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Vie deutsche Politik. Kaiser Wilhelm hat bekanntlich fast zu gleicher Zeit nach ,»ei Richtungen hin vollgiltig, Bewetse seiner fried« lichm Gesinnung abgegeben. Zum R«gieru»g»jubilSum de» Cirren sandle er rin in den herzlichsten Ausdrücken abgefaßte» Glückwunschschreiben, in dem er der Hoffnung Ausdruck gab, die guten Beziehungen zwischen Rußland und Deutschland möchten bi» an sein LebenSend« fort« dauer». Goda»» ertheilte er dem franzvfischen Botschafter bei einem Festesten in bündigster Form die Versicherung seiner Friedensliebe und seine» Vertrauens zu de« Kabinett Freycinet, welches seine volle Sympathie besitze. Da» Schreiben an den Czaren par vom Fürste» Bismarck gegen« gezeichnet; bei dem Gespräch mit dem französischen Bot« schaster äußerte Kaiser Wilhelm ausdrücklich, daß Fürst BiSmarck seine Gesinnungen theile. Beide Kundgebung«» sind also sichere Beweise für die Absichten der deutschen Politik, wie sie gewichtiger kaum gedacht werden können. Ließe die Person des greisen Kaisers überhaupt zu, an seinen Worten zu deuteln, es wäre dies hier schon deshalb nicht angebracht, weil jene Kundgebungen im vollsten Ein klänge mit der Richtung stehen, welche die deutsche Politik offenkundig schon seit Jahren befolgt. Werden solche ge wichtige Worte von Berlin aus gesprochen, so weiß alle Welt, daß dabei keine Hintergedanken im Spiele find, sondern man ihnen ganz und voll vertraue» darf. Das Zeugniß aber, welches Kaiser Wilhelm und sein Reichs kanzler damit ablegten, ist gerade in diesem Augenblicke um so werthvoller, als ja bekanntlich neuerdings manche Zeichen zu Tage getreten find, welche beunruhigend wirken konnten. Sonach darf diese Frtedensbürgschaft doppelt freudig begrüßt werden, wie sie sich ja auch nach Ost und West wendet, wohin das Auge oft genug besorgt blickte. Sie benimmt nunmehr jeden Vorwand zu einer etwaigen Störung der Ruhe. Freilich fehlt auch diesem Freudenbecher da» übliche Tröpfchen Wermuth nicht! Genau besehen findet man bei diesen hocherfreulichen Versicherungen einige dunkle Punkte. Wir wolle« nicht besonderes Gewicht darauf legen, daß es bis jetzt, für die Oeffentlichkeit wenigstens, an Beweisen dafür fehlt, wie jenes Entgegenkommen bei den zunächst Betheiligten die gebührende Würdigung gefunden und ent sprechend erwiedert worden ist. Welchen Freund das deutsche Reich an Kaiser Alexander hat, ist hinlänglich be kannt; aber aus den Kreisen der ruffischen Staatsmänner, denen man gewöhnlich übergroße Zärtlichkeit gegen Deutsch land nicht nachrühmt und nicht nachrühmen kann, fehlt bis jetzt jede Kundgebung. Auch aus Frankreich liegt keine Nachricht vor, daß die Minister offen und unzweideutig vor aller Welt und namentlich vor ihren Landsleuten Freund schaft für Deutschland versichert hätten. Aber selbst hiervon abgesehen liegen in den Kund gebungen unseres Kaisers selbst Momente, welche uns keineswegs sorgenfrei in eine weite Zukunft hinauSbltcken lassen. Der Kaiser spricht in seinem Schreiben an den Czaren die Hoffnung aus, der Friede werde „bis an sein Lebensende" gesichert sein; dem französischen Gesandten gegenüber erklärt er sein Vertrauen zu dem