dienstag fanden geheime Sitzungen bei der Häuser statt und der stellvertretende Prenuermi nister machte den Mitgliedern die Mitteilung, daß Ruß land China eröffnet habe, es habe sich entschlossen, das vorgeschlagene Abkommen vor seiner Unterzeich nung zu annullieren. Durch die neuen russischen Vor schläge werde die volle Autonomie der äußeren 'Mon golei anerkannt, China nur zum Souverän erkläre und gezwungen, die russische Vermittelung anzuuehmen und alle Rechte anzuerkennen, welche durch das Abkom men und das Protokoll von Urgavom November vori gen Jahres Rußland zugestanden worden sind. Fer ner werden durch diese Vorschläge die Rechte der rus sischen Untertanen und Händler in der Mongolei fest gesetzt. Alle Fragen, die sich hieraus ergeben, sol len durch spätere Verhandlungen erledigt werden. Im Parlament wurde gegen die neuen Vorschläge ein schar fer Widerspruch erhoben. — Die Kämpfe in China. Bei Klutiang list eine Schlacht zwischen nordchinesischen Truppen und den Truppen von Kiangsi im Gange. Die Nordarmee rüstet sich zur Belagerung der Stadt. Die Konsuln in Hankau haben beschlossen, an die Famlliew der Aus länder nach Kiukiang Lebensmittel abzusenden Ocrüichc und MWe Nachrichten. — Eibenstock, 16. Juli. Bekanntlich hotte gelegentlich des Automobilunglückes in Wildenthrl der hier gegen zehn Uhr eintreffende Kraftwagen der staat lichen Kraftwagenlinien sich sofort zu einer Sonder fahrt nach Wildenthal zur Verfügung gestellt. Nach einer jetzt erlassenen Verfügung der Sächsischen Staats- eisenbahnverwaltung, können künftig Sonderfahr ten der staatlichen Kraftwagenlinien, so weit Wagen und Personal zur Verfügung stehen, über haupt vorgenommen werden. Die einschlägigen Be dingungen werden wir morgen veröffentlichen- — Dresden, 14. Juli. Die Leitung der konser vativen Fraktion der Zweiten Kammer des Landtag» veröffentlicht folgende Erklärung: »Der von der konser vativen Fraktion vor kurzem gefaßte und in den Zeitungen veröffentlichte Beschluß über die Rätlichkeit einer Wieder annäherung der bürgerlichen Parteien ist wie alle bisherigen dahingerichteten Kundgebungen dieser Fraktion lediglich einge- geben worden durch die Besorgnis um das Wohl des Vater landes, das die Fraktion durch die gegenwärtigen beklagens werten Parteiverhältnisse ernstlich in Frage gestellt steht Nach der Aufnahme, die dieser Beschluß von nationalliberaler Seite erfahren hat, blieb kein Zweifel übrig, daß die nationalliberale Fraktion nicht gesonnen ist, zu der hiernach angestrebten Be seitigung des unseligen Bruderzwiste» die Hand zu bieten. Unbekümmert um die Förderung, die durch solche» Vorgehen die Demokratie erfährt, wird sie vielmehr vorziehen, auch ferner Anlehnung an die radikalen Parteien zu suchen und dadurch für die Zukunft des Lande» schwere Gefahren her aufzubeschwören. Die konservative Fraktion wird sich durch diese Stellungnahme der nationalliberalen Partei in ihrer bisherigen Haltung nicht beirren lassen. Im Bewußtsein, auch in diesem Falle ihre Pflicht gegen König und Vaterland erfüllt zu haben, steht sie vielmehr auch unter solchen Umständen der weiteren Entwicklung der Dinge mit Ruhe entgegen, überzeugt, daß, was bisher ihre wohlgemeinten Vorstellungen bei den Gegnern nicht vermochten, bald genug die gesamte Entwickelung der