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-- - Epchevü jÄm Wochmlag Abends 6 Uhr sür den andern Tag. Preis vierteljührlich 2 Mark 2d Pi., zweimonatlich 1 M. d0 Pf. u. einmonatl. 7d Pf. Amtsblatt für die kömglicheu Md städtischen Behörden zn Freiberg und Braud. Verantwortlich« Redakteur Iuliu« Brauu in Freiberg. 38. Aa-rga»-. Mittwoch, den S. Mittz. reit' eM IyewE und TllgMM. Inserat« werden bi» Vormittag» 11 Uhr angmom- men und betrügt der Preis für die gespaltene Zeile 1 g' oder deren Raum Id Pfennige. Der ewige Frieden. Fetdmarschall Graf Moltke hat nun zum zweiten Male in einem Briefe ein offenes Bekenntniß über die Kriegs- und Friedensfrage abgelegt, das ihm mehr zur Ehre gereicht, als wenn er heuchlerisch und mit Ver leugnung seiner Ueberzeugungen den Frieden als das einzige Ziel aller Politik hingestellt hätte, während doch die Staaten der Gegenwart durch ihre großen Rüstungen hinlänglich beweisen, wie weit man von dem Ideale des ewigen Friedens noch immer entfernt ist. Nach den Ausführ ungen des Grafen Moltke ist es überhaupt höchst unwahr scheinlich, daß das goldene Zeitalter des ewigen Friedens für die Menschheit jemals erscheine und wäre vielmehr der ewige Krieg eine natürliche Bedingung der mensch lichen Gesellschaft, eine unabweisbare Nothwendigkeit. Der Bries ist an ein Mitglied der „Vereinigung für die Reform und Kodifikation der internationalen Gesetze", Herrn Gou- baren, gerichtet und lautet: Sehr geehrter Herr! Sie hatten die Güte, ein Memoire an mich zu richten, in welchem Sie Ihre Ansichten über die großen, Fragen ent wickeln, welche gegenwärtig aus der Tagesordnung stehen, und Sie erweisen mir die Ehre, mich um mein Urtheil darüber zu ersuchen. Ich muß die von mir gegebene Antwort auch aus die von Ihnen geltend gemachten Gesichtspunkte über den Krieg hin meiner persönlichen Stellung entsprechend bekräftigen. Nach Ihrer Ansicht ist der Krieg ein Verbrechen, nach der meinigen ist er daS einzige und richtige Mittel, das Wohlbe finden, die Unabhängigkeit und die Ehre eines Landes zu kon- solidiren. Hessen wir, daß mit der in unserem Jahrhundert rasch sortschrettenden Zivilisation dieses rechte und einzige Mittel, welches Krieg heißt, immer seltener zur Anwendung gelangen wird, aber eö ist keinem Staate gestattet, sich voll ständig davon loSzusagen. Selbst das menschliche Leben, das Leben der gesammteu Natur ist ein ewiger Kampf der Gegen wart mit der Zukunft, und die Einheit der Völker kann au andere Weise nicht befestigt werden. ES ist gewiß, daß jeder Krieg, selbst der siegreichste, für daö Land ein Unglück ist, daß keine Territorial- oder Getdentschädigung mit den Menschen leben und der Trauer der Familien kompensirt werden kann, wenn eS aber unmöglich ist, in dieser Welt ein Unglück zu verhüten, welches unS die Nothwendigkeit auferlegt, so muß man sich dem Willen Gottes unterwerfen und zu erdulden wissen, waS unsere irdische Existenz uns vorbehält. Der Krieg hat seine gute Seite, indem er große Männer, schöne Charak tere hervortreten läßt, welche sonst völlig unbekannt bleiben würden- Eö ist sicherlich leichter, einen bereits konsolidirten Frieden zu genießen, als die Mittel zu seiner Begründung zu suchen. Sie wollen die Diplomatie durch einen Kongreß von AuSerwählten der Völker ersetzen, um die Interessen der Nati onen in daS Gleichgewicht bringen zu können und die Diffe renzen, welche sie erregen, zu entscheiden und auf diesem Wege den Krieg verhüten. Ich habe aber weit mehr Vertrauen zu der Besonnenheit und der Größe der Regierungen selbst als zu diesem Areopag. Die Zeit der KabinetSkriege gehört der Vergangenheit an. In unserem Jahrhundert wird sich schwer ein ernsthafter Mann finden, welcher die Verantwortlichkeit aus sich nimmt, ohne Nothwendigkeit den Degen zu ziehen. Es wäre zu wünschen, daß alle Regierungen stark und energisch genug wären, um die Leidenschaften, von welchen ihre Völker erregt werden, zu bemeistern und auf diese Weise den Krieg zu verhüten. Da Ihr Memoire insbesondere die germanische Rasse beschuldigt, den Krieg zu lieben, ersuche ich Sie, die Geschichte unseres Jahrhunderts zu lesen, Sie werden daselbst