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^S261. Amtsblatt für die königlichen nnd städtische» Behörden zn Freiberg und Brand. Verantwortlicher RedÄtear Jnliv- Brann in Freibrrg. ——7^—33. Jahrgang. - Erlchemt jeden Woch««t«g Wend« S Uhr für ln« Inserate werden bi« Vormittag« 1t Uhr anamom- ü D-Werstag, den 10. November. , 1881. An die Waßturne! Wer fest zu Kaiser und Reich steht, sei er liberal oder konservativ, sorge dafür, »atz Freiberg nicht wieder durch einen Sozialdemokraten im Reichstage vertreten werde. Keiner enthalte sich der Wahl! Dem Manne der Ordnung mW des Rechtes steht der Vertreter jener Partei gegenüber, von der alle Welt weitz. Satz sie Ziele verfolgt, die sich nie verwirklichen lassen, weil sie nur auf den Umsturz alles Bestehenden, ans die Umwandelnng des individuellen Eigenthnms in Komnmnaleigenthum «nd ans Sie Abschaffung aller Religion hinanslansen. Darum alle Mann an Bord! Bersünmc Niemand de» Gang zur Wahlurne! Bei der heutige« Stichwahl kann von einer «luLlx«» 8tin»n»» die Entscheidung abhängcni Die Parole lautet: Herr v. - Oberlangenau. Die parteiverlMnisse im neuen Reichstag. Der unmittelbar nach dem 27. Oktober in einem großen Theile der liberalen Presse zum Ausdruck gekommene Siegesrausch ist von nur kurzer Dauer gewesen. Es sollte uns auch gar nicht wundern, wenn allmählich sich ein echter Katzenjammer einstcllen würde. Denn wenn man nicht das Interesse der Fraktion oder den Ruhm dieser und jener leitenden Persönlichkeit als Ziel und Krone alles politischen Lebens obenan stellt — freilich thun dies viele Parteiblätter — sondern die Sache der stetigen freiheit lichen Entwicklung in's Auge faßt, so muß man gestehen, daß sür den Liberalismus durch die letzten Wahlen herzlich wenig erreicht worden ist. Zunächst steht die Thatsache unumstößlich fest, daß die Vermehrung der Sitze für die Fortschrittspartei und die Sezessionisten, welche kurz nach der Wahl als Grund zum Triumph angeführt wurde, vorwiegend auf Kosten der National-Liberalen und Freikonservativen erfolgte. Man kann dahingestellt sein lassen, ob beide Parteien von ihrem Geschick unverschuldet betroffen wurden oder nicht; solche rückblickende Betrachtungen helfen ja doch herzlich wenig. Sicher ist jedenfalls, daß sich an Beiden das Ge schick erfüllt, dem von jeher alle gemäßigten Bestrebungen in aufgeregten Zeiten anheimgefallen sind. Sobald an die Leidenschaften appellirt wird — und das ist in den letzten Wochen und Monaten sattsam von rechts und links geschehen — verlieren die Mittelparteien stets an Terrain- Das ist der Welt Lauf, so war es und so wird es bleiben zu allen Zeiten! Die National-Liberalen haben wohl auch einen anderen Ausgang des Wahlkampfes nicht er wartet, wie dies aus den Wahlreden des Herrn v. Bennigsen hervorleuchtet. Sie sind vielleicht am allerwenigsten enttäuscht worden und brauchen daher nicht sonderlich niedergeschlagen zu sein. Jede unangenehme Lage verliert ihr Mißliches, sobald man sich von Anfang an gewöhnt hat, ihr fest in's Auge zu sehen. Und welchen Bortheil versprechen sich Fortschrittler und Sezessionisten aus dem Niedergang ihrer gemäßigteren politischen Freunde, da ja die Konservativen, die man doch als erklärte Gegner des liberalen Prinzip's erachtet, etwa in der alten Stärke wiederkehren? Vor den Wahlen spielte die Reaktionsfurcht eine große Rolle; gegen die Reaktion aber wären die National-Liberalen doch gewiß eine eben so sichere Schutzwchr gewesen wie die Fortschrittspartei und die Sezessionisten, was von den Konservativen — die als Freunde der Reaktion gelten — nicht behauptet werden kann. Wenn nun die Freunde der Reaktion in alter Stärke wiederkehrcn, die Liberalen im Ganzen und Großen aber nicht viel stärker, sondern nur um einige Nüancen „entschiedener" geworden sind — wie reimt sich da die Gefahr der Reaktion mit dem jetzigen Triumphgeschrei zusammen? Hat diese Gefahr wirklich bestanden, so ist sie, nachdem die Mittelparteien geschwächt, die Liberalen im Ganzen aber nicht verstärkt worden sind, gewiß nicht gemindert. Im Gcgcntheil könnte man sie eher als näher gerückt ansehen, seit die „Entschiedenen" die Oberhand gewonnen haben; denn bekanntlich pflegt das eine Extrem das andere hervorzurufcn. Dazu kommt weiterhin die Verschiebung in den aus schlaggebenden Faktoren. Der Gedanke einer konservativ- liberalen Mehrheit ist für die nächsten Jahre beseitigt. Auf dem Zusammenwirken der konservativen und gemäßigt liberalen Elemente beruhten alle Errungenschaften der neueren Gesetzgebung, welche jetzt gegen den etwaigen An sturm der Reaktion geschützt werden sollen. Seit dem Niedergange der Mittelparteien ist an eine solche Mehr heit nicht