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Nr !! «scheint jeden Wochentag Abends 6 Uhr für dm 51. I 32. Jahrgang. Domcrstiig, dru 3. Miirz. »ndTlMM. Awlsblatt für die kömglicheu uud städtischen Behörden zu Freiberg imd Brand. Bermüwortlicher Redalteur Julius Brann in Freiberg. Inserate werdm bis Vormittags 11 Uhr angmom- a > - mm und beträgt der Brei» für die gespaltene Zeile 1 oder denn Raum tb Pfennige. ->->^'^-'-1.« Rachbeftelluuge« aus dm für Le« Monat NE" Mörz "WU »erden von sämmtlichm Postaustaltm wie von der nnterzeichuetm Expedition nud dm belmmtm Ans- gabestellm in Kreiders, Brand, Laugemm, Halsbrücke, Laughmversdors and Wettzmbom zum Preise vou 75 Psmuigm augevommm. Lxpsllilion 6v8 „ssroidvi-gsr ^nrsigsi' unä iLgsblstt". Die Entlassung Eulenburq's. Die Festlichkeiten am Berliner Hofe drängten während der letzten Tage so ziemlich alle politischen Interessen in den Hintergrund, nur die nunmehr perfekt gewordene Genehmigung des Eulenburg'schen Entlassungsgesuches, welche sich wider Erwarten noch vor dem Ablauf dieser Festlichkeiten vollzog, beschäftigt die öffentliche Meinung. Der Graf wünschte dringend seine Angelegenheit ohne Verzögerung erledigt zu sehen und der Kaiser hat süglich diesem Ansuchen stattgegebcn. Gras Eulenburg zieht sich auf seine Güter zurück und bleibt dem Staatsdienst gänzlich fern. Wir haben durchaus keine Veranlassung, die Vorgänge im preußischen Ministerium mit besonderer Thcilnahme zu begleiten; allein die Differenz, welche sich zwischen den bctheiligten beiden Staatsmännern herausstclltc, ist groß genug, um zu eingehender Betrachtung über die Ziele Anlaß zu geben, denen der Reichskanzler augenblicklich zusteuert. Sie ist auch viel wichtiger, als die rein äußer liche Frage, wie und in welcher Form Bismarck und Eulenburg an einander geriethen- Nach den bestimmten Versicherungen des Fürsten darf man wohl annehmen, daß er die Vorlesung jenes Briefes, welcher die direkte Veranlassung zum Eulenburg'schen Entlassungsgesuche gab, nicht beabsichtigt hat. Wir glauben auch gar nicht, daß Fürst Bismarck, wenn er den Grafen Eulenburg aus dem Amte drängen wollte, keine andere und bessere Form gefunden hätte. Ebensowenig bestreiten wir dem Reichs kanzler das Recht, seine eigene Meinung zu haben und wollen weiter annehmen, daß man darüber getheilter Meinung sein kann, ob nicht einer durch Beschlüsse des eine» Hauses geschaffenen ganz neuen Sachlage gegenüber die Minister ihre auseinandergehenden Ansichten offen vor dem anderen Hause darlegen können. Das Alles trifft aber den Kern der Sache gar nicht. Die Hauptsache bleibt, daß diese Meinungen so weit auseinander gehen, um eine Vereinigung undenkbar und folglich auch ein ferneres Zusammenwirken der beiden Männer unmöglich zu machen. Es handelt sich hier um nichts anderes, als um die prinzipielle Stellung zur ganzen Selb st Verwaltung. Diese beruht auf dem Gedanken, daß Funktionen der Staats verwaltung nicht durch bezahlte Beamten, sondern besser durch gewählte Bürger, die ihre Funktionen unentgeltich als Ehrenämter versehen, verwaltet werden. Alle wich tigeren Angelegenheiten sind nicht durch Einzelne, sondern durch Kollegien zu entscheiden. Fürst Bismarck findet es aber nicht im Staatsinteresse, die Ausübung staatlicher Aufsicht den Organen der Selbstverwaltung zu übertragen ,: er malt in scharfen Umrissen das Bild einer Partei- rcgierung aus, welche der Staatsrcgierung nicht verant wortlich sei, in der selbst auch das Gefühl der Verant wortlichkeit abstumpfe, weil Jeder sich durch den Anderen gedeckt glaube und bei welcher von einer Unterordnung nicht die Rede sein könne. Diesen Auseinandersetzungen nun steht die im Herren ¬ hause abgegebene klare und bestimmte Erklärung bes Grafen Eulenburg gegenüber: »Wenn Sie so große Be sorgnisse haben, Organen der Selbstverwaltung überhaupt Theile der Staatsfunktionen zu