jetzt herrschen» den Ministerium, keineswegs zur französischen Politik über haupt. Nun haben wir gewiß Alle den Wunsch, unsern Kaiser dem jungen deutschen Reiche noch auf eine Reihe von Jahren hinaus erhalten zu sehen, und wir dürfen ja auch hoffen, daß dieser Wunsch in Erfüllung geht. Wenn lab« das gute Berhältniß zwischen Deutschland und Ruß- Iland noch auf andere Umstände sich gründete, als auf die »persönliche Freundschaft der beiden Kaiser, so würde die iFriedensbürgschast unstreitig weit sicherer sein. Von der artige» Garantier« spricht aber Kaiser Wilhelm selbst »tcht. Roch geringer» Dauer verheißt d«S gut» Berhältniß zu Frcuckreich. Daffelb« ist auf das jetzige Ministerium ge gründet, auf ein Kabinet, welches täglich von der Kammer« Mehrheit, von einer Laune der französischen Parteiführer beseitigt und durch »in neues ersetzt w»rd<» kann. Di» französischen Ministerien habe» bis jetzt selten lange Lebens dauer gehabt; und welcht Richtung dereinst da» Kabinet Freycinet ablösen wird, weiß Niemand. Beruhigend find trotzdem di» neuesten Aeußerungen unser« Kaiser»; aber sie gelten nur für die nächste Zukunft und geben keine Garantie für dir lange Reihe von Jahren, welche wir friedlich gestaltet zu sehen wünschten. Man braucht sich deshalb keinen übergroßen Befürchtungen hiuzu- geben, denn für die nächste Zukunft ist der Fried« un zweifelhaft gesichert. Jedoch ist ebensowenig eine allzu- große Vertrauensseligkeit und HoffnungSfreudtgkett am Platze. Tagesschau» Freiberg, 10. März. Am heutigen Mittwoch findet in Berlin die Feier der Enthüllung des Denkmal- del Hochseltgen Königin Luts» von Preußen statt. Wenn die Preußen das reine Bild dieser vom Volke geliebten Königin noch heute mit Gefühlen der Rührung und Verehrung betrachten, so wird der Ehrentag der Gemahlin Friedrich Wilhelms III. doch auch im gesammten Deutschland sympathisch begrüßt werden, denn die Königin Luise von Preußen ist der Nation nicht nur ein leuchtendes Vorbild des deutschen Patriotismus in der bedrängtest»» Zeit der Zerrissenheit und Knechtschaft unseres deutschen Vaterlandes, sie ist dem ganzen deutschen Volk« auch näher gerückt al» die Mutter des ersten deutschen Kaisers. Am Grabe seiner Mutter im Mausoleum zu Charlottenburg hat Kaiser Wilhem in allen schweren Stunden seines Lebens in einsamem Gebet gekniet, dort hat er vor seinen Zügen in daS Feld von Gott den Sieg ersieht, und immer stand vor seinen Augen daS hohe Bild seiner Mutter, die einst an ihren Vater schrieb: „Meine Sorgfalt ist meinen Kindern gewidmet für und für, und ich bitte Gott täglich, daß er sie segnen und seinen guten Geist nicht von ihnen nehmen möge!" Wenn wir nun zurückblicken auf das reich gesegnete Leben des Sohnes, in welchem der deutschen Nation der Schöpfer der Einheit des Vaterlandes, ihr allseitig verehrter Kaiser erstanden, so müssen wir mit frommem Danke sagen: „Ja, voll und ganz hat Gott das Gebet eines treuen Mutterherzens er hört !" Die Königin Luise in ihrem schlichten Sinn meinte bescheiden: „Unser Sohn Wilhelm wird, wenn nicht Alles trügt, Wit sein Vater: einfach, bieder und verständig!" Die Geschichte hat es gefügt, daß er außerdem auch mächtig, siegreich, milde