Verhältnisse selbst, dann aber wahrscheinlich in für die liberale Partei sehr empfindlicher Weise bewirken wird. — Dresden, 15. Juli. Wie eine Sensation ersten Ranges wirkt hier ein Interview, das die Wies badener Zeitung veröffentltcht hat. In dieser Veröffentlich ung war gesagt, die Unterredung habe mit dem Bruder eine» König» stattgrfunden, der mit dem rumänischen Thronfolger nahe verwandt und auch mit dem portugiesischen KönigSge- schlechte in verwandtschaftlichen Beziehungen stehe. Darauf wurde in einem Frankfurter Blatte ans den zweiten Bruder de» König» Friedrich August von Sachsen, Prinzen Johann Geora, geschloffen. Dieser hat indessen, wie die Dresdner Neuesten Nachrichten erfahren, mit der Sache nicht» zu tun, weil er gegenwärtig am einer der englischen Kanalinseln weilt. Di« Wiesbadener Zeitung hält indeß all» ihre An gaben aufrecht, sodaß man nunmehr auf andere Prinzen de» sächsischen König»hause» schließen muß. Darnach kann e» nur der jüngste Bruder de» König», der Priester Prinz Max, sein. In dem Interview hat sich der betreffende Prinz außer ordentlich scharf gegen die Leitung der österreichischen Politik ausgesprochen Er wirft ihr vor, daß sie und die österreich ische Presse die öffentliche Meinung Westeuropa» direkt irrre geführt hätten und er sagt weiter, daß dieser Brief nur der Anfang weiterer Verwicklungen werden wird. Zum Schluß erklärt der Prinz, Oesterreich habe die Nationalitätenfrage auf dem Balkan nicht gelöst, sondern nur noch mehr ver mint, zum Nachteile des Dreibundes. — Leipzig, 15. Juli. In ihrer Hauptversamm lung am 11. Juli anläßlich des 12. Deuts chen Turn- festes in Leipzig hat die Deutsche Turnerschast m klarer Weise zum Reichskomitec für olympische Spiele und auch zum Jungdeutichlandbunde Stellung genom men. Der Vorsitzende Geheimrat Dr. Goetz erklärte, daß die deutsche Turnerschaft sich nicht unter das Rcichs- kamitec stellen könne, da dieses mehr oder weniger staatliche Bedeutung habe, die Turnerschaft aber frei van jeder Abhängigkeit nach oben und unten, frei vo« jeoer Parteirücksicht ihrer Ziele wegen bleibe« müsse. Es sei daher auch ein Zusammenschluß oder eine Ab hängigkeit vom Jugenddeutschlandbund undenkbar. — Leipzig, 15. Juli. Die Internationale Baufachausstellung Leipzig 1913 war am gestri gen Elitetage von 98104 Personen besucht. Dies be deutet im deutschen Ausstellungswesen einen Rekord, gegen den die bisherigen Höchstzahlen von Dresden und Breslau weit zurückbleiben. — Oybin, 15. Juli. Staatsminister Graf Vitz thum von Eckstädt traf am Sonnabend mit Familie hier ein und nahm im Hotel zum Bad Wohnung. — Zwickau, 15. Juli. Wegen Unterdrückung von Postsendungen und Urkundenfälschung verurteilte die 2. Strafkammer den Postschaffner Oswald Ebert in Sachsenfeld bei Schwarzenberg zu 6 Monaten Gefängnis. Ebert hatte mehrere an einen Schwarzenberger Geschäftsinhaber gerichtete Postkarten unterdrückt, um die da rauf bestellten Waren von dem gleichartigen Geschäft seines Bruders, dessen eigentlicher Inhaber er selbst war, liefern zu können, was er auch mehrmals getan hat. — Neukirchen i. Erzg, 15. Juli. Gestern wurde in hiesigen Polizeigewahrsam ein 20jähriger Volontär eingeliefert, welcher im benachbarten Orte Leukersdorf mehrere Einbrüche verübt hatte. — Gestern früh in der zwei