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Schönburger Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und Waldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 50 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Einzelne Nummern 8 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Mittwoch, den 10. August 182 1881. "Waldenburg, 9. August 1881. Das Programm der deutschen Gewerbepartei. Die deutsche Gewerbepartei zu Berlin und Leip zig hat vor einiger Zeit folgendes Programm auf gestellt: 1) Wiedereiführung eines geordneten Lehrlings wesens durch Lehrzeit und Befähigungsnachweis. 2) Einführung von Beschästigungsausweisen für Gesellen über ordnungsmäßige Lösung der Arbeitsverhältnisse. 3) Einrichtungen, welche es jedem Gewerbetreiben den ermöglichen, seine Befähigung zum selbst ständigen Betriebe nachzuweisen; Bildung von Prüfungs-Commissionen unter staatlicher Con trols für diejenigen Gewerbe, deren Betrieb mit Gemeingefahr verbunden ist. 4) Errichtung von gewerblichen Vereinigungen mit korporativen, gesetzlich abzugrenzenden Rechten und Pflichten (Innungen). 5) Bildung selbständiger Gewerbekammern neben den bestehenden Handelskammern. Hierzu bemerkt nun die „Cons. Corr.": Daß dieses Programm schon genüge, um eine durchgrei fende Besserung der traurigen Lage der Handwerker herbeizustthren, glauben wir nicht. Der Handwerker stand ist leider Gottes furchtbar heruntergekommen, und es giebt selbständige Handwerksmeister genug, die auf der Straße im guten Nocke gehen und zu Hause mit ihrer Familie trockenes Brot essen. Und das sind Leute, die nach gutem alten Brauch ihr Meisterstück gemacht und bewiesen haben, daß sie ihr Handwerk verstehen. Gerade den gewissenlosen Pfuschern, die keine Handwerksehre haben, geht-es besser; die arbeiten billig und schlecht und nehmen dem ehrlichen Handwerksmeister das Brot vom Munde weg. Da thul eine durchgreifende Hülse noth, und die^kann nur dadurch eintreten, daß die Bildung von Innungen mit ganz bedeutenden Vorrechten geschieht. Gerade der Punkt des Jnnungsgesetzes, den die Liberalen glücklich zu Fall gebracht haben, war der nothwendigste, der nämlich: daß nur die Jnnungsmeister das Recht haben sollen, Lehrlinge zu halten.'Wenn jeder Pfuscher sich Lehrlinge halten darf, dieerzumKinderwiegenoderalsLaufburschen gebraucht, dann darf man sich nicht wundern, daß es heut zu Tage Schuhmachergesellen giebt, die nichts weiter können, als Stiefel besohlen, aber nicht zuschneiden, Tischler gesellen, die in ihrem Leben nichts anderes gemacht haben als Thüren und wenn sie einmal einen Schrank machen sollen, ein Ding Herstellen, durch das von allen Ecken der Wind pfeift. Was soll ihnen auch der Pfuscher lehren, der selber nichts gelernt hat? Bei einem ordentlichen Jnnungsmeister liegt die Sache ganz anders; der kann erstens selbst etwas und zweitens würde er sich schämen müssen, wenn jemand, der bei ihm in der Lehre gewesen ist, bei der Gesellen- und Meisterprüfung sich selbst und seinen Lehrmeister blamirte. Gegen diese Bestimmung, die dem Handwerkerstande zu seinem Gedeihen so nothwenRg ist, Ivie dem Fische das Wasser, haben sämmtuche Liberalen und ein Theil der Freiconser- vativen gestimmt, und so ist sie durchgefallen. Ohne diese Bestimmung aber ist das ganze Jnnungsgesetz wie ein Hund ohne Schwanz. "Waldenburg, 9. August 1881. