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Erscheint jeden Wochenlag Abend« « Uhr für I andern Tag. Preis vierteljiihrlich » Mart Lb! V V» zwetmonatüch 1 M. b0 Pf. u. rinmonatl. 7b so gewaltig imponirt hatte. Nun ist er endlich Minister präsident, aber die Mittelmäßigkeiten beherrschen noch ebenso das Terrain, wie früher. Der einzige Anlauf, den man in Tunis nahm, hat einen nicht gerade sehr glän zenden Verlauf und Ausgang gefunden. Das reiche Frankreich, dem sonst nichts fehlt, wartet noch immer ver geblich auf das, was es am sehnlichsten wünscht — auf Ruhm und Glanz. Das ist der Kummer der Franzosen. Uns könnte die Sache ziemlich kühl lassen, wenn wir nur die Gewißheit hätten, daß Gambetta nicht eines schönen Tages selbst auf die Idee kommt, für ihn und seine Stellung sei es noth wendig, eine „große- Politik nach außen hin zu treiben. Die Franzosen würden einen Diktator, der ihnen eine „große" Politik brächte, wahrscheinlich lieber ertragen, als einen Ministerpräsidenten, der in hausbackener Art und Weise ausgetretenen Geleisen folgt. Wer weiß, ob nicht Gambetta einst der Versuchung unterliegt, um seine Stellung zu befestigen. Die Wurzel des Krieges von 1870 lag in der Expedition nach Mexiko. Die Franzosen konnten die dort erhaltene Schlappe nicht vergessen. Wir wollen hoffen, daß die Expedition nach Tunis nicht eines Tages ein ähn liches Nachspiel findet. Dir Zukunft -es Ministeriums Gambetta. Bei den Franzosen scheint sich die alte Wahrheit aufs Neue bestätigen zu wollen, daß es viel leichter und an genehmer ist, der Führer einer Partei in der Kammer zu sein, als an der Spitze der Geschäfte stehend die volle Verantwortlichkeit für die Leitung des Staates zu tragen. Gambetta hat dies freilich recht gut gewußt, denn er sträubte sich lange genug gegen die Uebenahme der Mini- sterpräsidcntschaft. Aber obwohl vorausgesehen, werden ihm die unangenehmen Erfahrungen, welche er als Minister präsidentmacht, darum nicht willkommener sein. Die Verhandlungen, welche die französische Deputirten- kammer vor etwa acht Tagen führte, sind zwar nicht dazu angcthan, daß man von einer Niederlage Gambettas reden kann, wie übertreibende Federn dies zu thun belieben. Aber sie zeigen doch, wie ein gewisses Mißbehagen in den Reihen der republikanischen Partei um sich greift, welches in der Bildung besonderer unabhängigeren Gruppen seinen Ausdruck findet. Das ist immerhin schon ein bedenkliches Zeichen für die Zukunft des Ministeriums Gambetta. Es handelte sich damals um die Bewilligung der Aus gaben für die von Gambetta neugeschaffenen Ministerien deS Ackerbaues und der schönen Künste. Die Budgct- kommission hatte beantragt, die Posten zu bewilligen, zu gleich aber den Wunsch auszusprechen, daß künftig solche neue Ministerien nicht ohne vorangcgangene Genehmigung der Kammer geschaffen werden möchten. Der Wink, der hierin für Gambctta's eigenmächtiges Verfahren lag, war ziemlich deutlich; derselbe reizte den Ministerpräsidenten so, daß er mit heftigen Worten gegen die Kommission zu Felde zog und die Zurücknahme jenes Zusatzes verlangte. Aber er hatte keinen glücklichen Tag. Die Mitglieder der Kommission und namentlich deren Berichterstatter dienten ihm sehr kräftig. Je mehr Gambetta sich von seinem feurigen Temperament Hinreißen ließ, um so gefährdeter wurde seine rednerische Stellung dem schlagfertigen Depu- tirten Ribot, einem Mitgliede des linken Zentrums, gegen über, so daß der Ministerpräsident, obwohl natürlich die Positionen schließlich mit großer Majorität bewilligt wur den, dieses Redeturnier ganz entschieden verlor. Von einer gründlichen Niederlage kann, wie gesagt, keine Rede sein. Die dem Ministerpräsidenten geschlagene Wunde wird wieder heilen. Immerhin aber bleibt der dem Deputirten Ribot gezollte Beifall bemerkenswerth, weil er den Beweis liefert, daß Gambctta's Herrschaft keineswegs unbestritten ist und daß die Franzosen im Großen und Ganzen sich freuen, wenn durch allerhand Nadelstiche dargethan wird, daß Gambetta nicht mehr ist wie alle anderen französischen Politiker. Dieses Gefühl bei der Mehrheit der republikanischen Partei ist leicht erklärlich. Die Franzosen sind