übertragen, dann sollten Sie die Selbstverwaltung nicht weiter einführen wollen, sondern sie aufgeben als ein überwundenes, nicht halt bares Prinzip." Es bedarf hier keines besonderen Nachweises, auf welcher Seite die Sympathien aller freisinnigen Männer sein müssen. Graf Eulenburg ist ein nichts weniger als liberaler Mann und es wäre ganz verkehrt, ihn als solchen feiern zu wollen. Aber er steht ganz und voll auf dem Boden der Selbstverwaltung, ohne welche eine gedeihliche Weiterentwickelung unseres öffentlichen Lebens kaum möglich ist. Fürst Bismarck dagegen befindet sich noch auf einem Standpunkt der Anschauung, welcher vor sieben zig Jahren schon durch die Stein'sche Städteordnung als überwunden galt. Denn das muß hervorgehoben werden: Organe der Selbstverwaltung üben doch nicht erst seit heute und gestern staatliche Funktionen aus, die preußischen Städte haben seit fiebenzig Jahren sehr ivichtige staatliche Ange legenheiten — man denke doch nur an Schule und Polizei — verwaltet. Und wenn die Geschäftsführung durch Kollegien der Selbstverwaltung sich im Großen und Ganzen bewährte, so wird die Beaufsichtigung der Landgemeinden durch Organe der Selbstverwaltung wohl auch noch zu ermöglichen sein, ohne daß das Staats-Interesse leidet. Aber die Stellung, welche Fürst Bismarck in dieser Frage cinnimmt, läßt sich wohl erklären: das Streben nach Stärkung der Staatsgewalt, welches überall in seinen Handlungen zum Ausdruck kommt, verführt ihn die freie Thätigkeit der Bürger zu unterschätzen und Alles von der von oben herab leicht zu dirigirenden Staats maschinc zu erwarten. Er Übersicht dabei nur eine Kleinigkeit; denn so lange die Hand eine kräftige und ge schickte ist, welche die Staatsmaschine leitet, mag letztere ja ganz gut arbeiten; kommt aber einmal eine ungeschickte oder schwache Hand darüber, steht Alles still oder es passirt Unfall über Unfall. Und solche Einrichtungen schneidet man nicht nur auf geschickte und kräftige Hände zu, sondern man muß sich auch darauf gefaßt machen, daß einmal andere, unbedeutende Leute zur Leitung be rufen werden. Dazu kommt noch die Erwägung, daß gerade das Staatsgcfühl, welches uns Allen so sehr zu wünschen ist und dessen Pflege auch dem Fürsten Bismarck am Herzen liegt, dadurch am Besten gefördert wird, wenn möglichst weite Kreise an der Verwaltung aktiv theilnehmen. Die neue Phase, in welche die öffentlichen Angelegen heiten durch die Affaire Bismarck-Eulenburg getreten sind, ist daher keine erfreuliche. Wir werden dies in einem fol genden Artikel morgen noch näher darlegen. Tagesschau. Freiberg, 2. März. Das sächsische Königspaar empfing vorgestern Abend nach der Gala-Oper den Besuch des Erzherzogs Karl Ludwig und des Erbprinzen von Hohenzollern. Die Königin wohnte gestern der Messe in der Hedwigskirche bei, Mittags machte die Kaiserin dem Königspaar einen Besuch, welches sodann dem Prinzen Friedrich von Hohen- zollcrn und dessen Gemahlin einen Besuch abstattcte. - Prinz und Prinzessin Wilhelm empfingen gestern Nach mittag den Präsidenten, beide Vizepräsidenten des Reichs tags und die Schriftführer, sowie die Abgeordneten Mocring, Bernards, Richter-Meißen, Wichmann, Graf Kleist, die Abtheilungsvorfitzcndcn Bennigsen, Berenth, Tettau, Loewe-Berlin, Schwarze und Heeremann. Prä sident Goßler sprach die Glückwünsche des Reichstags aus: Die Ehe sei die Quelle und Grundlage alles Glücks. Dieses Glück und Gottvertranen gebe dem Manne und der Frau die Kraft zu gedeihlicher Wirksamkeit; das edelste Vorbild seien die Urgroßeltern des Prinzen, welche in Gottvertraucn das Glück der Ehe und die Kraft ge funden, in einer Zeit, wo das Vaterland darnieder gelegen und sich dennoch aufrecht erhalten habe. Der Prinz dankte und versicherte, er werde bestrebt sein, in die Fuß- tapfen seiner Vorfahren zu treten, er hoffe, es werde ihm gelingen, denselben Bahnen folgen za