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Unser Kaiser ist am 7. d. vormittags 11 Uhr 40 Minuten wohlbehalten in München eingetroffen und sofort nach Frankfurt a. M. weitergereist, wo ¬ selbst derselbe abends 9'/« Uhr ankam. Der Kaiser wurde daselbst auf dem Bahnhofe von dem Regierungs präsidenten v. Wurmb, dem Oberbürgermeister Miquel und der Generalität empfangen und auf dem Wege zu seinem Absteigequartier im Hotel de Russie von der Kopf an Kopf gedrängten Menschen- maffe enthusiastisch begrüßt. Am 8. d. besuchte der Kaiser die Patent- und Musterschutzausstellung. An der Eingangshalle von den Präsidenten Simon und Schiele mit einer Ansprache bewillkommt, nahm Se. Maj. sodann, begleitet von Letzterem, die Ausstellungs gegenstände aufs Eingehendste in Augenschein, wo bei er vielfach die Aussteller mit Fragen beehrte. Auf dem Wege zum Kunstausstellungsgebäude über reichten die Inhaber der altdeutschen Weinstube Sr. Maj. dem Kaiser einen mit Wein gefüllten goldenen Pokal und deren Frauen Rosensträuße. Die Bilse'sche Kapelle intonirte die Jubelouverture. Nach Besichtigung der Kunstausstellung nahm der Kaiser in dem Fürstenpavillon das Frühstück ein. Das Lokal der Eisbahn betrat der Kaiser wegen des plötzlichen Temperaturwechsels auf Anralhen der Aerzte nicht. Der Kaiser wurde überall mit enthusiastischen Zurufen begrüßt. Nachmittags reiste der Kaiser nach Koblenz weiter, wo er übernachtet. Die „Norddeutsche" constatirt einer Mittheilung des „Corresp. von und für Deutschl." gegenüber, wonach Bismarck über den neulich veröffentlichte!'. Drohbrief „mehrere Tage so aufgeregt gewesen sei, daß seine Kur deshalb keine günstigen Fort schritte gemacht habe", daß der Reichskanzler, wenn er durch Drohbriefe aufgeregt werden könnte, nie aus diesem Zustande herausküme, denn es habe keine Zeit gegeben, wo der Reichskanzler nicht Drohbriefe erhallen hätte. Die Kissinger Kur habe ganz im > Gegentheil gerade in den letzten vierzehn Tagen einen besonders guten Einfluß auf den Reichskanzler ausgeübt, so daß er täglich ausgedehnte Spazier gänge unternehmen könne und rüstiger und frischer aussehe als seit geraumer Zeit. Der Feldmarschall Graf Moltke ist am 7. d. Nachmittag, nachdem er in der Frühe von seiner Herrschaft Creisau in Schlesien in Berlin einge troffen war, mit der Hamburger Bahn zum Besuch des schwedischen Königspaares nach Drottningholm abgereist, wo er etwa 14 Tage zu verbleiben ge denkt. Graf Moltke ist der schwedischen sowie der dänischen Sprache vollständig mächtig. Der Ausgang der Verhandlungen über Herab setzung der Gerichtskosten im letzten Reichstage hat, wie vorauszusehen war, im Lande wenig be friedigt. Kaum daß die geringfügige Ermäßigung der Schreibgebühren rc. als eine vorläufig mit Dank anzunehmende Abschlagszahlung angesehen wird. Die Agitation gegen die Höhe der Gerichtskosten, welche schon lange in allen Theilen des Reiches lebendig war, macht sich neuerdings besonders im Rheinlands geltend. Hier werden jetzt Vergleiche angestellt zwischen sonst und jetzt, und diese Ver gleiche sind um so interessanter, als sie eine Prozeß ordnung betreffen, die schon früher z. B. das In stitut der Gerichtsvollzieher und der Gerichtsschreiber kannte, wo also nicht so große Umwälzungen durch die neue Civilprozeßordnung hervorgerufen wurden, wie im Geltungsgebiete des Allgemeinen Landrechts. Aus einer von der „Köln. Ztg." gebrachten ver gleichenden Zusammenstellung geht zur Genüge her vor, daß die Gebühren im jetzigen Verfahren be deutend höher sind, als die früheren, und daß das Verlangen nach billigerem Recht vollkommen gerecht fertigt ist. Unter den deutschen Gewerben nimmt die Tisch lerei eine sehr hervorragende Stellung ein. Eine Veröffentlichung