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jrda» »«d« S Uhr für Wrvch,««»»» l. «.«ümloo-L 7» und Tageblatt A»tMM Dr die königliche« und städtische« Behörde« zu Freiberg u«d Braud. 81. S«H«W»« . > . 5tzlseratt werden bi« Lormitkul« 11 uin- «mae»»«» - n Sonllta», des 7. März. 1880. Aus Le» gewerbliche« Lebe«. > Noch immer begegnet «an in geweMichen »reisen der ' Meinung, daß die Aufhebung de» Jnnu-g-wesen» an de« mißlichen Verhältnissen der Segenvart di« »eiste Schuld trag«. Wer solche »lagen ertönen läßt, vergißt ganz und gar, daß der Zerfall de» Innung«wes«» viel weniger durch das Gesetz, als bet Weitem mehr durch die Wirth- schastlichen Verhältnisse herbrigesührt ist und das Gesetz die Auflösung der Innungen, die längst vorbereitet war, nicht veranlaßte, sondern nur bestLttgt«. Die Erfindung der Dampfkraft und die mit ihr gc- ' schaffene Großindustrie haben die Stellung der Innungen im wirthschaftlichen Lebe« verändert. ES vollzieht sich da 1 ein Prozeß, den kein Gesetz zu hindern vermag. ES wäre ' vergebliches Bemühen, gegen «ine historisch« Rothwendigtett ankämpfen zu wollen. Alles Gewordene ist nicht etwas ' Zufälliges und Willkürliches, sondern das Resultat einer fich naturgemäß vollziehenden Entwicklung ; rin Glied in der langen »ette menschltcher Einrichtungen. Man kann nicht «ach Belleben ein« ganz« Reih« solcher Glieder ab- 1e«me« und auf ein«n Punkt zurllckgeyen, aus welchem die Geschichte vor Jahrhunderten stand. DaS geht schon des halb nicht, weil jedes Feld unserer Thätigkeit im engsten Zusammenhange mit der Sesammtentwicklung des ganzen Volles steht. So existirt denn auch zwischen unseren gewerblichen Berhältnifftn und dem Laufe der Dinge auf allen anderen Gebieten »ine innige Verbindung, die fich nicht durch ein paar SesetzeSparagraphen lösen läßt. Wer möchte wohl empfehle«, di« Fabriken zu schließen und die Verkehrs- * anstalten auszuhebe», die den Handel so sehr begünstigen? Die ganze Richtung unserer Zeit, welche Jedem gestattet seine »enntniffe zu brauchen wo und wie «S ihm beliebt, kann unmöglich in ihr Segentheil verwand«« werden. Und ! gerade Fabriken und KaufmannSlädrn find eS im Wesent- ! Uchen, welche den alten Innungen ihr Grab gruben. Seit dem ter Fabrikant die Waaren billiger, und nebenbei gesagt auch zum Theil gefälliger liefert, als der kleine Handwerker die- vermag, nachdem das Großkapital einen GewerbSzweig nach dem anderen an sich gerissen und die kleine Werkstatt ihre Bedeutung an die großen industriellen Anlagen hat abtreten müssen, seit man HandwerkSwaaren l in den Läden der Kaufleute kaufen kann — seitdem und I nicht erst seit irgend einem Gewerbegesrtz ist die Innung I der alten Zeit gegenstandslos geworden. I Wer die ganze gewerbliche Entwicklung unseres Voltes «überblickt, wird finden, daß der Verlauf der Dinge auch I gar nichts Zufällige- und Willkürliches aufwetst, sondern I sich jetzt noch in derselben Richtung bewegt, wie vor Jahr- I Hunderten. Er steht im engen Zusammenhänge mit der I Kapitalansammlung Einzelner und mit dem gestiegenen I Wohlstand überhaupt. In den ersten Anfängen unseres I gewerblichen Lebens dacht« kein Handwerker daran, Gesellen r zu halten. Jeder arbeitet«, sobald «r ein Jahr hindurch I die nothdürfttgflen Handgriffe «rlernt hatte, als Hand- I Werker für fich. Ein Unterschied zwischen Meister und I Gesellen bestand nicht. Erst nach Jahrhunderten bildete ! fich auf einer höheren Stufe de» gewerblichen Lebens die «Gewohnheit aus, einen oder zwei Gesellen zur Unter- I stützung deS Meisters zu halten. Der erhöhte Wohlstand I einzelner Meister, welcher denselben gestattete, Werkzeuge I und ArbettSräume für mehrere Menschen zu beschaffen, wie ü die gesteigerte Nachfrage nach Waaren solcher Meister trugen I gleichmäßig dazu bei. Die Zahl der Gesellen, welche ein »Meister hielt, nahm mit den Jahren zu; von zwei bis dre «stieg »an zu fünf Gesellen auf und verschiedene Belege aus Idem fünfzehnten Jahrhundert« «rv«ts«n, daß man damals bezüglich der ArbeitSthetlung auf dem besten Wege zn« Großbetriebe