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«nd Tageblatt. AMMM für tk kiWicha iwd Wtffchm Behürdm zu Frriberg und Bnmd. B«nM»«Üscha «rdtckar I»N>« Sri»» i» FreißerZ. -A /, «HO Erschtlut ü llhr für dm !! -!! Inserate werdm bi« Vormittag« 11 Uhr arrgenam- I W OL 38. I Sonntag, den 15. Februar. > j 1880. Durch -en LoNhurb. Bon r. L I« allernLchstrr Zett wird die Durchbohrung de» Sott- hard vollendet sein und damit ein Riesenwerk zum Abschluß ko««,«, wie die Geschichte der Eisenbahubaue- bis jetzt nicht aufzuw«iseu hat — ein Werk, gleich groß durch die Genialität der Herstellung, wie durch den Hitzen, den er bringen wird. Di» Alpen, obschon da- höchste Gebirge Europa'-, zetchnen sich gleichwohl vor allen entsprechend hohen Ge birgen durch ihre Subaufähigkeit und Wegsamkeit aus. Während z B. di» um viele- niedrigeren Pyrenäen vom Berkehr nur an ihre» beiden Enden überschritten werden können, da ihre wenigen Pässe in schwer erreichbaren Höhen liegen, bieten di» Alpen in ihren Pässen de« Menschen- und Waarenstro» »ehr al- 30 Durchgang-pforten, sich nach diesseits und jensett- zu ergießen. I» den frühesten Zeit«« freilich führten zu diesen übersteigbareu Stellen im Kamm« der Alpen auch nur Fußwege und schmal« Saum pfad«*); nicht ander» Weg» war»u eS, auf denen Han nibal und Cäsar über di« Alpen gingen, uud wenn auch di» römisch«« Kaiser später künstliche tz««straßen hier aulegt««, so gingen sie doch größtentheil- bald wieder zu Grund«. Erst Napoleon I. gab — nach der Schlacht von Marengo — durch den Bau der Simpsorkstvaß« (1801 bi- 1806) da- kühne Beispiel zu großartigen Straßenwerk-n über die Alpen und wenngleich keine ander» Triebfeder ihn zu diesem Unternehmen bewegte, al- — Kanonen über die Alpen zu bringen, so wurden doch später im Frieben und sür den Frieden von der österreichischen, schweizerischen und italienischen Regierung im edlen Wetteifer gleichgroß- artige Werke der Wegebaukunst au-geführt, so daß e- j,tzt mehr al- 10 breite Slpenstraßen giebt, welche auch über die Paßhöhen mit Wagen jeder Art befahren werden können. Bei dem ungeheueren Aufschwünge aber, den der Ver kehr nahm, seit man ihn auf Eisenwege geleitet, genügten auch die dtsten Alpenstraßen nicht mehr, e- mußten Schienen- stränge auch über die Alpen gelegt werden. 1853 wurde di» Semmertnabahn vollendet, die allerdings den niedrigsten Alpenpaß (1020 Meter) benutzt, ohne tndeß diese Paßhöhe zu ersteigen, da ein Tunnel unter dem Scheitel hinführt. U^der den Brenner (1348 Meter) steigt das Dampfroß seit 1867. Ader auch vor Paßhöhen von über 2000 Metern schreckte man nicht zurück, und wenn die Natur in jenen HochgebirgSregionen durch ihre Schnee- und EiSmassen solch kühnem Unterfangen Trotz zu bieten wagte, so baute man statt über den Berg durch denselben. 1857 begann die piemontefische Regierung einen Tunnel durch den Mont Cenis (richtiger durch den benachbarten Col de FrSjus) zu führen und 1871 war die Cenisbahn vollendet. Der Tunnel hat eine Länge von 12200 Meter oder 1^ Meile ; durch seinen Bau aber hat man die Höhe, die von den Eisenbahnzügen überstiegen werden muß, auf 1295 Meter herabgt setzt, während die Paßhöhe am Mont Cent- 2064 Meter beträgt. Noch hatte die Schweiz keine Bahn über da- Hochgebirge, und bet der Eifersucht der Kantone unter sich war »S, als die Nation