verstimmt über .das Ministerium der Nullen", welches Gambetta ihnen gebracht. Sie vertragen vielleicht mehr als irgend ein anderes Volk, wenn es ihnen nur im glänzenden Ge wände des Genies dargeboten wird. Sie haben sich Napoleon den Dritten gefallen lassen und ihm zugejubelt so lange man ihn sür ein staatsmännisches Genie halten konnte. Als er ihnen nicht mehr im Glanze staats männischer Größe erschien, war's mit seiner Popularität vorbri. Die Ministerien, die später das Ruder der Re publik führten, ließ man sich allenfalls als unvermeidliche Ucbergangs-Ministerien gefallen; aber Boden konnte keine Mittelmäßigkeit gewinnen. Aller Augen blickten erwar tungsvoll auf Gambetta, der doch schließlich an's Ruder kommen mußte und der dann eine glanzvolle Periode bringen würde. Zehn Jahre lang wartete man auf ihn, der durch seine Leistungen im Jahre 1870 den Franzosen . 33. Jahr«««,. de« t H s Donnerstag, de« 15. Dezember m- Tageblatt Avtsblatt sür die königlichen und Wüschen Behörden zn Freiberg und Brand Verantwortlicher Rrdaktr« Iuliu» Brau» i« Freibrrg. aufrecht zu erhalten scheine. Er hält die etatsmäßige An stellung aber namentlich der politischen Unabhängigkeit dieser Beamten halber für nöthig. Die Anträge der Kom mission werden angenommen und der Rest dieses Etats ohne Debatte bewilligt. Es folgte die Berathung des Antrages, betreffend die Errichtung eines Reichstagsgebäudes. Der Vor schlag des Präsidenten, den Antrag in einmaliger Bera thung zu erledigen, wenn anders er nicht in die Kommis sion verwiesen werden sollte, mit dem ver Staatssekretär des Innern, von Bötticher, sich namens des Bundesrathes einverstanden erklärt, während der Abgeordnete Windthorst demselben widerspricht, wird von der Majorität angenom men. Vor Eintritt in die Berathung refcrirt der Abg. Hoffmann namens der Pctitionskommission über eine erst gestern Abend eingegangcne Petition des Besitzers des Kroll'schcn Etablissements, Hrn. Engel, der das genannte Etablissement, soweit ihm die Verfügung zusteht, für den Preis von 1780000 Mark behufs Errichtung eines Reichstagsgebäudes offerirt. Die Kommission be antragt, durch den zu fassenden Beschluß über den vor liegenden Antrag die Petition für erledigt zu erklären. Der erste Redner über den Antrag, Abg Reichensperger (Krefeld), ist wie früher für den kleinen Königsplatz, während für Ausführung des vorliegenden Plaues zuvor 10 Millionen Mark erforderlich seien, blos um den Bau platz freizulegen. Diese finanzielle Seite sei um so mehr zu berücksichtigen, wenn man bedenke, welche kleine Summen die Kommissionen zu ersparen zur Zeit bemüht seien. Zu der nöthigen finanziellen Klärung käme nun noch das Bcdürfniß der ästhetischen Klärung. Die Architektur befinde sich zur Zeit in einem Gährungsprozcsse; man könne überdies mit dem Baue des Reichstagsgebäudes auch um so eher warten, als das jetzige Gebäude einen durchaus gemüthlicheren Aufenthalt biete, als ein großer Palast biete« werde. Fast allen be rechtigten Anforderungen sei hinreichend genügt, eventuell sei hinreichend Raum, um alle weiteren Wünsche zu er füllen. Auch sei nicht zu vergessen, daß über eine Million Mark in das jetzige Gebäude hineingcdaut sind. Die, Schilderungen über die Schäden desselben wären über trieben, eventuell könne leicht mit den Zinsen des Reichs baufonds alles wirklich Nothwendige geschaffen oder re- parirt werden. Zu allen anderen Gründen trete nun noch hinzu, daß man keine Bürgschaft dafür habe, daß der Reichstag immer in Berlin bleibe. (Aha!) Der Ausspruch des Reichskanzlers, daß dr Reichstag besser in einer we niger volkreichen — dem Terrorismus der Massen nicht ausgesetzten — Stadt tage, habe eine tiefe sachliche Be rechtigung. Er beantragt schließlich die Ueberweisung an eine Kommission von 14 Mitgliedern. Abg. Gerwig ver- theidigt die Vorlage energisch und beantragt einen Zusatz, wonach der Reichstag den Präsidenten und sieben Mit glieder in die mit der Vorbereitung des Baues beauftragte Kommission delegirt. — Abg. Stauffenberg will ein monumentales Reichstagsgcbäude als gewaltiges Monument der Einheit des deutschen Reiches. (Bravo rechts und links.) —Abg. Ludwig erwiedert, daß Deutschland