de- Handwerk» war. Diese Bewegung umrde aufgehalten durch die Er scheinungen, denen das wirthschaftliche Leben durch Ent deckung des Seewege» nach Indien und durch die Ent deckung Amerika'» ausgesetzt war ; «ehr noch durch die entsetzlichen Verheerungen de» dreißigjährigen Krieges. Nach all' dem Elend , das die Kriege de» fiebenzehnten Jahrhundert» über unsere Vorfahren brachten, mußte ziem- llch wieder von vom angefangen werden. Aber sobald man die schlimmsten Schläge überwunden hatte, wieder holte fich die frühere Erscheinung: wer durch Fleiß, Glücks- fälle oder Erbschaft zu Besitz gelangt«, dehnte sein Geschäft au-, führte bei Herstellung seiner Waaren die ArbritS- thetlung, also die Anfänge fabrikmäßigen Betriebe» ein und strebte damach, da» Geschäft über seinen ursprüng lichen Rahmen hinauszuheben. Die Kapitalansammlung, di, seit zwei Jahrhunderten tingetreten ist, wurde nur ein mal während der napoleonischen Kriege gestört, aber nicht vollständig aufgehoben. Und so sehen wir denn, daß in weiterer Folge jene» PrqefieS di« industriellen Anlagen immer größer geworden find und der Handel den Verkauf der angrfertigtm Waaren immer selbständiger in die Hand genommen hat. Wo soll nun heute da» BerbietungSrecht der Innungen anfangen, wo soll e« aufhören? Glaubt man wirklich dem Handwerkerstände damit aufzuhelfen, wmn einigen Pfuschern der Gewerbebetrieb untersagt und die Führung des Meister- itel» verboten wird? Selbst die alten mit vieler Macht ausgerüsteten Innungen vermochten ja die Pfuscher nicht unmöglich zu machen ; in kleinen Städten und auf Dörfern st diese Spezies überhaupt nicht auSzurotten. Aber selbst wenn dies geschehen könnte, dem Handwerk wäre damit kein grober Dienst geleistet. Mehr als der Pfuscher schadet ihm der Fabrikant, der Großindustrielle, der Kaufmann mit seiner Konkurrenz. Wenn der Kaufmann amerikanisches Fleisch, Brot, Möbel, Schuhwaaren, Garderobe und alles sonst Erdenkliche vom' Fabrikanten bezieht und verkauft, so hat dies für den Fleischer, Bäcker, Tischler, Schuhmacher, Schneider u. s. w. mehr zu bedeuten, als die Konkurrenz des armen Pfuscher». Da somit gegen die Richtung der Zeit im Allgemeinen nicht angekämpst werden kann, so thut man wohl am besten, die Traume von einer Wiederherstellung der Innungen in ihrer alten Gestalt ganz aufzugeben und fich darauf zu be schränken, nur den Auswüchsen der neuen Richtung ent gegen zu treten. Man lege hübsch da Hand an, wo auch wirklich Aussicht auf Erfolg ist; an Arbeit fehlt e- dabei sicher nicht. Bor Allem bietet unser heutiges Lehrlings wesen für Reformbestrebungen ein weites Feld. Freilich darf man hierbei nie au» den Augen lassen, daß er weiterten Rechten de» Lehrhenn auch erweiterte Pflichten gegenüber stehen und daß mit einer verstärkten Gewalt über die Lehrlinge auch eine größere Fürsorge für das Wohl derselben untrennbar verbunden sein muß. ' Tagesschau. Freiberg, 6. März. ' Wie auch die Zukunft sich gestalten möge, die Geschichte wird es Kaiser Wilhelm stets zur Ehre anrechnen müssen, daß er in bewegten Zeiten das Möglichste gethan hat, um > den Frieden zu erhalten. Der Kaiser, welcher bereits durch > den Besuch des Szaren in Alexandrowa viel Entgegenkommen > bewiesen hatte, benutzte seit dieser Zeit jede Gelegenheit, , um dem russischen Kaiserhofe Freundschaft und Sympathie zu beweisen; er begrüßte festlich und offiziell in Berlin den Großfürsten-Thronfolger, die Prinzen Wladimir, Sergei und Alexei, die au- Cannes zm ückkehrende russische Kaiserin und den Großfürsten Nikola»-. Bei den bedauerlichen Attentate« sandte Kaiser Wilhelm di» »rsteu Gratulation« zur Rettung, der deutsche Hof «ah« a« dem Gottesdienst« in der rusfischen Botschaft th»tl, und dl« preußisch«« Prinz«« trugen gleich dem Kaiser bet der Feier des RegierungS- jubiläumS des Claren die Uniformen ihrer rusfischen Regi menter. Außerdem aber richtet« der Kaiser noch sein« friedliche Kundgebung, die in der« Schreiben an de« Czaren enthalten war, an die Adresse de» rusfischen Volk«-. Während Kaiser Wilhelm so im