endlich den Plan zu einer Hoch gebirgSbahn faßte, schwierig zu entscheiden, welcher von den Kantonen bevorzugt, ob Splügen- oder Lukmanter- oder GotthardSbahn gebaut werden sollte. Seit Frühjahr 1866 war der Bau der letzteren gesichert. Damit aber ist jener tzebirg-stcck wieder in den Vordergrund des Interesse- ge treten, nachdem er vor ungefähr einem Jahrhundert seinen alten Ruhm, der höchste Berg der Alpe« zu sein, ein- gebüßt halte. Der Weg über den Gotthard (die Kunststraße wurde 1820 bi- 1832 hergestellt) ist bet einer Paßhöhe von 2114 m im Winter und Frühling nicht gefahrlos; daher wurde auch hier ein Tunnel projektirt, der alle- bis jetzt geleistete noch überwffen sollte, ein Tunnel in einer Läng« von 14900 m, d. i. 2 Meilen, der zugleich die zu ersteigende Höhe auf 1162m herabsetztt. Die Ausführung dieses Riesenwerke- wurde 1872 dem genialen LouiS Favre übertragen, der bei der Konkurrenz die „italienische Gesellschaft für öffentliche Arbeiten" dadurch schlug, daß er sich verpflichtete, den Tunnel 1 Jahr früher und um 12 Millionen Frank- billiger fertig zu stellen als *) Circa 3 Zentner---1 Saum; darum wurde mrd wird ein mit 3 Zentner beladenes Pserd ein Saumthter, Saumrotz genannt. seine Konkurreuten. Nachdem Favr» »in» Kaution von 10 Millionen Frantt der Sotthardbahngesellschaft geleistet, ging er rüstig an» Werk. Di« beiden Angriffspunkte waren auf der Nordsett»: Göschen»« im Reußthal» «nd auf der Südseite: Atrolo im Thal de- Tessin. Die gewaltig»« Wasserkräfte, die sich betderort- vem Unternehmer ungesucht boten, machte er sich dienstbar und erhöhte noch ihre Leistungsfähigkeit dadurch, daß er da- Wasser jener schäumenden Wildbäche beträchtlich weiter oben faßte uud eS so den Turbinen zuführte. Di« Turbinrn setzen an den beiden Tunneleingängen die Luftkompressoren in Bewegung; daS find Maschinen, welche Lust zusammenpreffen und zwar derartig, daß die Luft dann weniger al- '/,, de- früheren Raumes einnimmt. Dte Bohrmaschinen nämlich werden nicht durch Menschenhände in Bewegung gesetzt, sondern auf Borschlag de- Ingenieur» Lolladon durch komprtmirt« Luft, welche mit dem Dampfe große Spannkraft gemein hat, außerdem aber noch den Vortheil bietet, daß man diese Kraft mit geringem Verluste auf kolossale Entfernungen hinzuletten vermag, während sich der Wasserdampf abkühlen und thetlwets zu Wasser verdichten würde. Die kompri- mirte Lust, die in Folge der Verdichtung sehr heiß geworden, wird daun durch Wasser abgekühlt, in großen Lustreservoirs angesammelt und von da au» in Röhr« auf dte Baustellrn gelettrt. Dort tritt sie in einen Zylinder und bewegt vurch ihr AuSdehnen den Kolkka desselben mit ungeheurer Schnelligkeit vor- und rückwärts, wirkt also geradeso wie der Dampf bet der Dampfmaschine. Mit dem Kolbe» steht der Bohrer in Verbindung, der bei jedem Stoß tiefer ins Gestein eindringt. Gleichzeitig werden mehrere Löcher ge bohrt, in d«r Regel etwas über 1 Meter tief. Auf den Quer schnitt des Tunnels kommen 40—50Bohrlöcher; doch ließFavre in der letzten Zett den Tunnel nicht seiner ganzen Wett« nach bohren, sondern trieb zunächst einen Firstftolln mit einem Querschnitt von 6—6,» Quadratmeter vorwärts, während dte AuSweitungSarbetten später vorgenommen wurden; der Ftrststolln wird mit 16-26 Löchern hergestellt. Nach Bohrung der Löcher werden die