Volltext Seite (XML)
und Tageblatt. Amtsblatt für die königlichen nnd Müschen Behörden zn Freibag nnd Brand. Verantwortlicher RedÄtesr Iuliu» Braun in Freiberg. — 33. JaSrgaog. . - Erscheint jeden Wochentag Abmds S Uhr »ür dm . Inserat« werden bi» Vormittag» 11 Uhr angenom- ji - - ^§171. I Mittwoch, den 27. Juli. , 1881. Wetter-Prognose sür Mittwoch, den 27. Juli: Wolkig bis trüb, Temperatur kälter, Niederschläge. Die Ueberbürdung unserer Jugend, i. Es mag sonderbar erscheinen, gerade während der großen Ferien die Ueberbürdung zu besprechen, welcher an geblich die höheren Lehranstalten unserer Jugend gegenüber sich schuldig machen sollen. Allein der Vorwurf besteht nun einmal und wird auch durch die Ferienwochen nicht hinweggcwischt werden- Der zärtliche Vater, der sich ganz bestimmt erinnert, daß zu „seiner Zeit" viel weniger geistige Arbeit von den jungen Leuten verlangt wurde und diese trotzdem etwas Tüchtiges lernten, ist eine allent halben auftauchcnde Erscheinung. Neulich wollte sogar ein Irrenarzt den allerdings verunglückten Beweis führen, daß die jetzige Ueberbürdung der Schüler die Ueberhand- nahme von Geisteskrankheiten verschulde. Wie es in Bezug auf diese Klagen mit den Töchter schulen steht, wollen wir hier nicht untersuchen. Nach unserer Ucberzcugung wird den in der wichtigsten Periode körperlicher Entwicklung stehenden jungen Mädchen aller dings etwas viel zugcmuthet. Doch läßt sich dieser Ucbcl- stand und die Möglichkeit seiner Beseitigung nur in einer ganz tief cindringcnden Untersuchung Nachweisen, welche wir später vielleicht einmal vornehmen. In Bezug auf die männliche Jugend aber — die Zöglinge der Gymnasien nd Realschulen — lehrt die unparteiische Beobachtung, daß der Vorwurf der Ueberbürdung in seiner Allgemeinheit ein ungerechtfertigter ist. Es mag ja wohl einzelne Lehrer geben, die dasjenige, was sie selbst in den Lehrstunden versäumen, durch häusliche Arbeiten nachholcn lassen wollen; es mag ebenso einzelne Anstalten geben, an denen überhaupt in Bezug auf häusliche Arbeiten des Guten zu viel gethan wird; im Allgemeinen aber ist das Arbeits pensum so bemessen, daß der mittelmäßig begabte Schüler recht gut damit zu Stande kommt, ohne Schaden zu leiden. Der Schüler, der hinter dem Durchschnitt zurück bleibt, ist freilich übel daran. An ihn werden Anforderungen gestellt, die seine Kräfte über das Maß hinaus in An spruch nehmen. Aber solche Jünglinge gehören auch nichr in eine solche Anstalt. Es ist purer Unverstand der Eltern, wenn sic aus falschem Ehrgeiz ihren Sohn auf Kosten seiner Gesundheit in derartigen Anstalten lassen. Sie allein sind es dann, welche für alle nachthciligen Folgen verantwortlich bleiben, nicht die Schule, die nur die normale Begabung berücksichtigen, nicht aber nach ganz besonders schwachen Schülern bei ihren Anforderungen sich richten kann. Weit mehr als die geistige Arbeit — selbst wenn diese, was leider nicht immer der Fall ist, gewissenhaft ausgeführt und keine Betrügerei verübt wird — schaden der Gesundheit unserer Schüler die Vergnügungen, bei denen sie ihre Erholung suchen. Da wird der jugend liche Körper zu Grunde gerichtet, nicht am Studirtische. Wenn die unverständige Liebe und die Neigung, sich dem Vorwurf eigener Pflichtverletzung durch Hervorsuchen anderer Ursachen zu entziehen, nicht so weit verbreitet wären, dann müßte schon längst anerkannt worden sein, daß das, was an der Gesundheit des Heranwachsenden Geschlechtes gesündigt wird, weniger durch die ernste Arbeit der Schule, als durch die mangelnde Beaufsichtigung der Jugend in den Freistunden verschuldet wird. Diese letztere Angelegenheit beschäftigte die Behörden und die öffentliche Meinung in der jüngsten Zeit aller dings viel. Man hat strenge Maßregeln vorgcschlagcn und zum Theil auch ausgcführt, welche die Ausschreitun gen auf diesem Gebiete künftig möglichst verhindern ollen. Aber selbst wenn noch so viel gethan wird, um diese Ausschreitungen zu beseitigen, selbst wenn die Schule die größte Wachsamkeit übt und von Eltern