können. Hiernächst empfing das prinzliche Paar den Glückwunsch einer De putation des Magistrats und der Stadtverordneten, ferner Ehrenjungfrauen Berlins und eine Deputation aller größeren Städte der Monarchie, Namens welcher Ober bürgermeister Forckenbeck eine Ansprache an das prinzliche Paar richtete; außerdem noch zahlreiche andere Depu tationen. Die Bevölkerungsziffer für das deutsche Reich nach der letzten Zählung ist durch das kaiserliche statistische Amt auf Grund der Mittheilungen der statistischen Zentral stellen der Einzelstaaten nunmehr festgestcllt. Darnach er- aiebt sich Folgendes. Die Bevölkerung des deutschen Reiches betrug: Am 1. Dezember 1880: 45194127 Einwohner, - 1. - 1875:42727 360 - 1. - 1871.41058792 Dieselbe hat demnach ln der vierjährigen VolkszählungS- pcriode 1871/75 um 1668568, d. i. jährlich um 4>71^ Köpfe, in der fünfjährigen Periode 1875/80 um 2466767, d. i. jährlich um 493565 Köpfe zugcnommcn; oder, auf das 1000 der mittleren Bevölkerung berechnet, in der erst genannten Periode um 10,0°/o», in der Zeit 1875/80 um 1!,2«/«o. — Nach amtlicher Bekanntmachung der könig lichen Staatsanwaltschaft beim Landgericht!. Berlin tritt der hinter dem Grafen Harry von Arnim wegen Verhaf tung desselben behufs Verbüßung der wider ihn erkannten neunmonatigen Gesängnißstrafe unter dem 16. Mai 1876 erlassene und unter dem 9. März I877 erneuerte Steck- bric für den Zeitraum bis zum 21. August d. I. außer Kraft. — Bis gestern Abend waren, wie die National- Zeitung vernimmt, über die Ersetzung des Grafen Eulen burg noch keine Bestimmungen getroffen. — Das Zentral- Wahl-Komite der deutschen Fortschrittspartei hat auf An trag der Abgg. vr. Haenel und Hermes beschlossen: 1. Den Reichstagsabgeordneten der Partei, mit Aus nahme derjenigen, welche in Berlin oder dessen Umgebung ständig wohnhaft sind, wird grundsätzlich und ohne Rück sicht auf ihre Vermögensverhältnisse eine Summe von mindestens 500 Mark für jede Rcichstagsscssion als Ersatz baarer Auslagen zugesichert. 2. In Erfüllung dieses Zweckes werden aus dem Ertrage der Sammlung zunächst 50000 M. als besonderer, nur zu diesem Zweck verwend barer Fonds ausgeschieden und angelegt. 3. Ein Konnte von drei Mitgliedern des Zentral-Wahl-Komites wird mit der Ausführung des Beschlusses betraut. Die Beiträge zum Zentral-Wahlfonds der Partei hatten bis zum 20. Februar die Summe von 91607 M- 70 Pf. erreicht. Das wirthschastliche Leben der Gegenwart bezeichnet einen sehr wichtigen Wendepunkt in der Entwickelung der Erwerbsthätigkeit. Wir haben Halt gemacht, nachdem wir zwei Menschenalter hindurch im sausenden Galopp vorwärts eilten. Die gewaltige Uebergangsperiode, in welcher wir die Dampfkraft in den Dienst des Menschen stellten, die Entfernungen durch Eisenbahnen und Tele graphen verkürzten, liegt hinter uns. Was wir in der nächsten Zeit auf diesen Gebieten leisten werden, kann nicht im Entferntesten den Vergleich aushattcn mit dem, was wir in den letzten 50—60 Jahren darin gethan. Nur irgendwie wichtige Eisenbahnlinien sind gebaut, was die Dampfkraft im Wesentlichen zur Unterstützung der menschlichen Thätigkeit leisten kann, wird heute schon ge leistet und dürfte in der nächsten Zeit kaum erheblich ge steigert werden, weil eben kein Bedürfniß dazu vor handen ist. Diesen gewaltigen Unterschied zwischen den letzten 50 Jahren und der nächsten Zukunft müssen wir viel schärfer ins Auge fassen, als es gemeinhin zu ge schehen pflegt. Wir müssen rechtzeitig die Aufgaben lösen lernen, weiche diese, veränderte Sachlage uns stellt. Es wäre sträflicher Leichtsinn, zu glauben, daß in Zukunst nun alles im wirthschaftlichcn Leben so weiter gehen wird, wie es in der abgeiaufenen Periode ging. Man bedenke doch, welche Aufgaben sich für unser Volk aus der An wendung der Dampfkraft und der Abkürzung der Ent fernungen ergeben; wie auf der einen Seite Millionen