Osten Friedensworte ertönen ließ, hat er Frankreichs nicht vergeffen. Pariser Depesche« melden die bedeutungsvollen Worte, welche unser Kaiser an den Grafen St. Ballier bei dem Diner auf der franzö sischen Botschaft gesprochen. Der Kaiser nannte de« Präsi denten Srevy „einen Charakter", den er sehr schätze, und erklärte fich glücklich zu fühlen, daß er fich auf der franzö- fischen Botschaft befinde Er versicherte Herrn v. St. Ballier seiner besonderen Freundschaft, so daß er sein Scheiden tief be dauert haben würde, aber Herr von Freycinrt sei ein zu großer Menschenkenner, als daß er e» hätte dazu kommen lassen. Wetter sagte der Kaiser: „Wollen Sie Herm de Frryctnet meiner herzlichsten Sympathie für sein Talent wie für seine Festigkeit versichern ; es ist da» ein Beweis von Verehrung, der fich ganz Deutschland «»schließe« wird." — Der Kaiser bestätigte, daß Fürst BtSmarck sehr leidend sei, widersprach aber gleichzetttg den Gerüchten über Meinung-differenzen zwischen ihm und dem Kanzler. Er, der Kaiser, wie Fürst Bismarck wünschten gleich sehr den Frieden, namentlich Mit Frankreich. Fürst Hohenlohe wirke beständig in friedlichem Sinne, und da er keine« Augenblick an den entschieden friedlichen Gesinnungen dtr französischen Regierung zweifle, sei gar kein Grund »u Be sorgnissen hinsichtlich der Fortdauer unserer guten Beziehungen vorhanden. — Wir zweifeln nicht an der Echtheit dieser Pariser Meldungen, denn sie tragen das Gepräge der Wahr- heit und entsprechen vollkommen den edlen Gesinnungen unseres Kaisers. Die Woite zeigen den Kanzler mit de« Kaiser einig in wahrer Friedensliebe, und Kaiser Wilhelm hat, wie er sie an die Adresse Rußland» bereit» vorher offiziell gerichtet hatte, nicht gezögert, auch Frankreich reinen Wein einzuschenken. Die Katserworte werden im Ausland« großes Aufsehen erregen, weil sie das Märchen von dem Konflikt des Kanzlers mit dem Kaiser zerstören, aber st« werden beruhigend willen, denn sie find eine sichere FriedenS- bürgschaft. Der Bundesrath hielt gestern im ReichStagS-Ge- bäude eine Plenarsitzung unter Vorsitz des StaatSministerS Hofmannn. Di« Vorlagen, betreffend die zoll- und steuer- amtliche Anschreibung de» Gewichts nach Kilogrammen, den Entwurf eines Gesetze- über die Erhebung von ReichS- stempel-Abgaben und eine Ergänzung zu dem Entwurf des ReichShauShaltSetatS für 1880/81 wurden genehmigt, ebenso der Ausschuß-Antrag, betreffend den Entwurf eine- GesHeS wegen Abwehr und Unterdrückung von Viehseuchen. — Der Reichstag genehmigte gestern die unerledigt gebliebenen Theile des MartnetatS in der zweiten Lesung nach den Kommissionsanträgen. Die für den Bau einer neuen Korvette geforderten 365000 Mk. wurden gestrichen und der Etat des Reichstages unverändert angenommen. Di« Gesetzentwürfe, betreffend das Faustpfandrecht für Pfand briefe, das Pfandrecht an Eisenbahnen und die Zwangs vollstreckung in dieselben wurde einer einundzwanziggliedriaen Kommission überwiesen. Die Budgetkommtsfion beschloß bei den im Etat beantragten Kasernenbauten ca. einundeinhalb Millionen abzusitzen. — Vorgestern Nachmittag 5 Uhr fand bri dem Reichskanzler Fürsten BtSmarck ein parlamentarisch»« Diner statt, an welchem außer den Präsidenten de» Reichs tages, Grafen Arnim-Boitzenburg, Freiherrn von Francken- stetn und Herrn Ackermann, noch theilnahmen die Abgg. StaatSmintster vr. Lucius und v. Puttkamer, Graf Moltke, Frhr. v. Varnbüler, v. Bennigsen, vr. Windthorst, Delbrück, v. Kardorff, Graf Frankenberg, Richter-Meißen, Stumm, vr. von Schauß, Meyer-Bückeburg, vr. Gneist, Bernards, von Hölder, Eysoldt, Graf Kleist, von Seyde witz, von Helldorf-Bedra. Im Ganzen waren es 45 Ge decke, und wurde in dem großen Saale servirt. Bei Tafel saß die Fürstin zwischen dem Grafen Arnim-Boitzenburg und Herrn Ackermann, der Fürst zwischen Freiherrn von Franckenstein und Hrrrn von Bennigsen. Fürst Bismarck war sehr heiter und gesprächig. „Nun, e» ist ja Alle- sehr glatt gegangen," so begrüßte der Reichskanzler sein« Säst», „»» scheint, daß e» wtrkltch besser ist, w»nn ich nicht