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32. . -> » Lffcheinl jeden Lochmtag Lbmd« 0 Uhr für dcn ! 1 / andern Taz. Prtt» vterlrliührltch L Mart 2L Pj., > * »»«iäwnamch 1 M. SO Psu. etnmonall. 1881. MiöeMA^^ ' und Tageblatt. AmtMM für dir königlichen und städtischen Behörden zn Freiberg und Brand. . Verantwortlicher Redakteur Julius Brau» iu Freiberg. — - Inserate werden bis Vormittag« 11 Uhr angenow- Smiiadmd, de» 22. Jamar. Vts Mrthschastsledt» uitd die Sedürfvisse. Erstem suchten wir an dieser Stelle nachzuweisen, daß die Ursache aller Unzufriedenheit mit der sozialen Lage in der Differenz liegt zwischen dem, was man vom Leben fordert und was dasselbe gewährt; daß ferner diese Forderungen wenigstens in unserem Jahrhunderte beständig stiegen, mithin zur schnelleren Verminderung der Unzu friedenheit die Herabsetzung unserer Ansprüche an das Leben der sicherste Weg ist. In der That hat die rasche Steigerung der Bedürfnisse — die noch rascher erfolgte, als die Steigerung der Mittel zur Befriedigung derselben — das Meiste dazu beigetragen, das soziale Uebel fühl bar zu machen. Die Menschen sind heute infolge der Veränderungen im politischen Leben, der Erleichterung des Verkehrs rc. einander viel näher gerückt als ehedem und dieser Umstand führte in Verbindung mit dem Nach ahmungstrieb, der in uns Allen schlummert, naturgemäß dazu, daß die Mindcrbegüterten mehr als sonst die iu den besitzenden Klassen vorhandenen Bedürfnisse kennen ge lernt und sich angceiguet haben. Eine Folge davon war wiederum, daß der Konsum gegen früher erheblich stieg und sonach heute die durch Unzulänglichkeit der Mittel aufgezwungcne Versagung solcher Bedürfnisse bitterer empfunden wird als früher, wo mau jene Genüsse nicht kannte und also auch nicht vermißte. Diese gesteigerte Bedeutung, welche die Bedürfnisse des Menschen im Wirthschaftslcben erlangten, ist nun die Ursache einer cigenthümlichcn Wandlung gewesen. Früher galt nämlich das Maß des Erwerbs als Gmndlage für die Bedürfnisse; heute gelten die Bedürsnisse als Grund lage für den Erwerb. Früher sagte sich der Einzelne: so und so viel verdiene ich, also kann ich so und so viel ausgcben; heute sagt er: so und so viel brauche ich, also muß ich so und so viel verdienen. Die Konse quenzen dieser modernen Anschauung liegen ziemlich nahe- Sic bestehen zum Theil in einer sehr erfreulichen Steigerung der Produktion, andernthcils aber auch in einer Jagd nach Erwerb, welcher schließlich jedes Mittel recht ist; in einem Verdienenwollen um jeden Preis, in der Gering schätzung alles dessen, was kein Geld einbringt — kurz in all den unerfreulichen Erscheinungen, die man im Er werbsleben unserer Tage fortwährend zu betrachten Ge legenheit hat. Run ist freilich die Bedürfnißlosigkeit nicht nach dem Geschmack vieler neueren Nationalökonomen, welche gerade iu den gesteigerten Ansprüchen der Menschen einen Hebe aller Volkswirthschaft erblicken und das Predigen von Einschränkung oder Entsagung als den baarsten Unsinn anschen. Auch wir halten die Cyniker nicht für die größten Philosophen und Sparta nicht für größer als Athen. Aber dem Einzelnen, welcher immer die gute alte Zeit rühmt, können wir doch kein anderes Mitte zur Verbesserung der Gegenwart an die Hand geben, als zunächst in Bezug auf das Maß der Bedürfnisse zu der guten alten Zeit zurückzukehren. Es ist ja richtig daß erhöhte Bildung auch vermehrte Bedürfnisse mit sic führt, aber doch immer nur bis zu einem gewissen Grade Im Allgemeinen erkennt gerade der höher Gebildete am klarsten die Entbehrlichkeit zahlreicher Dinge, die der unter ihm Stehende als unentbehrlich ansicht, und setzt sich über ihren Mangel mit Gleichmuth hinweg. Hochgestellte Beamte, berühmte Gelehrte u. s w. haben weit weniger Bedürsnisse als der erste beste Börsenjobber, dessen Bildung über das „Ich geb" und „Ich nehm" nicht weit hinausreicht. Gegen diese Einschränkung der Bedürsnisse wird weiter cingewcndet: wenn die verschiedenen Klassen unserer Na tion sich noch mehr cinschränken wollten, wovon würden xmn Millionen von Arbeitern