und gerecht geworden ist. Heut«, wo das Dtnkmal der hochsrligen Königin in Berlin enthüllt wird, mag des Kaisers Sinn wohl zurückschweifen in jene Zeit, in welcher seiner Mutter die schwersten Prüfungen auferlegt worden sind, so daß der Schmerz um das Vaterland dazu beitrug, sie einem frühen Grab entgegenzuführen; heute aber wird sich auch die ganze Nation der Worte dieser edlen Fürstin erinnern, die wie eine Weissagung klangen und uns den schönen deutschen Patriotismus der preußischen Königin erkennen lassen, denn das heilig« Vermächtniß der Mutterliebe ist durch die gütige Vorsehung reich erfüllt worden, als sie zu ihren Söhnen sagte: „Ihr seid in dem Alter, wo Euer Verstand die großen Ereigntffe, welche Deutschland heimsuchen, fassen und fühlen kann! Ruft künftig, wenn Eure Mutter nicht mehr lebt, die unglückliche Zeit in Euer Gedächtniß zurück. Weint meinem Andenken Thränen, aber begnügt Euch nicht mit den Thränen allein. Handelt! Entwickelt Eure Kräfte, vielleicht läßt Preußens Schutzgeist sich auf Euch nieder. Befreiet dann Euer Volk von der Schande, worin es schmachtet! Könnt Ihr aber mit aller Anstrengung den niedergebeugten Staat nicht aufrichten, so sucht den Tod, wie ihn Louis Ferdinand gesucht hat!" Das war eine unvergeßliche Mutterpredigt. Am Sterbebett seiner Mutter hat Kaiser Wilhelm mit schmerzerfülltem Herz gelobt, einer solchen Mutter würdig z» werd«», und er hat sei« Selöbniß gehalten ; « hat eä gehalten mit Hilfe der Kraft, dl« «S dem Frommen und Aufrichtigen gelingen läßt! Ehre dem Andocken sei»« hohen Mutter, Ehre der deutsche» Frau, die der heilige» Sache Deutschlands «in guter Engel geworden iftl Der deutsch» Kronprinz traf g»stern Mittag an» Jtaltrn in Berlin ein und wurde bei seiner Ankunft von d«n Prinzen Wilhelm, Friedrich Karl, dem Erbprinz«« und der Erbprinzesfin von Meiningen, dem Hofmarschall Eulen burg und seinen persönlichen Adjutanten Panwitz und Ryoenheim empfangen. Er begab sich sofort mit d»r Erb- Prinzessin in daS Kaiserliche PalaiS, um die Majestäten zu begrüßen. Nachmittag» fand beim Kaiser Hostafel statt, wozu der Kronprinz, der Minister a. D. v. Manteuffel, Minister Hofmann, von Barnbüler, Reichsbankpräsidock von Dechend, der elsässische Generaldirektor der Zölle, Fabricius, Bennigsen und Ander» gtladt» war»». — Die MUitärgesetzkommtsfion des Reichstag» hielt gestern ihre erste Sitzung, in der keine Beschlüsse gefaßt wurde«. I» der eingehenden Debatte wurden ungefähr dir bereit» ü» der Plenarsitzung hervorgetretenen Gesichtspunkt« geltet gemacht. Lbg. Rickert verlangt die Verkürzung der Be- willigungSpertode auf fünf, Abg. von Schorlemer-Alft auf zwei Jahre. DaS im Jahre 1879 dem BundeSrath zuge gangene Gesetz über die Erhöhung der Lizenzgebühren fiir den Kleinhandel mit geistigen Getränken ist zurückgezogen und dafür folgender neue Entwurf eingeretcht Word»«: Die Lizenzgebühren, welch« nach den bestehenden gesetzliche« Vorschriften für den Kleinverkauf von geistigen Getränken (Branntwein, Liqueur, Wein, Bier und Metb) zu entrichte» find, werden derart erhöht, daß dieselben in Gemeinde« mit weniger als 2000 Seelen vierteljährlich 25 Mark, von 2000 bis 10000 Seelen vierteljährlich 