ten Stunde brach eine unbekannte Person bei dem hier wohnenden Gutsbesitzer und Viehhändler Richard Toste ein, öffnete den G e ld schran k und ergriff mit dem Betrag von ca. 150 M. die Flucht. Die herbeigeeilten Nach barn sahen den Eindringling durchs Fenster springen, konn ten ihn aber nicht fassen. Der Restaurateur Melzer erhielt von dem Einbrecher einenMesserstich in den Arm. Der heute zur Erlangung des Einbrecher» zugezogene Polizeihund von Chemnitz entdeckte die Spur, fand auch die Geldschrankschlüffel, doch war die weitere Spur nicht festzustellen, da dieselbe in Anbetracht des gut besuchten Schützenfestes stark verwischt war. — Auerbach i. V., 15. Juli. Heute nacht drangen Diebe in die Geschäftsräume der .Vogtländi schen Nachrichten- ein, erbrachen Pulte und Schreib tische, die völlig demoliert wurden, raubten einen Betrag von hundert Mark sowie zwei goldene Uhren mit Klappdeckeln im Werte von 300 Mark, die ein Angestellter des Hauses in seinem Pulte hatte liegen lasten. Außerdem entwendetest sie 500 JaSmatzi-Zigaretten, Marke Nonchalance. Man ver mutet, daß ein entlassener ehemaliger Angestellter der Firma als Täter in Betracht kommt. Die Angelegenheit wurde der Kriminalpolizei übergeben. — Rodewisch, 15. Juli. Heute nachmittag kurz vor >/»3 Uhr stürzte hier aus der Querstraße der Hintere Teil des dort befindlichen vormals Herrn Glaser Karl Seifert gehörigen, zweistöckigen Hauses — Querstraße 10 F — aus zur Stunde noch nicht genau festgestellter Ursache mit lautem Getöse vollständig in sich zusammen. Die vordere Hälfte des bewohnten Grundstücks blieb vorläufig stehen, doch zog sich auch hier ein tiefklaffender Riß von .oben bis unten durch das Gemäuer, sodaß das Haus wegen weiterer Einsturzgefahr auf polizeiliche Anordnung hin sofort geräumt werden mußte. Kurz nach 3 Uhr stürzte dann auch der übrige Teil ein, so daß nur die am Berghang angelehnte Rückwand Koch steht. Das Haus gehört Herrn Glaserelbrsitzer Döhcer, der in dem durch Einsturz vernichteten Teil eine Gla serei mit Tischlerei re. betrieb. Man vermutet, daß Altersschwäche des Hauses die Ursache deS Einsturzes ist in Verbindung mit der hurch den Ma schinenbetrieb usw. verursachten Abnutzung. Obgleich das Haus bis zur letzten Stunde bewohnt wurde, ist glücklicherweise kein Unglücksfall zu verzeich nen. Der Schaden ist bedeutend und hur Zeit «ochnicht zu übersehen. Der Bevölkerung bemächtigte sich eine unbeschreibliche Aufregung. Polizei und Feuerwehr sperrten den Unglückssstatz in weitem Umkreise >ab > Aus drr Zeit der Bcsrciungslriczc. »Nachdruck 17. Juli 1813. Einem "eraden, ehrlichen Manne, wie Stein, der für das Volt und mit ten im Volke stand, mußte die schlungenhafte Natur ei nes Metternich, dem das Volk ein leerer Begriff, die Dynastie alles war, geradezu unsympathisch sein. Wie Stein über Metternich dachte, aeht aus einem Briefe von diesem Tage hervor, in dem es heißt: „Di» Teilnahme Oesterreichs Kriege ist immer noch schwankend, ungewiß, und alle Negoziationen seit dem November (1812) haben noch ttzin bestimmtes Resultat herbeigeführt, und seine Politik bietet denen Ratschlä gen des Menschenverstandes Hohn. Auf Metternich ist die Aeußerung Mephistopheles im Doktor Faust an wendbar : Ein Kerl, der finasfiert, Ist wie ein Tier auf dürrer Heide, Von