Maschinen zurückgeschoben und dann wird stückweise mittelst Dynamit die Sprengung vorgenommen. Haben sich dte Minen entladen, so wird ein Hahn der Luftleitung geöffnet: die Gewalt der auS- strömenden komprimirten Lust treibt augenblicklich allen Rauch auS dem Tunnel. Nach Beseitigung de- loSge- sprengten Gesteins begim.t die Bohrarbeit von Neuem. Nur mit Hilf« so rasch arbeitender Apparate war eS möglich, daß dte Arbeiten täglich 3—4 Meter vorrücken. Zu solchen Erfolgen hat der Unternehmer selbst wesentlich mit beige- tragen, indem er stets die neuesten Erfindungen, falls sie sich bewährten, verwendete, um möglichst rasch das Werk zu vollenden. Sonderbarer Weise wurde Favre in diesem Streben von der Gotthardbahngesellschast nicht unterstützt, ja wieder holt geradezu gehemmt und zur Arbetrs«tnstellung ge- zwungem*) Schien doch die Bahngesellschaft eS als den ersten ihrer Grundsätze anzusehen, durch systematische Be drückungen alle Bauunternehmer der Theilstrecken zu Grunde zu richten, was sie thatsächlich auch im Kanton Tessin erreichte, in Folge dessen die Gesellschaft in die Lage kam, sämmtltche von jenen erlegten Kautionen ein- einzuziehen, eine Spekulation, dte jedoch n cht dir erhofften Borthetle brachte, weil die Gesellschaft dann sür riesige Summen dte Arbeiten auf eigene Rechnung ausführen lassen mußte. Favre ließ sich indeß durch alle die Ehtkanen, durch welche die Gotthardbahngesellschast ihn in seinen Arbeiten hinderte, ihm nutzloser Weise enorme Aus lagen verursachte und ihn selbst in zahlreiche Prozesse ver- wickelte, nicht irre machen, und selbst während der Zett der schwersten Krtsis des Bahnbaues, welche dadurch ent stand, daß man sich, wie sich's 1875 herausstellte, um 61'/, Millionen Franks verrechnet hatte, selbst während dieser Zeit, wo 3 Jahre lang — bi- 1. Juni 1879 — alle Bahnarbeiten eingestellt wurden, setzte er die Tunnel- arbetten unverdrossen fort und tmg durch diese entschlossene Haltung nicht wenig zum endlichen Gelingen der Wieder herstellung de- ganzen Unternehmen- bei. Leider war es ihm nicht vergönnt, den Augenblick zu erleben, da die beiderseitigen Arbeiter sich im Innern des Gebirges die Hand reichen sollten. Am 19. Juli vorigen *) Ein Bericht im „Ausland 1879 Nr- 44" giebt auSsühr- liche VelcgeWcrsür; ihm sind auch obige bezügliche Angaben entnommen. Jahre- Mittag- fuhr Fav« mit »tu»» Frewtd auf der Söschener Seite in den Turm»! «ft», gelangt« auch i« besten Wohlsein bis vor Ort ; auf de» Nüeboeg ab«r üver- fiel ihn «in Schlaganfall «nd b«r«i et« sei««» thätiß« Leben ein frühe- Ende. Der Riesenberg, de« rr bezwange«, tbürmte sich auf zu seinem gigantisch«» Leichenbüqel. Hl» 22. Juli wurde Favre in feinem Geburtsort« CHS«« ^b«t Senf unter Llpeurosen zur letzten Ruh« gebrtttt. Nach «inigen Tagen der Trauer um den geschiedenen Meister wurde mit gleichem Eifer wie früher weiter gearbettel, Md dte von Nord und Süd vorgetrtebenen Richtkollen wat« sich Anfang Januar d. I. bl- auf 300 M«t«r nah« gerückt; so daß, wie eingang- erwähnt, der Durchschlag noch t» gegenwärtigen Monat erwartet wird. Dte Vollendung der ganzen Bahnstrecke vom Zaster» uud Vierwaldstätter See au- bi- an den Lago Maqwwre wird kaum vor 1882 erfolgen, denn außer d«m Gotthard- tunnel müssen noch - nach einer Notiz der „Loz. JLastr. Zeitung" vom 31. Jan. 