leben, die doch nur durch Befriedigung solcher scheinbaren Bedürfnisse ihren Unter halt erwerben? Auch dieser Einwurf hat einen Schein von Berechtigung. Aber eben nur. einen Schein. Richtig ist, daß sich das Wirthschaft-leben eines Volkes in einem eigenen Zirkel bewegt. Die vermehrten Bedürfnisse uöthigen den Menschen, auf immer neue Gelegenheiten zu sinnen, etwas zu verdienen; dem Publikum gewissermaßen jeden Wunsch von den Augen abzulesea, ihm Alles zu bieten, was irgend wie zur Befriedigung eines eingebildeten Be dürfnisses dienen könnte. Diese immer bequemer sich dar bietende Gelegenheit zur Befriedigung derartiger Schn- ücht, dieses Hervorlockcn der bisher noch schlummernden Wünsche ruft fortwährend neue Bedürfnisse hervor. Aber gerade daß wir uns im Wirthschaftslcben in einem solchen Zirkel bewegen, zeigt cincntheils das Ungesunde der Zu- tändc, in die wir allmälich hineingcrathen sind, und an- icrnthcils die Fruchtlosigkeit aller Bemühungen, vorwärts zu kommen. Was die Arbeit mehr bringt, verschlingen osort die sich cinstcllendcn vermehrten Bedürfnisse. Die Folgen eines auf die Spitze getriebenen Industria lismus zeigt gerade dieser Zirkel, in welchem sich das Wirthschaftslcben unserer Tage bewegt. Aber doch gicbt es einen Ausweg, nämlich ip cygc Beziehungen zu Völkern zu treten, die aus einer anderen Stufe wirthschaftlichcr Entwickelung stehen- Dann brauchen wir nicht immer neue Bedürfnisse bei uns daheim künstlich zu schaffen, um nur Arbeit zu haben. Beschäftigung gäbe cs für uns genug, wenn wir zurückgebliebene Völker auf die Stuse bringen wollten, aus der wir selbst stehen. Wir hätten dann auch nicht nöthig, uns einseitig auf die Industrie zu werfen. Die dünn bevölkerten Territorien jener Völker liefern genug Arbeitsfeld auch für landwirthschaftliche Beschäftigung. In solche Verbindungen sind wir Deutschen freilich schon längst getreten, aber wir haben dabei fort während den Wettbewerb anderer Nationen zu bestehen und arbeiten nur zu oft für diese. Die Verbindung, welche uns die Früchte unserer Bemühungen sichert, war uns bisher versagt. Wenn auch unser Volk durch die Auswanderung jenen Zirkel zu durchbrechen suchte, so hatten die Nordamerikaner davon mehr Vorthcil als wir. Aber die Frage läßt sich nicht mehr abweisen, wir kommen ohne Kolonialpolitik nicht mehr vorwärts. Die ausglci- chende Tendenz im Wirthschaftslcben darf sich nicht auf die-Vorgänge innerhalb des eigenen Volkes beschränken, sondern cs muß ein Ausgleich zwischen unentwickelten und höher entwickelten Nationen stattfinden. Der einzige Weg hierzu ist die Kolonisirung. Das Arbeiter-Bersicherungs-Gesetz. ii. Der Reichs-Versicherungsanstalt ist die Kontrole der Betricbsunternehmer bezüglich der Versicherung an Ort und Stelle durch Beauftragte gestattet. Selbstverständlich ist von jedem vcrsicherungspflichtig werdenden Unfall seitens des Betricbsunternehmers der Ortspolizeibehörde Anzeige zu machen, und zwar in zwei, spätestens drei Tagen. Der angezcigtc Unfall ist dann sofort der Untersuchung zu unterziehen, die Feststellung der Entschädigung muß in Todesfällen durch die zuständige Verwaltungsstelle der Reichs-Versicherungsanstalt sofort nach Abschluß der Unter suchung geschehen. Wo nur Verletzungen vorliegen, ist nach Ablauf von vier Wochen die Entschädigung für die ganz oder theilweise Erwerbsunfähigen festzusetzcn. Für die dann noch in der Behandlung Befindlichen handelt es sich nur um Entschädigungsfeststellung bis zur Be endigung des Heilverfahrens. Entschädigungsansprüche, die nicht amtlich fcstgcstcllt sind, müssen vor Ablauf eines Jahres nach dem Unfall bei der betreffenden Verwaltungs stelle der Reichsversicherungsanstalt gemeldet werden. Die von der Reichsversichecmigsanstalt vorgenommenc Fest ¬ stellung kann im Wege des ordentlichen Prozesses ange fochten werden. Drei Monate nach dem Feststellungs bescheide aber tritt Verjährung ein. Rach Feststellung der Entschädigung erhält der Berechtigte eine Bescheinigung, die -ihn zum Empfange der Beträge unter Angabe der Hcbcstclle und Zahlungstermine legitimirt. Die