einem bösen Geist im Kreis hc»'umgerührt, Und ringsumher liegt schöne grüne Weide. (ZrovmamL. Skizze von Carl Heerdegen. (Nachdruck verboten.) An der Stadtgrenze lag Grobmamas Haus in einem groben Garten, voll mächtiger Obstbäume, mit Spring brunnen und Lauben aller Art. Das Haus war ein ein stöckiger, altersgrauer Bau, mit Holzläden an den Fenstern, die vor Zeiten einmal grün gestrichen worden waren. Großmama war sehr, sehr alt und konnte sich nicht an eine neue Umgebung gewöhnen. Sw entstammte auch einein alten freiherrlichen Geschlecht und war damit ohne hin konservativ, eine Gesinnung, die sich auf Haus und Garten, Mobiliar und — Personen erstreckte. Grobmama gehörte zu diesem Haus. Schlank, hochgewachsen, trotz ihrer Jahre noch straff aufrecht sich haltend, mit ruhig, stillem Antlitz, das im Verein mit dein schneeweißen Haar zur Ehrfurcht zwang. Den Scheitel krönte ein kleine» Häubchen aus schwarzen Spitzen. Die langen, feinen Hände pflegten stets ein Lorgnon in Hornfaffung zu halten. Großmama ging stets schwarz gekleidet, und die Modekünstlerinnen von heute hätten ihrethalben in Not und Elend leben können, wenn sie nicht vorzogen, ihren Beruf zu wechseln. Jmmer^weiter breitete die wachsende Grobstadt ihre Fangarme aus. Jeder Fleck Erde um Großmamas Besitz tum wurde von den Spekulanten und Baumeistern mit Gold ausgewogen. Auch ihr hatte man glänzende Angebote sür Garten und Haus gestellt. Die Käufer wurden persönlich überhaupt nicht empfangen und Briefe zuletzt auch nicht mehr gelesen. Jedes Ansinnen, den Garten zu verkaufen, empfand die alte Dame als persön liche Beleidigung. AIS sie achtzig Winter gesehen hatte, starb Groß mama. Dann kamen die Erben, und das stille, vornehme Haus gewann plötzlich Leben. Alte und junge, elegante und einigermaßen ramponierte Erscheinungen, ein pen sionierter Generalmajor und drei oder vier Leutnants, ein paar Stiftsdamen mit gelblichen, verwitterten Ge sichtern, etliche holde Mädchenblüten mit glänzenden Augen sternen und rosigen Wangen, Gelehrte und Lebemänner — alle in schwarzen Trauergewändern, bis auf die wenigen Uniformen, und doch ein buntes Gemisch, ein Durchein ander verschiedener Gesichter, denen Lebensanschauung, Beruf, Temperament, Jugend oder Alter den charakteristischen Stempel aufgedrückt. Man stritt und feilschte um jedes Stück der Ein richtung; denn Großmama hatte in ihrem Testament nur bestimmt, daß ihr Nachlaß unter den erbberechtigten Ver wandten zu gleichen Teilen geteilt werden sollte. Einige Legate für die Dienerschaft — den steinalten, wackligen Jean und die dürre Margarete, deren gesamte Gesichts fläche fast von der gewaltigen Hakennase eingenommen wurde, und dreitausend Gulden — wahrhaftig, Großmama hatte „Gulden" geschrieben — für die vierzigjährige Jung frau Susanne als — Heiratsgut. Endlich schienen die Herrschaften einig geworden über die Verteilung von Großmamas Hausrat. Daß Haus und Garten verkauft werden mußten, war von vornherein sicher. Eine und eine halbe Million waren bereits geboten; aber Vetter Max, der Justizrat war, der sagte, man könne zwei Millionen erhalten, wenn man schlau sei. Da die Verwandten nicht die genügende Dosis Schlauheit zu be sitzen glaubten, übertrugen sie den Verkauf dem Justizrat. Mit Maklern sich herumstreiten, das