1880 — 9 Viadukte, 48 Brücken, 8 Galerieen, 7 Kehr- oder Schraub«ntunn«l, sauste SS ge radlinige Tunnel, darunter 6 über 1000 Meter lang her gestellt werden, sämmtlich Bauten, di« infolge der drei jährigen Krifi- zum große« Theil jetzt erst b«gov«e» ward« sind. Dafür hat man nun auch an «ehr al- an 300 Punkten den Bahnbau in Angriff genommen; wer i» vorige« Sommer die Reuß tatlana wanderte, der sah nicht nur/ an den halbseitigen" Wohnhäuser« der Arbeiter, wie ast den Schankbuden u^ Kramläden, meist mit italienisch« Aufschriften versehen, sondern auch an dem emsigen Treibe» und Thun im Thale selbst, wie eilig man «- hatte, da- Ver säumte wieder nachzuholen. Und wenn dann — kurz vor Frühstück, Mittag oder Feierabend — mit Pulver »nd Dynamit dte mächtigsten Feise« gesprengt wurde«, so er dröhnte da- Thal von dem gewaltigsten Donner, und di« granitnen Berge antworteten in endlos«« Echo, dumpf* ! grollend den Menschen, dte an diesen Grundveften z» rütteln wagten. Fast möchte man selbst auch eS bedauern, daß solch' friedliche Alpenlandschaften fortan nicht mehr zur Ruhe kommen sollen, daß in ihnen der schrille Pfiff der Dampfpfeift, da» Keuchen der Maschine, da- Rolle» der Wagen sich wird vern«hmen lassen. Und doch muß andererseits anerkannt werden, daß diese- gewaltige W.rk eine Segnung des Frieden- ist, da es schon drei Länder — Italien, Schweiz, deutsche- Reich — friedlich beim Ba» vereinigt, noch mehr aber, wie zu erhoffen, nach der Vol lendung zum friedlichen Verkehr dieser Nationen bettrag« wtrd, sowie, daß dieser neue Verkehrsweg vielen Natur freunden Veranlassung geben wird, die Schönheiten der Gotthardkraße, die uns durch Schiller'- Berglted, wt« durch seine Schilderung im „Teil" geistig so nah« gerückt sind, bis hin tn'S Land, „wo die Citronen blühen", mit eigenen Augen zu schauen und zu bewundern. Zur glücklichen Vollendung diese» Werke- «in herzliche» Glückauf! Tage-schau. Freiberg, 14. Februar. Eine Erhöhung Ker Matrikularbeiträge und eine Anleihe, das ist das einzige Neue, waS unS die Thronrede bietet, und eigentlich ist gerade da» — etwas Altes, denn wenig« Reichstage sind überhaupt ohne dies« Gaben, bei denen e» fich allerdings mehr um das Nehmen al» um da» Gebe« handelt, vorübergegangen. Die Ausgaben find also in den Grenzen gehalten, welche durch da» dringende Bedürfniß vorgezeichnet find, aber von dem Segen eine» U«h«rschüsst- ist, wie ja auch mehrere deutsche Ftnanzminifter schön früher erklärt haben, keine Rede. Erst später sollen die AetchS- stnanzen, etwa in drei Jahren, wie Herr Bitter behauptete, diesen Segen in reichem Maße ausströmen und die Finanzen der Etnzelstaaten von jeglicher Noth befrei««. Dte Thron rede spricht allerdings von einer Fortsetzung der Reform der Finanzgesetzgebung, sie theilt mit, daß der gegenwärtig« Mehrbedarf des Reiche- nur den Zweck habe, den einzelnen Regierungen dte Mittel zu gerechter und wirthschaftlicher Ausgleichung der LandeSsteuern zu geben, aber es ist immer hin charakteristisch, daß fit der bedeutenden Erwartungen, welche doch sowohl Volk als Regierung an dte Aera de- neuen Zolltarifs knüpften, gar nicht gesenkt. Und da zu weilen, was die Thronreven verschweigen, ebenso wichtig ist als das, was sie verkünden, so wird vS fich.rltch auf- fallen müssen, daß überhaupt unserer wirlhschaflUch-n Lag«