zu denken, ein Vorwärtsschreiten und Weiter bauen einfach unmöglich. Ist das so sehr erfreulich? So lange die national-liberale Partei im Reichstage den Ausschlag gab, machte der Reichskanzler — mit Widerstreben freilich und oft nach hartem Kampfe, aber schließlich doch immer wieder auf's Neue — dem liberalen Prinzip Zugeständnisse. Jetzt wird möglicherweise die Zentrumspartei im Reichstage den Ausschlag geben. Ein anscheinend osfiziöscr Brief in der Wiener „Pol. Korresp." lud die Zentrumspartei sogar schon ein, die Rolle der National-Liberalen zu übernehmen. Wenn dieses Aner bieten von der „Germania" auch zurückgewiesen ist, so darf man dies doch keineswegs ernst nehmen, sondern muß es nur dem Wunsche zuschreiben, die Reichsregierung von vornherein zu Zugeständnissen zu veranlassen. Jeden falls ist die Zentrumspartei heute viel einflußreicher im Reichstage geworden, als sie jemals war. Ist das wirk lich eine so angenehme Aussicht? Nun sagt zwar Mancher, es wäre am besten, wenn gar keine Reichstagsmehrheit zu Stande käme; denn dann würden die Arbeiten aus's Allernothwendigste beschränkt werden und alle politischen Angelegenheiten müßten ruhen; wir blieben im Besitze des Vorhandenen, aber eine Weiter entwicklung fände nicht statt. Das ist Pessimismus! Sind denn unsere Zustände wirklich so geartet, daß wir die Hände in den Schooß legen können? Gicbt es nicht brennende Fragen genug, die in Angriff genommen werden müssen? Ist die Steuerreform, die soziale Frage etwas, was sich ruhig vertagen läßt und verdanken diese Fragen wirklich nur einer Laune des Kanzlers ihre Entstehung? Die Vertheilung der Lasten und Abgaben wird immer drückender; im Gcwerbsleben giebt es unverkennbare Schäden, im sozialen Leben begegnen wir schreienden Mißständen — und wir sollen müßig dabei stehen und uns freuen, daß nun wenigstens der Reichskanzler seinen Willen nicht hat? Richtiger wäre doch wohl, ein Zu sammenwirken mit Fürst Bismarck zu versuchen, damit der gesunde Kern aus seinen Vorschlägen herausgeschält und das Gefährliche entfernt werde. Das würden die Mittclparteicn vermocht haben, heute können sie es nicht; die dringend nothwendige Arbeit wird entweder gar nicht gcthan oder sie schlägt eine gefährliche Richtung ein — und das verdanken wir den Wahlen! Mögen die Parteien, welche verstärkt aus der Wahlurne hervorgingen, immer hin darüber frohlocken, daß die „Halbheiten" verschwunden sind; wenn man ein wenig tiefer blickt, kann man sich )er Besorgniß nicht erwehren, daß die finstern Mächte, die unter der Oberfläche wirken, viel Nahrungsstoff er halten haben. n Zur Stichwahl. Wieder sind von den Ordnungsparteien bei der Wahl am 27. Oktober dieselben Fehler begangen worden, wie vor drei Jahren. Es soll hier nicht geurtkeilt wer den, ob rechts oder links die Summe der Fehler größer oder geringer, ob rechts oder links die Art der Fehler schlimmer war, ob das eine Wort mehr verletzen oder das andere mehr er- und verbittern mußte, ob von dieser oder jener Seite die erste Rücksichtlosigkeit begangen wurde. Darüber kann süglich nicht von einem Dritten endgiltig gcurtheilt werden, das zu fühlen ist Sache jedes Ein zelnen. Bereitwilligst und gem sei der Satz aufgestellt, daß die Männer, die sich berufen erachteten, an die Spitze der Parteien zu treten, ehrenfeste, wohlbeleumundete, wohl meinende Bürger sind und nach redlichster Ueberzeugung handelten, aber in dem Kampfe um die Vorzüglichkeit der Grundansichten tauchte die Leidenschaft auf und es ge wann den Anschein, als würde die zu vertretende Sache in die zweite, der Vertreter der Sache in die erste Linie gestellt. Es ist wichtig für beide Ordnungsparteien, sich die Frage vorzulegen, ob sich ihre Führer immer so ver hielten, daß sie ihre ganze Partei in freudiger Zustimmung hinter sich wußten, oder ob die Partei Ordre parirte, weil sich kein Anderer fand, der mit gleicher Hingebung sich den Mühen, die Wahlbewegung zu leiten, unterzog. Nicht blos die Hitze, auch die Art des Kampfes hat böses Blut gemacht. Der vom Strom der Bewegung nicht mit fortgerissene ruhige Beobachter konnte wahrnehmen, daß weit mehr gegen die Gegenpartei und gegen die Person des Gegenkandidaten, als für die eigene Partei und für den eigenen Kandidaten gesprochen und gedruckt wurde. Und gerade dieses Verfahren' hat die Kluft zwischen Liberalen und Konservativen — selbstverständlich zu Nutz und Frommen und zum größten Vergnügen der Sozial demokraten — mehr und mehr geöffnet. Die Liberalen sind — das steht fest — unterlegen und bis zu Austrag der Sache hat Herr Kayser mit rund 200 Stimmen über Herrn von Oehlschlägel gesiegt. Die engere Wahl hat zu entscheiden, welcher von den beiden