wollten sie nicht, und dann war's auch für Max eine große Ehre und schließlich auch sein Geschäft. Im übrigen mußte er genaue Ab rechnung liefern! Jean hatte während all dem in einer Ecke gestanden. Wenn sich die Herrschaften über ein Stück Mobiliars geeinigt hatten, dann nahm Jean auf silbernem Tablett die Visitenkarte des neuen Besitzers entgegen und heftete sie an Schrank, an Tisch, an das Holzschränkchen oder Sofa, je nachdem. Nun trugen alle Gegenstände weiße oder cremefarbene Kärtchen. Das Geschäftliche war erledigt. Gottlob! Alle atmeten erleichtert auf. Nun konnten die Gefühle wieder sprechen. Die Stiftsdanien begannen in die Spitzentüchlein zu weinen, und die Frau Generalmajor a. D. erzählte mit großer Zungenfertigkeit von ihrem letzten Besuch bei Großmama. Da sei sie noch wohlauf gewesen, die liebe, gute Tante. Nein, daß es so schnell gehen würde, das hätte sie sicher nicht geglaubt. Der Generalmajor a. D. brunimte in den Bart unverständliche Laute, die ebensowohl Zustimmung als Unbehagen ausdrücken konnten. Neffe Georg, im sechzigsten Jahre noch Prioatdozent an der be nachbarten Universität (er sprach über klassische Philologie), erklärte, wie sich die alten Römer das Fortleben nach dem Tode gedacht hätten, und Tante Berta war ein lebendiges Fragezeichen: „Nein, wer hätte das gedacht? Nein, wer hätte das geglaubt?" Nur die blonde Gerda und einer der Leutnants fehlte. Das merkte aber niemand im fassungslosen Schmerz, der erst gemildert wurde, als Jean in kristallenen Gläsern funkelnden Burgunder kredenzte. Die eine der Stifts damen seufzte aus schwacher Brust: „Ach — der Chateau rose — letzte Weihnacht hat sie noch dreimal an ihrem Glas genippt!" „Ach ja — dreimal genippt!" echote die zweite Stiftsdame, und die dritte ergänzte: ^Dreimal ge nippt!" Jetzt brummte der alte Generalmajor abermals in den Bart, und Leutnant Boto hörte deutlich die Worte: „Alte Schachteln!" Gerda und der Leutnant fehlten noch immer. Elsa, der kecke Backfisch, kam sich recht überflüssig vor in der Trauerversammlung. Sie rekognoszierte daher die Neben räume. Als sie in Großmamas zierlich möbliertes Boudoir treten wollte, hörte sie ein leises Geräusch. Die Tür war halb angelehnt. Else hielt sich am Türrahmen, hob sich auf die Zehenspitzen und ließ die lustigen braunen Augen durch den Spalt blicken. Sekundenlang . . . Dann trat das Mädel leise zurück, spitzte die Lippen und kicherte ganz, ganz leise. Ob sie's denen drinnen sagte? Geschähe dieser Gerda schon recht. Die immer so klug tut und alles besser wissen will. Indessen, das weibliche Solidaritätsgefühl siegte in der Sechzehnjährigen. Und dann — eS war doch so himmlisch poetisch gewesen, was ihre Augen erblickt hatten. Ach — wenn man doch nur erst soweit wäre! So ein« richtige Liebe zu einem wirklichen Leutnant, die mußte doch wunderbar sein. Selbst wenn er „nur" ein Vetter dritten Grades war. — „Ich hatte es Großmama gesagt, daß wir un» lieben", flüsterte drinnen Gerda. „Die liebe, lieb« Groß mama — erst hat sie mich auf die Stirn geküßt und dann — legte sie ihre Hand auf mein Haar und segnete mich. «Wir sollten un» immer, immer lieben. Nur ein tiefinneres Glück gibt es, sagte sie, da» sei die echte Zu- neigung zweier Herzen, di« auch da» Grab überdauer«. Uno dann bat st« geweint."