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und Tageblatt Amtsblatt für die Mißlichen md Mdttschen Behörden z« Freiberg und Brand, vmmlwortticher Redakteur AMus Brau« i« Freiber-. .... 38. Jahr,a-g. Sonntag, dm 18. Jamar. Erscheint jeden Wochentag Abend« S Uhr für den andern Taa. Preis vierteljährlich 2 Mark 2b Pf., zweimonatlich 1 M. bv Pf. u. etmnonatl. 7S Pf. Inserate werden bi» Bormittag« 11 Uhr anaenom- - , a men und beträgt der Preis für die gespalten« Zeile I oder deren Raum IS Pfennig«. Vie Woche. Im bunten Wechsel der Zeit folgt den ernsten Be trachtungen, womit die Welt ein neues Jahr zu beginnen pflegt, die Heiterkeit des Karnevals. Noch ist freilich der Lebenslauf des ausgelassenen Burschen mit der Schellen kappe erst in aufsteigender Linie, aber schon wirkt sein Zau ber auf den kundigen Beobachter. Hoffnungen und Wünsche der mannigfachsten Art gehen ihm voraus — auch in der politischen Welt. Der preußische Finanzminister ist wegen des Vcrwendungsgesetzes und der sich daran knüpfen den Steuerreform reich an derartigen Empfindungen, wohl aber auch an Zweifeln. Es fehlt zwar nicht an Verehrern, welche den Schützlingen des Finanzministcrs in vorsichtigen Worten Verbindliches und Schmeichelhaftes sagen, aber binden will sich Keiner. Die National- Liberalen, denen die Provinzial-Korrespondenz so gute Worte schon gegeben, hüten sich vor jeder entscheidenden Aussprache und benehmen sich wie die boshaften jungen Männer, welche so große Scheu vor dem Standesbeamten haben. Ziemlich von allen Seiten hört man Bedenken gegen die Erledigung des Gesetzes noch im Laufe der gegenwärtigen Session. Es wird hervorgehoben, daß eine Anzahl wichtiger Vorlagen noch durchzubedachen sind, und sogar von regierungsfreundlicher Seite bemerkt, man möge den Abgeordneten Zeit und Muße lassen, um die so schwer zu lösenden Probleme der Steuerreform in aller Ruhe zu studiren, und diese Steuerreform für die nächste Session sich Vorbehalten. Die deutschen Interessen sind bei der Entwickelung der kritischen Lage im Südosten Europas direkt so wenig betheiligt, daß der Kanzler mit vollem Recht die Knochen eines einzigen pommer'schcn Grenadiers höher schätzen konnte, als Alles, was dort auf dem Spiele steht. Aber trotzdem muß ihm daran liegen, daß endlich eine Lösung erfolgt, welche die leidige orientalische Frage wenigstens für die nächsten zehn oder zwanzig Jahre aus der Welt schafft. Er hat auf dem Berliner Kongreß zwischen den Ansprüchen der Interessenten als ehrlicher Makler ver mittelt und auf der Berliner Konferenz das europäische Konzert zusammenbringen helfen, das freilich bei der Generalprobe vor Dulcigno nur grelle Dissonanzen ver nehmen ließ; er wird sich auch jetzt endlich bemühen, die Türkei und Griechenland zur Annahme eines europäischen Schiedsgerichts zu bewegen, aber gerade er, der Meister der diplomatischen Kunst, der für Verhältnisse und Stim mungen einen scharfen Blick hat, wird am wenigsten hoffen, daß es noch möglich sein werde, auf diese Art den Frieden zu retten, oder auch nur den Ausbruch des Kon flikts zu verzögern. Hätte man gleich nach Abschluß des Berliner Friedens eine starke Pression auf die Pforte geübt, wäre es vielleicht möglich gewesen, nicht blos Mon tenegro, sondern auch Griechenland zu befriedigen. Aber der damalige englische Premier, Lord Beaconsfield, unter stützte die Pforte in ihrer Renitenz und war eher bemüht, der Ausführung des Berliner Vertrages Hindernisse zu bereiten, als ein Wort zu finden, das den Frieden Euro pas für lange Jahre sichern sollte. England hatte die Insel Cypern gewonnen und eine Art Protektorat über Kleinasien in Aussicht, das war Alles, was er wollte und wofür er die Heiligkeit der Pariser Verträge, die von ihm in zwanzig Depeschen proklamirt worden war, schließlich selbst preisgegeben