50 Mark, über 10000 Seelen vierteljährlich 75 Mark betragen. Al» Kleinverkäufer von geistigen Getränken ist anzusehen, wer Wein, Bier, Meth, Branntwein oder Liqueur zum Verzehren auf dem Platze, sowie wer Bier und Wein in Menge« unter 25 Liter, Branntwein und Liqueur unter 15 Liter über die Straße verkauft. Kleinverkäufer, welche fetlbieten und Spiritus, ausschließlich auf deneturirten Spiritus, unter Beachtung der wegen des Vertriebes bestehenden Vorschriften beschränken, sind der Lizenzgebühr nicht unterworfen. Die Einthetlung der Gemeinden nach der Seelenzahl bestimmt sich nach den bei der letzten amtlichen Volkszählung er mittelten Zahlen der ortsanwesenden Bevölkerung. Personen, welche den Kleinverkauf der genannten Getränke betreiben, sind verpflichtet, den von der Steuerbehörde ertheilte» Lizenzschein an einer in die Augen fallenden Stelle de» Verkaufslokales anzubringen, so daß von dessen Inhalt leicht Kenntniß genommen werden kann. Wer ohne vorgängige Entrichtung der ftstgesitzten Gebührenden Kleinverkauf von Getränken betreibt, Hal die im Artikel 171 deS Gesetze» vom 28. April 1816 angedrohte Strafe verwirkt. Zuwider handlungen gegen die Bestimmungen des ß 3 (Anheftung des Lizenzschetnes im Verkaufslokal) werden mit Geldstrafe bis zu 50 Mark bestraft. Vorgestern fand beim Fürsten Bismarck ein zweite» parlamentarisches Diner statt, worüber die „Nat.- Ztg." erzählt: Gelegentlich einer zufälligen Erwähnung deSHartmann- Fall es bemerkte der Reichskanzler, daß er die von der fran zösischen Regierung in dieser Frage beobachtete Haltung nicht mißbilligen könne, so sehr er auch die That Hartmanns und seiner Genossen verabscheue. In England 'sei bas überaus po puläre Ministerium Palmerston zum Fall gebracht worden, als eS im Parlament nach dem Orsinischen Attentate die be rüchtigte Verschwörungsbill etnbrachte. Die junge Republik habe keine andere Entscheidung treffen können, wenn sie sich nicht einer Gefahr aussetzen wollte- Er sei überzeugt, daß ernsthafte Unterbrechungen der russisch-französischen Be ziehungen durch den Zwischenfall nicht Herbeigeführt werden würden. Nach heute aus Petersburg etngeganaenen Nachrichten habe zwar Fürst Orloff bereits erklärt, er bleibe in Paris nur noch als Privatmann und er werde an diesem Borsatze un bedingt sestbalten: daö bedeute aber noch nicht den Abbruch oder die Sistirung des diplomatischen Verkehrs zwischen den beiden Ländern. So lange Auslieserungsverträge zwischen zwei Nationen nicht bestünden, habe keine von den Konsequenzen be troffene Nation ein Recht, sich über die andere zu beklagen; derartige Fälle sind bann auS dem Gesichtspunkte der inneren Politik desjenigen Landes anzusehen, von welchem man die Auslieferung verlangt. Frankreich habe hier nur mit vollem Recht seine eigensten inneren Interessen konsultirt. — Bon den Beziehungen Deutschlands zuOesterretch äußerte der Fürst, dieselben stien die innigsten; die österreichischen Mi- litärkreise sympathisieren durchaus mit dem intimen Anschluß Doamr-a,, de» 11. Mitrz. m- Tageblatt. Amtsblatt str »ft MM« md Mischt» Behörde» z» Freiberg and Brand. Insa«« »erd«bi» BormtUaA» 11 Uhrangm»«» W 1880. over vttm vumm iv rpfrnmgr. i