Ent schädigung für Erwerbsunfähigkeit kann unter Umständen kapitalisirt werden, womit dann jeder weitere Anspruch erlischt. Auf Antrag des Vorstandes de- betreffenden Ortsvcrbandes kann auch die Reichsvcrsicherungsanstalt einen Theil der Rente eines Berechtigten dem Armenver- bande überweisen zur Verwendung für diejenigen Ange hörigen, hinsichtlich deren der Berechtigte der ihm gesetzlich obliegenden Verpflichtung zur Gewährung von Unter stützungen nachweislich nicht nachkommt. Forderungen Entschädigungsberechtigtcr find unübertragbar und der Pstindung nicht unterworfen. Die bezüglichen Urkunden und Verhandlungen sind gebühren- und stempelfrri. Wenn eine Erwerbsunfähigkeit durch Verletzung oder ein Todes fall in einem Betriebe eintritt, wo keiue Versicherung mit der Rcichsanstalt abgeschlossen ist, so ist der Betriebs- Unternehmer zu der betreffenden Entschädigung verpflichtet, wenn er nicht nachweist, daß er die vorgeschriebenc An zeige gemacht hat. Andernfalls trifft die Verpflichtung den betreffenden Landarmenverband oder Bundesstaat. Ist der Unfall Schuld des Unternehmers oder seines Ver treters, so haftet der Erstere der Reichsvcrsicherungsanstalt und kann vom Beschädigten Kapitalswerth der Rente gefordert werden. Bei Bauten gilt als Bctriebsunter- nehmer der Ausführer für eigene Rechnung. Für Ueber- tretungcn rcsp. Zuwiderhandlungen gegen die vorstehend angeführten bezüglichen Vorschriften sind Bestrafungen von 50 bis rcsp. 1000 Mark vorgesehen. Der 8 2 des Gesetzes vom 7. Juni 1871, betreffend die Verbindlichkeiten zum Schadenersatz für die beim Be triebe von Eisenbahnen, Bergwerken u. s. w. herbeigcführten Tödtungen nnd Körperverletzungen, findet da, wo nach diesem Gesetze Entschädigung gefordert werden kann, ferner hin keine Anwendung. Schadenersatz-Ansprüche, die den Betreffenden auf Grund anderer gesetzlicher Bestimmungen zustchcn, werden dahin aufrecht erhalten, daß sie sich auf den ihnen zukommcndcn Schadenersatz dasjenige anrcchnen lassen müssen, was ihnen dieses Gesetz zuspncht. Neben den durch dasselbe vorgeschrrebenen Versicherungen sind übrigens den betreffenden Arbeitern auch noch weitere Versicherungen für eigene Rechnung bei der Reichs-Ver sicherungsanstalt gestattet. Für die im Dienste Anderer beschäftigten gewerblichen Arbeiter, für welche die Ver sicherung durch dieses Gesetz nicht vorgeschrieben ist, können Versicherungen gegen die Folgen von Betriebsunfällen bei der Reichs-Versicherungsanstalt abgeschlossen werden: für den Fall der völligen oder thcilweisen Arbeitsun fähigkeit, eine sür die Dauer derselben an den Verletzten zu zahlende Rente, und für den Fall des Todes, eine an die im 8 7 bezeichneten Hinterbliebenen für die daselbst vorgeschriebenc Dauer zu zahlende Rente. Die Höhe der zu versichernden Rente bestimmt der Versichcrunqsnehmer, jedoch soll sie bei völliger Arbeitsunfähigkeit 600 Mk., bei Tod 450 Mk. nicht überschreiten. Durch Beschluß des Bundesrathes kann der Geschäfts betrieb der Reichs-Versicherungsanstalt auf Lebensver sicherung für die im Dienste Anderer beschäftigten gewerb lichen Arbeiter bis zum Betrage von 6000 Mk. ausgedehnt werden. Die AusdehUung des Geschäftsbetriebes auf Versicherung für den Fall der in Folge von Krankheit oder Alter entstandenen Arbeitsunfähigkeit bleibt weiterer gesetzlicher Regelung Vorbehalten; die Tarife wie Ber- sichcrungsbedingungcn werden durch Beschluß des Bundes rathes festgesteUt, den Versicherungsnehmern aber sollen hinsichtlich des Abschlusses der Versicherungen unter Ein zahlung der Prämien thunlichst dieselben geschäftlichen Erleichterungen zu Theil werden, welche für die gesetzlich nothwcndigcn Versicherungen Platz greifen. Zu dem Ende haben sich die Arbeitgeber, sowie die von den Landes- zcntralbchördcn zu bestimmenden Landes- und Kommunal- bchörden der Geschästsvermittelung zwischen der Reichs- Versicherung und den Versicherungsnehmern zu unterziehen. Der Zeitpunkt, zu welchem das Gesetz in Kraft tritt, wird durch kaiserliche Verordnung im Einvernehmen mit dem Bundesrath bestimmt werden.