hatte. Wenn unser Reichskanzler noch das Schiedsgericht durchsetzen sollte, dann hätte er ein diplomatisches Kunststück geleistet, wie kaum je zuvor. Die in Schwung gekommenen österreichischen Bauern-Versammlungen scheinen nach allen Seiten hin Beachtung zu finden. Die Verfassungspartei des Wiener Abgeordnetenhauses wählte und beauftragte betest- ein Komitee, Fühlung mit dieser Bewegung zu ve^urn, damit sie nicht in ein Fahrwasser gelange, welche- ihr ver derblich sein könnte. Graf Taaffe wiederum, der zunächst die Linzer Bauernversammlung verbot, später aber ge nehmigte, weil auch er glaubte, es mit den Bauern nicht verderben zu sollen, scheint doch eine so rechte, wahre Freudigkeit über diese Kundgebungen nicht zu empfinden. Dies geht wenigstens auS der Unterredung hervor, die der Ministerpräsident am 12. d. mit einem Korrespondenten der in Prag erscheinenden „Politik" hatte. Graf Taaffe sagte: Die Bauernbewegung entwickelte sich bisher auf vernünftigen Bahnen und sei, insofern sie die Emanzipation des Bauernstandes von starren Parteistandpunkten auf Grund der Pflege der wirthschaftlichen Interessen bezwecke, eine erfreuliche Erscheinung des öffentlichen Lebens. Was den unmittelbaren Anlaß zu der Baucrnbcwegung, die Mehrbelastung in Folge der Grundsteuer - Regulirung, betreffe, so sei der Bauernstand in Ober- und Nieder österreich, sowie in Steiermark vielfach tendenziös irre geführt worden. Nicht um eine Mehrbelastung ganzer Länder, sondern blos einzelner Steuerträger handle es sich. Die Regierung werde in die Frage erst daun ent scheidend einqreifen, wenn die Grnndsteuer-Hauptsumme durch den Reichsrath fixirt worden sein wird. Prozentuelle Nachlässe für ganze Länder seien unstatthaft, weil un gerecht und unbillig. Auch wolle man im Stadium des Reklamationsverfahrcns die etwaigen Härten der Gründ- steuerauftheilung bei einzelnen Steuerträgern auszugleichen suchen, vielleicht auch ein zwei- oder dreijähriges Provi sorium vor Einhebung der Grundsteuer nach der neuen Repartition bewilligen. — Die Bauernbewegung will aber von der neuen Repartition nichts wissen. Die Gemeinderathswahlen in Frankreich sind für die gegenwärtige Regierung sehr günstig ausgefallen, so wohl in Paris wie namentlich in den Provinzen. Die Radikalen setzten nirgends ihre Kandidaten durch. Wenn dies unter dem noch frischen Eindrücke der so melodra matisch in Szene gesetzten Heimkehr der Amnestirten ge schah, kann man wohl sagen, daß es bis auf Weiteres mit der Rolle dieser Männer vorüber ist, obgleich sie seit einem halben Jahre in der Presse, in den Klubs und selbst auf offener Straße, wenn die Gelegenheit sich dazu bot, eine Art Terrorismus zu üben schienen. — Noch großartiger ist der Triumph der französischen Regierung hinsichtlich der Finanzresultate des Jahres 1880. Die Ueberschüssc der indirekten Steuern und Einnahmen er reichen die kolossale Ziffer von 169359000 Franks, unter denen die Einrcgistrirnngs- und Stempelgebühren allein mit einem Ueberschüssc von 68311000 Franks figuriren. Trotz der schlechten Weinernte haben die indirekten Steuern die Budget-Ansätze um 31286000 Franks^ überstiegen, von denen der größte Theil von der Gctränkcsteuer her rührt. Solche Ueberschüssc wurden weder in Frankreich, noch anderswo jemals erreicht und das „Journal des Debats" hat wohl einiges Recht zu der Bemerkung: „Man begreift, daß die Wähler nicht zögern, ein Regime kräftig zu unterstützen, welches so großartige Resultate möglich macht." Die Adreßdebatte im englischen Parlament hat bisher zwar interessante Wortgefechte zwischen Gladstone und Forster im Unterhause, Beaconsfield und Northcote im Oberhause geliefert, aber dis schwierigsten Debatten stehen noch in Aussicht, und zwar über die irische Frage. Sie ist unbedingt die härteste Nuß, welche das Parlament zu knacken