in dem kürzlich erschienenen Juni- Hefte der vom kaiserlich statistischen Amte heraus gegebenen „Monatshefte zur Statistik des Deutschen Reiches" ergiebt, daß im Deutschen Reiche am 1. December 1875 123,104 Tischlereibetriebe mit zu sammen 230,510 vorhanden waren. Ganz über wiegend wird das Gewerbe handwerksmäßig betrie ben; 64,2 Proc. aller Tischlereien wurden ohne Gehilfen geführt, 17,6 Proc. beschäftigten einen, 9,3 Proc. zwei und nur 8,9 Proc. drei und mehr Gehilfen. Tischlerei-Großbetriebe mit mehr als 50 Personen wurden überhaupt nur 65 ermittelt. In allen Theilen des Ruches zeigte das Gewerbe einen erfreulichen Fortschritt. Im Jahre 1846 wurden nur 42,9, im Jahre 1861 dagegen 47,3 und im Jahre 1875 sogar 52,0 Tischler auf je 10,000 Einwohner gezählt. Aehnlich wie die Zahl der Tischler ist auch die der Stellmacher und Korb macher schneller gestiegen als die Bevölkerung; da gegenzeigt die Zahl der Böttcher, verglichen mit der Einwohnerzahl seit 1846, einen entschiedenen Rück gang, welcher aber auch in fast allen auswärtigen Staaten hervortritt und auf dem verminderten Ge brauche von Holzgefäßen beruhen dürfte. Mit den Steuernachlässen sieht es ziemlich bedenklich aus. Bekanntlich sollen die Einzelstaaten die Erträgnisse der indirecten Reichssteuern zur Ver- theilung unter sich erhalten, nachdem das Reich das Aversum von 13 Millionen abgezogen hat. Da nun aber der Haushalt des Reichs für 1880/81 nur mit einem Ueberschuß von 4 Millionen ab schließt (sobald nämlich die Zuckerfabrikanten ihre Steuercredite gezahlt haben werden), so wird für die Einzelstaaten zur Verlheilung nicht viel übrig bleiben. Dann aber fehlt es an der Möglichkeit, in den i Einzelstaaten die direkten Steuern zu ermäßigen. Das trifft auch für den sächsischen Staatshaus halt zu. Die Wahlbewegung geht in den bisherigen Formen und Geleisen fort. Ueber den Wahltermin ist noch nichts Sicheres bekannt. Während von einer Seite die Verschiebung des Wahltermins bis Ende October in Aussicht gestellt wird, warnen andere Stimmen, man möge sich vor Ueberrumpe- lung hüten; die Officiösen geben nichts weiter, als die sehr vieldeutige gelegentliche Wendung, „in nicht zu langer Frist" würden die Wähler berufen werden. An die erfolgte Rückkehr des Chefs der kaiser lichen Admiralität General v. Stosch knüpft sich in betheiligten Kreisen die Hoffnung, daß die in Kiel erfolgte Beschlagnahme der beiden Dampfer „Diogenes" und „Sokrates" in Bälde aufgehoben werden dürfte. Zur Vervollständigung der in Um lauf befindlichen Versionen sei auch erwähnt, daß erzählt wird, die Beschlagnahme sei vom Minister Herrn von Puttkammer auf Antrag unserer politi schen Polizei erfolgt, nachdem von England aus eine dringende Warnung eingegangen war. Die beiden beschlagnahmten Schiffe repräsentiren einen Werth . von einer Million Mark. Auf den „Dio genes" soll ein Vorschuß von 400,000 Mark geleistet sein; aber die größere Hälftedes bedungenen Preises i'i noch nicht bezahlt, wie sie jetzt denn auch Nie mand anders gehören, als dem Herrn Georg Ho waldt, der durch die Beschlagnahme, wie es scheint, in eine sehr peinliche Situation gebracht ist, einfach darum, weil sie den Bestellern die vielleicht er wünschte Gelegenheit giebt, sich ganz zurückzuziehen. Das Fest deutscher Studenten auf dem Kyff häuser ist in bester Weise verlaufen. Stud. Hahn aus Leipzig eröffnete den Commers mit einem Hoch auf den Kaiser, aus den Fürsten von Rudolstadt, dem ein Danktelegramm gesendet wurde, und auf den Fürsten Bismarck. Pastor Hunnius, ein alter