und Pensionshaltern, was nicht immer und überall geschieht, kräftig unterstützt wird — alle solche abwehrenden Maßregeln können allein nichts helfen, wenn nicht zu der negativen Thätigkeit auch die positive hinzutritt, die sich kurz dahin charakterisiren läßt, daß unserer Jugend Gelegenheit geboten werden muß, ihre Freistunden heilsam und nützlich zu ver wenden. Dadurch schafft sie sich ein Gegengewicht gegen die einseitige Anspannung aller Geisteskräfte, welche die tägliche Arbeit mit sich bringt. Der Geist wird dauernd angestrengt, der Körper nicht; die Jugend hat in ihren Freistunden nichts Bestimmtes vor — das sind die beiden Grundübcl, an denen sie krankt. Dem Körper fehlt die Uebung, welche ihn stählt; ein paar Turnstunden thun's allein nicht. Der junge Mann verfällt in seinen Frei stunden auf allerlei Thorheiten, denn „Jugend will aus toben". Beide Uebel aber lassm sich gemeinsam heben, wenn eine Verwendung der Mußestunden zu körperlichen Hebungen und Spielen, wie sie beispielsweise in England üblich sind, und zu Hausfleiß-Jndustrie, wie man sie jetzt seltsamer Weise gerade für die ärmeren Kinder anstrcbt, angcbahnt würde. Wir werden dieser Frage morgen noch etwas näher treten. Die Gewerbe-Äusstellung in Freiberg. V. Die altehrwürdige, fast 200 Jahre bestehende Firma Thiele u. Steinert hier hat die Ausstellung durch ihre Gold- und Silber-Manufaktur erfreut und beehrt. Selbstverständlich kann bei ihr davon keine Rede sein, etwaige Vorthcile für ihre Fabrikate durch diese öffentliche Schaustellung sich sichern zu wollen, da ihre Erzeugnisse ja nicht allein in ganz Deutschland, sondern über die ganze Welt verbreitet sind. Nein, die Fabrik hat die Gelegen heit gern benutzt und keine Kosten gescheut, um der Stadt Freiberg, sowie den Besuchern der Ausstellung, durch eine hochinteressante Kollektion ihrer Produkte die verschiedenen Fabrikate vorzusührcn; denn nur Wenigen dürfte cs be kannt sein, welche mannigfachen Artikel aus den edlen Metallen Gold und Silber, sowie aus Kupfer in Verbin dung mit Seide und Baumwolle in unserem Freiberg ge fertigt werden. Waren cs in früheren Jahren lediglich Ironische Gold- und Silbcr-Drahtwaaren, welche die Fabrik hcrstellte, so nimmt jetzt die Fabrikation der echten Gold- und Silber-Drähte, Gcspinnste, Borden und Militär-Effekten ebenfalls einen bedeutenden Rang ein. Es existirt in ganz Deutschland kein zweites derartiges Etablissement, welches, wie dieses, sämmtiiche rohen Drähte sowohl in unecht, als auch echt und plattirt selbst fabrizirt und zu so verschie denen Zwecken verarbeitet. Die Firma war deshalb auch bemüht, uns ein möglichst verständliches Bild der diffizilen aber sehr interessanten Fabrikation durch die ausgestellten Waarcn vorzusührcn, welche jedoch einer näheren Erklä rung bedürfen, um in allen Theilen verstanden zu werden Zunächst finden wir eine feinbcarbeitcte gefeilte Kupfer stange, sowie eine gleiche versilberte und eine unecht gol dene (Cement); ferner ist eine plattirt goldene Kupfcrstangc, eine massive Silberstange, stark im Feuer vergoldet, sowie eine gebohrte Silbcrstangc im Feingehalte von ^o/^og ausgestellt; sodann die aus den königlich sächsischen Hüttenwerken bezogenen Silbcrgranalien, aus weichen die ersten Stangen' geschmolzen werden, sowie Blattgold und Blattsilbcr, das zur Fabrikation der versilberten und vergoldeten Stangen verwendet wird. Die starken Stangen werden durch ganz allmähliches Ziehen immer schwächer, bis zu ganz schwachen haar feinen Drähten. Auch sind verschiedene Stärken dieser Drähte, thcils in Ringen und Wedeln, thcils auf Rollen ausgestellt, von denen die feinsten ca. 50000 Meter pr. Ko. enthalten. Diese Drähte werden durch sehr eigen gear beitete Stahlwalzen zu Lahn geplättet, aus welchem die Gold- und Silbcrgcspinnste durch Umspinnen des Lahns über Seide oder Garn hergestellt werden. Von diesen Gespinnsten finden wir nun die verschiedenartigsten Sorten und Stärken in unecht Gold und Silber, in halbecht und echt auf Seide und auf Garn gesponnen, auch