haben wird. Alle Schwierigkeiten, welche der englischen Regierung in Südafrika und Afgha nistan erwachsen sind, verschwinden dieser Krisis gegenüber. Man muß es Gladstone zum Lobe nachsagen, daß er die Wichtigkeit dieser Frage im vollen Umfange erkannt und darum sich auch nicht darauf beschränkt hat, auf die Symptome der Krankheit zu kuriren, sondern da- Uebel mit der Wurzel ausheben will. Er begnügt sich nicht damit, durch Anwendung von Gewaltmitteln die äußere Ordnung wieder Hexzustellen, sondern er will Reformen einführen, welche die Wiederkehr revolutionärer Zuckungen in Irland unmöglich machen. ES fragt sich nun, welche Haltung das Parlament diesen Reformplänen gegenüber einnehmen wird. In» Allgemeinen läßt sich erwarten, daß das Unterhaus bereit seist wird, Gladstone auf seinen Wegen zu folgen. Aher das, Oberhaus, in welchem die Anschauungen der Großgrundbesitzer zum Wort« kommen, dürfte kaum zu einer unbefangenen Prüfung der irischen Agrarzustände geneigt sein. Mächen die Irländer in den nächsten Wochen noch weitere Versuche, durch Gewast- thätigkeiten einzuschüchtern, so ist auch möglich; daß diese Absicht gerade in iHv Gegentheil umfchlägt und die Volks vertreter dadurch in eine Erbitterung gerathen, die sie veranlaßt, das Hauptgewicht auf die Herstellung her äußeren Ordnung zu legen und der Meinung zu huldigen, erst müsse man die Iren mit Gewalt zur Ruhe bringen, dann Mrde sich 'das Weitere finden. Sollte sich ein« solche Erbitterung festsetzen und die Unbefangenheit des Urtheils trüben, so wäre dies das Schlimmste, was dem englischen Parlamente widerfahren könnte. Die griechisch-türkische Grenz- und Streitfrage bietet noch keinerlei Aussicht auf irgend welche Lösung, ob friedlich, ob kriegerisch. Mehr als zwei Wochen sind vergangen, seit der französische Minister des Auswärtigen in seiner bekannten Zirkularnote einen Appell an die Friedensliebe und die Vernunft der griechischen Regierung und der Pforte erließ und doch verspürt man weder in Athen noch in Konstantinopel die erhoffte Wirkung. Ebenso zweifelhaft sind alle Mitthcilungen über Annahme oder Nichtannahme des von den europäischen Mächten vorgcschlagenen Schiedsgerichtes. Nur so viel scheint sicher zu sein, daß man sich in Athen nach wie vor zum Kriege mit der Türkei, und zwar zum Kriege auf Tod und Leben vorbereitet. Man will sogar die griechischen und griechisch gesinnten Bewohner der Türkei zum Auf stand bewegen, auf Kreta das Signal zur Erhebung geben und durch einen wohlorganisirten Aufstand Mazedoniens den Todesstoß gegen die Türkei führen. Griechenland rechnet hierbei auf die Neutralität der gegen die Pforte verstimmten Albanesen. In Konstantinopel hinwiederum ventilirt man die Austreibung aller Griechen aus dem türkischen Reiche. Der zum Kricgsminister ernannte Osman Pascha hat aus dem Berichte, den er im Auftrage des Sultans über den Stand des türkischen Heeres ausarbeitete, lediglich die Moral gezogen, daß die Türkei gegen Griechenland Krieg führen müsse. Tie Friedensaktion Frankreichs hat also herzlich schlechte Aussichten. Tagesschau. Freiberg, 15. Januar. Das Befinden des Kaisers Wilhelm wird als ein verhältnißmäßig gutes geschildert. Der Katarrh löst sich, auch die Heiserkeit ist geringer. — Der „Reichsanzeiaer" veröffentlicht die Mitglieder des Bolkswirthschaftsrathes. — Das preußische Abgeordnetenhaus setzte gestern die Berathung des Zuständigkcitsgesetzes fort und genehmigte 8 2 unter Streichung des Schlußsatzes, sowie die ßß 3, 4 und 5 unverändert, 8 6 unter Ablehnung des Hüne'schen Abänderungsautrages, aber miteinem vonKöhler(Göttingen) beantragten Zusatzparagraphen, wonach künftig nur Bürger meister und Beigeordnete der Bestätigung bedürfen Minister Eulenburg hatte sich gegen den Hüne'schen Antrag aus gesprochen; die Paragraphen 7 und 9 wurden in der