sehen, baß Deutsch land niemals den Krieg erklärt hat. Deutschland hat sein Ziel erreicht: die Einigung. Für dasselbe ist keine Nothwendigkeit mehr vorhanden, sich in einen neuen abenteuerlichen Krieg zu stürzen; ed muß jedoch stets zur Vertheidigung bereit sein. Ich hege mit Ihnen den Wunsch, daß diese Nothwendigkeit sich niemals geltend mache. WaS den Schluß Ihres geehrten Schreibens anbetrifft, so erhebe ich keinen Einspruch dagegen, daß Sie dasselbe ebenso wie meine Erwiederung der Oeffent- lichkeit übergeben. Ihr ganz ergebener Graf von Moltke. Es läßt sich wohl nicht in Abrede stellen, daß der Friede die schönste Frucht der Zivilisation ist und da mit dem Fortschreiten der Zivilisation auch die Lieb zum Frieden gewachsen ist. Die Organisation der Ge meinde hat den Zweck, den Frieden wenigstens innerhalb der Ortschaft zu sichern und den Besitz der Ortsbewohner unter einen gemeinsamen Schutz zu stellen. Die Organi- ation des Stammes erweitert den Raum für den Frieden und sucht den Krieg innerhalb eines bestimmten Gebietes zu verhüten. Aus dem Verbände der Stämme entwickeln ich Volk und Staat und immer sehen wir, daß damit ein dauerndes Werk der Friedensvollendung vollzogen wird. Innerhalb des Staates, namentlich des zivilisirten Staates, ist dem Einzelnen nicht mehr gestattet, zum iaustrccht seine Zuflucht zu nehmen. Der Konflikt der nteressen und Leidenschaften wird durch den Rechtsspruch )er Gerichte auf friedlichem Wege entschieden. Auf dem Boden dieser Erfahrung und nachdem es gelungen ist, innerhalb der Staaten unbedingte Friedens- cherhcit herzustellen, konnte auch die Hoffnung entstehen, raß die Fortentwicklung der Zivilisation schließlich den ewigen Frieden im Gefolge haben müsse. Es ist nur nothwendig, die Gesetze des Staates aus die Gesammtheit der zivilisirten Völker zu übertragen, einen großen Staaten verein zu bilden, in welchem die internationalen Streitig keiten durch einen obersten Gerichtshof entschieden werden. Es dürfte keinem Staate mehr erlaubt sein, die Waffen zu ergreifen, um das eigene Recht zu vcrtheidigen, viel mehr müßte jeder Staat eine Ehre darin erblicken, dem Verdikte des obersten Gerichtshofes zu gehorchen. Graf Moltke erkennt jedoch die Berechtigung solcher Anschauungen nicht an. Der Staat ist für ihn wohl ein Werkzeug der Friedensbegründung im Innern, gleichzeitig jedoch auch ein starkes Arsenal für den Krieg nach Außen. Die ein zelnen Glieder der Gesellschaft — die Individuen, Fa milien, Gemeinden, Stämme — haben die Lasten des Staates auf sich genommen, einerseits, damit sie im Frieden neben einander wohnen können, andererseits aber auch zu dem Zwecke, um für die Vertheidigung und den Angriff gerüstet zu sein. Graf Moltke bezeichnet im Weiteren den Krieg als das einzige und gerechte Mittel, um die Wohlfahrt, Unab hängigkeit und Ehre eines Landes zu konsolidiren. Zur Beschwichtigung fügt er hinzu, daß Deutschland, nachdem es seine Einheit errungen, eines Krieges nicht mehr bedarf, aber stets zur Vertheidigung bereit sein müsse. Ja, wenn hinsichtlich dessen, was zur Wohlfahrt, Unabhängigkeit und Ehre eines Landes gehört, die Begriffe ganz genau festgestellt wären, dann könnte man allerdings einmal auf den ewigen Frieden hoffen, wenn nämlich alle Länder sich im Besitze ihrer Wohlfahrt, Unabhängigkeit und Ehre befinden. Aber gerade in dieser Beziehung gehen die Begriffe weit auseinander und cs entsteht oft wegen un wichtiger Dinge ein Streit zwischen unmittelbaren Nachbarn. Denn was dem Einen paßt, ist nicht immer auch dem Anderen recht und schließlich ist nur der Sieger im Stande, von der Wohlfahrt, Unabhängigkeit und Ehre eines Landes die Definition zu geben, die auch von den Anderen anerkannt werden muß. Die Ehre Englands ist nicht die Ehre Indiens und Irland hat von den Be dingungen der Wohlfahrt eine andere Vorstellung, als das Kabinct der Königin Viktoria. Ein Mittel zur Vermeidung des Krieges ist allerdings dadurch gegeben, daß die öffentliche Meinung sich in ihrem Recht behauptet, daß Ideen, Vernunsts- und Rechtsgründe den Ausschlag geben, auch ohne daß man zu den Waffen seine Zuflucht nimmt. Ist aber die öffentliche Meinung