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r c i t ) c z t t l c l „Geh' in dein Zimmer, Ernst! Du weißt, ich bin dir immer ein liebevoller Vater gewesen! Nach Möglichkeit habe ich deine Wünsche erfüllt! Diesen einen kann ich dir nicht erfüllen, denn er ist ein Verrat an deinem König, an deinem Vaterland, an deinem Vater! Wenn ich meine Hand dazu böte, wäre ich selber ein Verräter! Und dazu wirst du selbst mich nicht machen wollen! Deine Träumereien — denn anders kann ich das, was du mir eben sagtest, nicht bezeichnen — werden verfliegen, sobald die Sonne kommt! Und die Sonne ist der Mann, über den du armer, vor witziger Knabe so wegwerfend urteilen zu dürfen meinst! Ja, lächle nur, ich sage dir, er ist die Sonne, und keine Macht auf Erden wird sie verfin stern können —" „Auf Erden nicht,Vater!Aber der eine im Him- mel, der Sonne, Mond und Ster nen gebietet, der Nebukadnezar vonseinemThron gestürzt hat — er wird auch diesen einen stürzen, und es wird sich zei gen, daß diese Sonne nur ein trügerisches Licht gewesen ist!" „Schweig'still! Morgen früh rei sen wir!" „Ich kann es nicht, Vater! — Mein Gewissen, mein verpfände tes Wort verbie ten es mir!" „Und wenn ich befehle?" „Ich bin mün dig, Vater! Und noch trage ich die Uniform deines Regiments nicht, und — verzeihe! — werde sie nicht tragen, solange sie mich verpflich tet, für meines Volkes Todfeind zu kämpfen!" „Du wirst an ders reden, wenn du ihn kennen ler nen wirst! Aber laß mich allein! Mein Wille ist unabänderlich! Gehorche! Oder ich werde mich an den Gedanken ge wöhnen , keinen Sohn mehr zu haben!" „Vater!" schrie der junge Mann Am Kutterplatz, auf. „Du bist zu - hart!" „Nein, nur gerecht! Ein Deserteur kann nicht mein Sohn sein! Desertieren ist das Schlimmste — es heißt, die Treue zer brechen. Und das ist der Tod! Geh' jetzt! Ich werde dich rufen lassen, sobald ich dich brauche!" Langsam, mit einem letzten, langen, bittenden Blick auf den Vater ging Ernst. — Mit großen hastigen Schritte^ durchmaß der Oberst das Zimmer. „Er trotzt mir! Ich hätte es wissen könne,!.' Er ist mein Blut. Aber ich will ihn bewahren vor dem Schlimmsten, was er tun kann. Denn ich hab' ihn lieb, den Jungen!" Gegen zehn Uhr abends klingelte der Oberst. Der Diener trat ein. „Ich lasse meinen Sohn bitten!" In diesem Augenblick erschien auch Hedwig auf der Türschwelle. „Emst ist nicht zu Hause, Vater!" sagte sie und gab dem Diener emen Wink, sich zu entfernen. „Nicht zu Harfe?" Nein!" ,^Wann kehrt er zurück?" „Ich weiß es nicht! Hier diesen Brief hat er für dich hinter- lassen!" Und abgewandten Gesichts gab sie dem Vater ein Schreiben. Mit fliegender Hand öffnete er und las es: „Herzlieber Va ter! Ich kann nicht! Zum erstenmal im Leben kann ich nicht dein ge horsamer Sohn sein. Und noch einmal: ich kann nicht! Ich ver lasse Dein Haus, und noch heute nacht bin ich über der österreichi schen Grenze, von wo wir nach Ruß land weitergehen. Zürne mir nicht! Das Vaterland steht mir höher, als das Vater haus, die Frei heit bei Wasser und Brot höher, als eine goldene Knechtschaft! — Leb' wohl, mein Vater! Habe vie len, vielen Dank für alles Gute, was du mir tatest, und verzeihe mir, Wenn ich es dir damit lohne, daß ich dich verlasse. Aber ich kgnn nicht anders, ein deutscher Jüng ling will ich blei ben! Dein treuer Sohn Ernst." Der Oberst lachte bitter auf. „Ein deutscher Jüngling unter den Moskowi tern! Und ein treuer Sohn, der die Treue schnöde bricht! Lieber keinen Sohn!" Und langsam nahm er das kleine Pastellbild (Mit Text.) des Entflohenen, das auf seinen, Schreibtisch stand, warf es unter seine Füße und trat darauf, daß es in tausend Splitter zerbrach. Ein Heller Aufschrei Hedwigs ertönte. „Vater!" Und sie warf sich ihm in die Arme. „Ich habe keinen Sohn mehr!" Dann sank er in einen Sessel, bedeckte sein Gesicht mit beiden Händen, und ein gewaltiges Schluchzen und Schütter» ging durch den Körper des starken Mannes. Und mit seinem Schluchzen vereinte sich das leise Weinen Hedwigs, und ihre Tränen mischten sich auf der Erde mit den Splittern des Bildes vom verlorenen Sohn. (Fortsetzung folgt.) Nach dem Gemälde von Josef Schmitzberger, eopxrigkt dx ISOZ k°r»nr Lankstueugl, ^lOocken.