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Die wasserabweisende und teilweise auch fäulnishemmende Wirkung des Teers und Pechs wurde in weiteren Bereichen der Wirtschaft und des täglichen Lebens genutzt. Harzprodukte waren die einzigen Mittel, um Holz (Dichäus 1780, S. 46; Pleiner 1961, S. 211; Protz 1965/66, S. 153), Seile und Textilien (Pleiner 1961, S. 211; Protz 1965/66, S. 153; Rajewski 1970, S. 52) oder Leder (Pleiner 1961, S. 211; Hensel 1965, S. 210; Zelenin 1927, S. 192) zu imprägnieren. Indirekt ist auch die Verwendung von Pech für das Kleben von Leder anhand spätmittelalterlicher und neuzeitlicher Fundstellen zu erschließen. Im 15. Jh. wurde eine Halle am Alten Markt in Magdeburg durch die Innung der Gerber, Schuster und Lederhändler genutzt. Aus dieser Zeit stammen tief in den Fußboden einge drungene Teerreste (Nickel 1960, S. 15, 58). Eine der wohl wichtigsten Verwendungsweisen für Teer und Pech lag in der Herstellung von Schmiere 10 , die für jeden Wagen und für jede Maschine mit rei benden Holzteilen notwendig war. Die Qualität der Schmiere und vor allem der Zustand der Wege im Mittelalter machte ein oftmaliges Schmieren notwendig, wenn sich die Holzräder auf den Achsen ohne Schaden bewegen sollten. Die Schmiere konnte man aus Pech und pflanzlichen bzw. tierischen Fetten kochen (Grünn 1960, S. 28). In geschmolzenes Pech gab man Talg (Pleiner 1961, S. 211), Fischtran, Rübs- öl (Hohenstein 1857, S. 232) oder Leinöl (Döbel 1783, S. 72; Krünitz 1808, S. 200; Ficker 1969, S. 219) und verkochte das Gemisch. 11 Die Herstellung der Schmiere erfolgte wahrscheinlich durch die Pechsieder, durch die Verbraucher bzw. durch besondere Schmierenbrenner. Die Schmierenherstellung durch Pechsieder ist im 16. Jh. für Muskau schriftlich belegt, wo die Pechsieder u. a. Wagenschmiere zu zinsen hatten (Boelcke 1969, S. 552). Die Herstellung der Wagenschmiere ist die eigentliche Schmierenbrennerei. Die Übertragung dieser Bezeichnung auf die ge samte Teer- und Pechherstellung hat sich historisch entwickelt, ist aber nicht ge rechtfertigt. Teer und Pech fanden auch Verwendung im Kriegswesen, besonders als Brand sätze (vgL Herrmann 1974, S. 174). V. Birringuccio (1925, S. 516 ff., Abb. 84) beschreibt für das 16. Jh. entsprechende Beispiele (Abb. 1). Neben Brandbomben waren aber auch pechgetränkte Brandpfeile gebräuchlich. Siedendes Pech bei Bela gerungen auf die Angreifer gegossen, stellte eine sehr wirksame Waffe dar. Im Jahr 1458 kaufte die Stadt Görlitz für vier Schock Pech zu Verteidigungszwecken (CDL VI, S. 13; Boelcke 1969, S. 552). Thietmar von Merseburg (III, 23) erwähnt im Zusammenhang mit der Schlacht am Kap Colonne im Jahre 982, daß der Kaiser Schiffe hatte, die nur durch Essig löschbares Feuer an Bord hatten. Hierbei handelt es sich wahrscheinlich um grie chisches Feuer, das zu großen Teilen aus Pech bestand. Dieser Brennstoff wurde 10 Relativ oft wird in der Literatur die Schmierung mit Teer erwähnt. Ohne entsprechende Verar beitung des Teers dürfte eher der umgekehrte Effekt erreicht werden. 11 Da es bisher noch nicht ohne Probleme möglich ist, über die Infrarotspektroskopie Schmiere von Pech zu unterscheiden, bleibt die Notwendigkeit, Proben von eindeutigen Fundstücken zu unter suchen, wie beispielsweise die Schmiere aus dem Festungsgraben von Peitz, Kr. Cottbus, und die Schmiere vom Glockenbalken der Wüsten Kirche von Drehna, Kr. Luckau, beide 16. Jh.