vernichtet, die Macht der Ideen ge brochen, sind Vernunftsgründe ein Gegenstand des Spottes geworden, hat man den Völkern Jndiffercntismus und Servilismus künstlich eingcimpst, dann bleibt wirklich, sobald ein Konflikt entsteht, als Mittel zur Entscheidung nur der Krieg, denn man hat sonst kein Forum, an daS man zu appelliren vermöchte. So lange der Zustand der Geister in Europa keine Veränderung erfährt, hat Graf Moltke auch guten Grund, sich vollkommen im Recht zu glauben. Tagesschau. Freiberg, 8. März. Die Budgetkommission des Reichstages berieth gestern das gesammte Extraordinarium des Militärctats durch und setzte dabei im Ganzen 900OM M., darunter die Position für den Bau einer neuen Artilleriekaserne in Schwerin, ab. Der Antrag v. Franckenberg's, die Beträge der Neu bauten und der Erwerbung von Schießplätzen auf die An leihe zu übernehmen, wurde abgelehnt. — Wie es heißt, hat der zurückgetretene Minister Graf zu Eulenburg die Kapitularstelle am Dom zu Brandenburg von dem Kaiser als Gnadenbeweis erhalten- — Der „Post" zufolge war der Gchcimrath Schrautt nicht vom Oberbankpräfidenten v. Dechcnd als Delegirter zur Pariser Münzkonferenz auserfehen, vielmehr würde der Botschaftssekretär Thiele mann in Paris als deutscher Delegirter an der Konferenz theilnehmen. — Die Nachrichten der letzten Tage über die erfolgte Wahl eines Bisthumsverwescrs zu Paderborn haben sich nunmehr soweit geklärt, daß es feststeht, der Gewählte sei der Domkapitular Drove. Derselbe steht in seinem 74. Lebensjahre und feiert in diesem Jahre bereits sein 50jähriges Pricsterjubiläum. Er war bischöflicher Offizial und geistlicher Rath am Generalvikariat und ist Inhaber des Rothen Adler-Ordens vierter Klaffe. Im österreichischen Abgeordnetenhause widmete am Sonnabende der Präsident Graf Coronini dem vcrstor- >enen Abgeordneten Bresrel einen sehr warmen Nachruf. Brestel, der Finanzminister im Bürgerministertum, erfreute ich der Achtung aller Parteien. Graf Coronini sprach )ie volle Wahrheit, wenn er sagte: „Er war ein echtes Kind dieser Hauptstadt unseres Reiches und somit ein treuer Sohn unseres schönen Vaterlandes, der in der ver flossenen Nacht nach langem Leiden endlich ausaerungen hat. Als zum ersten Male die Völker Oesterreichs auf gerufen wurden, durch ihre Vertreter an der Leitung der eigenen Geschicke theilzunehmen, ging der Name vr. Rudolf Brestel aus der Wahlurne hervor; und sowie er nie den Idealen untreu geworden ist, denen seine jugendliche Be geisterung gegolten hat, so haben auch seine Wähler ihm bis zum letzten Augenblick die Treue bewahrt. Sie wollten nicht von ihm lassen, sich und ihn in gleicher Weise damit ehren, und auch als er die glänzendste Stufe erklommen, als sich in ihm das Vertrauen des Monarchen mit dem Vertrauen der Mitbürger begegnete, verleugnete er nicht die schlicht-bürgerliche Einfachheit, die ihn zierte." Das Leichenbegängmß fand am Sonntage unter großartiger Betheiligung der Bevölkerung statt, welche vom Trauer hause bis zur Votivkirche ein dichtes Spalier bildete und trotz des schlechtesten Wetters bis zur Beendigung der Feierlichkeit ausharrte. Das schweizerische Eisenbahn-Departement hat im Hinblicke auf die Vermehrung des durchgehenden Verkehrs nach Eröffnung der Gotthard- und Arloergbahn bei dem Bundesrathe eme Einladung an Deutschland, Frankreich, Italien und Oesterreich zu einer Fachmänner-Konferenz behufs Feststellung der Anforderungen an das Eisenbahn material im internationalen Verkehr beantragt. Der italienische Erlaß vom 14. April 1878 ist als Grundlage einer internationalen Vereinbarung in Aussicht genommen. — Die Großrathswahlen des Kantons Tessin ergaben eine Verstärkung der ultramontancn Majorität aus 91 gegen 21 Liberale. Ueber die am Sonntage in Frankreich stattaefundene Unterredung zwischen Grevy und Gambetta ist wenig positiv Sicheres bekannt, da dieselbe ohne Zeugen statt fand. Nach Verlauten aus der Umgebung des Elysöes hat Gambetta große Nachgiebigkeit gegenüber Grevy ge zeigt. Er protcstirtc energisch gegen die Anklage, als erstrebe er die Diktatur und verfolge die napoleonischen Volksabstimmungsplänc. Hinsichtlich' der äußeren Politik