noch nie so uneinig gewesen sei wie jetzt; um ein Monu ment deutscher Einheit zu errichten, sei der Moment schlecht gewählt, wir verdienen nicht in einem besseren Hause zu wohnen, als wir jetzt wohnen. — Abg. Windthorst kann nicht ohne^eiterc Prüfung für das neue Projekt stlmmen, welches wesentlich von dem früheren abweiche, deshalb sei er sür eine kommissarische Vorprüfung; er denke aber nicht daran, den Bau selbst verzögern zu wollen. — Staats sekretär v. Bötticher erklärt, die preußische Regierung habe die Hergabe des kleinen Königsplatzcs abgelehnt, ebenso die Verkleinerung des Königsplatzes durch Bau. Die Reichsregierung sei genöthigt, denselben Vorschlag zu machen, wie 1871, einen anderen geeigneten Platz finde sie trotz aller Enqueten nicht. Das Haus möge dem Re gierungsvorschlage beitreten, damit vergebe das Haus sich Nichts und habe immer noch eine Möglichkeit der Ein wirkung bei der gemeinsamen Kommission nnd beim Etat. Gebunden sei der Reichstag durch die heutige Zustimmung nach keiner Richtung hin, heute stehe nur die Platzfrage zur Entscheidung, sonst nichts. — Die Diskussion wurde nach einigen persönlichen Bemerkungen geschlossen und die Vorlage mit dem Antrag Gerwig angenommen.—Nächste Sitzung Donnerstag. Tagesschau. Freiberg, 14. Dezember. Im Reichstage kamen gestern diejenigen Theile des Etats der Eiscnbahnverwaltung zur Erledigung, welche der Budgetkommisfion vorgelegen hatten, in deren Namen der Abg. Schrader rcferirte. Die Kommission beantragte deren Bewilligung, doch soll die im Disvositiv enthaltene Bemerkung: daß die Gehälter für verschiedene Untcrbeamten: Billetdrucker, Kassendiener, Portiers, Weichensteller, Bahn wärter, Bremser, Schmierer u. s. w-, künftig in Wegfall kommen, gestrichen werden. Diese Bemerkung hat den Zweck, die bisher etatsmäßigen Stellen in diätarische um zuwandeln. Die Verwaltung hält die diätarische Anstel lung dieser Beamten sür zweckmäßig, weil sie dann die Be soldungen mehr nach den wirklichen Leistungen der Einzel nen und auch mit Rücksicht auf die Theuerungsverhältnisse der verschiedenen Orte bemessen kann. Im vorigen Etat ist dieses Dispositiv bereits genehmigt. Die Kommission will diesen Zusatz aber beseitigen, weil sie das im Interesse des Dienstes nicht minder wie in dem der Unabhängigkeit dieser Unterbeamten für nöthig hält, andererseits diesen Beamten die Qualität als Reichsbeamten verloren gehe. Bundesbev'" .lächtigter Geh. Rath vr. Schulz weist dem gegenüber nach, daß die Qualität des Reichsbeamten nach dem Reichsbeamtengesetz nicht von der etatsmäßigen Stelle abhängig sei und daß auch die qu. Beamten dadurch nicht geschädigt werden, wenn ihre Pensionen nicht aus der Reichskasse gezahlt würden. Die Gehälter, welche diese Unterbeamten erhalten, seien übrigens wesentlich höher, als solche in irgend einem anderen Theile des Reichs gezahlt werden und als sie unter der französischen Verwaltung gewährt wurden. Daß die Sicherheit des Dienstes durch die Vorschläge der Budgetkommission gewinne, könne nicht zugegeben werden. Wenn der Reichstag dieselben annch- men sollte, würde die Regierung eben bedauern, den Beamten die ihnen gewährten Vortheile nicht wie bisher gewähren zu können. Bundcsbevollmächtigtcr Minister der öffentlichen Arbeiten Maybach ist insofern von den Be schlüssen der Budgetkommlssion angenehm berührt worden, als dieselben die Fürsorge für diese Beamten-Kategorien bekunden. Die Verwaltung sei allerdings von der Zweck mäßigkeit ihrer Vorschläge überzeugt, wenn aber der Reichs tag die Kommissions-Anträge annehmen sollte, so gebe sich die Regierung der Hoffnung hin, daß derselbe etwaige Vor schläge auf Vermehrung der Beamten oder Erhöhung der Gehälter s. Z. wohlwollend aufnehmen werde. — Abg. Arhr. v. Minnigerode erklärt, daß seine Freunde für den Antrag der Kommission deshalb stimmen werden, damit die Gegner des Staatsbahnsystems nicht aus der diätarischen Anstel lung dieser Unterbeamten eine Angriffswaffe gegen das System herleiten. Abg. vr. Müll er. führt aus, daß ledig lich ein finanzielles Interesse die bestehende Einrichtung «ml und bÄrägt der Preil sür die gespaltene Zelle 1 oder deren Raum Id Pfennige.