galvanisch vergoldete, ausgestellt, welche wieder zu den weiteren Zwei gen der Fabrikation verwendet werden, was uns am besten die ausgclegten Musterkarten der verschiedenen Arten von Treffen, Spitzen, Besätzen, Borden, Schnuren u. s. w. zeigen. Besondere Aufmerksamkeit verdienen auch die bunt- gefärbten Lahne, die aus feinen Drähten hergestellten und zu Stickereien zu verwendenden Cantillen, sowie die müh sam hergcstellten kleinen Flitter». Für viele Besucher der Ausstellung dürften ferner die ausgelegten Militär-Effekten großes Interesse erregen. Wir finden darunter Epaulettes für Sc. Majestät unsern allverehrten König Albert, für den Admiral der kaiserlichen Marine, für die Offiziere der Freiberger Garnison, Schärpen, Portespses und sonstige Auszeichnungen für die Armee. Diese Sachen werden zum Theil vollständig hier hergestellt, theils aber auch aus den bei uns gefertigten Materialien in Berlin konfektionirt. Von dem mit Gold- und Silberstoff reich dckorirten Fond des eleganten Schrankes hängen die feinsten und künstlerisch gearbeiteten Gold- und Silber-Quasten und -Schnuren herab. Ueberhaupt zeigt uns die ganze Dekoration des herrlichen Schrankes, wie sehr die Firma bemüht gewesen ist, unserem Auge etwas Angenehmes, Interessantes und Lehrreiches zu bieten. Neben dem Ausstcllungsschranke sind auch zwei Klöpplerinnen plazirt, von denen die eine ein elegantes ircitcs Spitzenmustcr klöppelt, während die andere Hest- pitzcn arbeitet. Wie mühsam diese Arbeiten sind, läßt sich erkennen, wenn man das geschickte Bewegen der vielen Klöppeln in den Händen der Arbeiterinnen betrachtet. Es können solche geschickte Arbeiterinnen bei diesen feinen Ar beiten und täglich zwölfstündiger Arbeitszeit auf einen wöchentlichen Verdienst von 7 bis 8 Mark und mehr kommen. — Es gereicht uns demnach zur großen Freude, hier zu konstatiren, daß die alte Freiberger Gold- und Silber- Manufaktur von Thiele u. Steinert unter der Leitung des jetzigen Besitzers, Herrn Wilhelm Röseler in Berlin, sich in seinen Fabrikaten immer mehr ausdchnl und den Fabriken des Auslandes mindestens ebenbürtig zur Seite gestellt werden kann, was namentlich dvrch Verleihung der ersten Preise auf den Weltausstellungen in Sydney und Melbourne seinen Ausdruck gefunden hat. Noch ein zweites hiesiges sehr rcnommirtcs Etablisse ment, dessen Absatzgebiet sich ebenfalls weit über ganz Deutschland hinaus über Rußland, England, Skandinavien, Holland, Schweiz und Amerika erstreckt, ist auf der Aus stellung vertreten: Die Schlegel'sche Fabrik, deren Haupterzcugnisse hochfeine Reise - Necessaire, Kasetten, Schmuckkästen, Portefeuilles und Phantasie-Artikel in tausendfältigen Formen sind. Auch sie darf sich rühmen, von der in- und ausländischen Konkurrenz kaum erreicht, geschweige überflügelt worden zu sein. Unter bescheidenen Verhältnissen im Jahre 1834 durch Herrn Adolf Schlegel begründet, erwarb sich durch dessen vorsichtige und ge wissenhafte Leitung die Fabrik sehr bald einen Ruf, der weit über die Grenzen Deutschlands hinausreicht. Die mannigfach gefertigten Arbeiten, besonders die Errichtung einer eigenen Bietallarbeiterei verbunden mit Schleiferei, machten die Aufstellung einer Dampfmaschine nölhig — der ersten, die überhaupt in und um Freiberg in An wendung kam. Unter dem ca. 70 Mann starken Arbeiter- personal befinden sich Lederarbeiter, Schlosser, Schleifer, Dreher, Tischler, Riemer, Klempner, Stepperinnen u. s. w. Nach dem im Jahre 1866 erfolgten Tode des um die Fabrik hochverdienten Begründers traten die Herren Horschig und Gräntz als Theilhabcr ein. Sie stellten sich zur Ausgabe, im Sinne des seligen Schlegel fortzu- wirkcn, um durch Solidität nnd beständige Strebsamkeit immer Neues und Geschmackvolles auf den Markt zu bringen, den guten Ruf des Etablissements zu erhalten und zu erweitern, was beiden Herren in vollständigster Weise gelungen ist. Davon giebt auch die aus den reichen Vorräthcn der Fabrik ausgestellte Kollektion ruhmvolles Zeugniß. Wir finden da Rcisc-Neccssairs, Besteck-Etuis^