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Es soll hier nicht der Eindruck erweckt werden, daß alle schnurkeramischen Gräber auf dem Schafberg von Grab hügeln überdeckt gewesen sind. Analog zu nachgewiesenen Befunden in anderen Gebieten der Lausitz 38 wird man zwi schen den Hügeln Flachgräber annehmen dürfen. Dies wird am ehesten für die Gräbergruppe (Nr. 4, 8, 10, 11) rund um den ehemaligen Hügel Nr. 7 zutreffen. Aber auch andere nahe beieinander liegende Gräbergruppen (z. B. Nr. 12, 16, 33) könnten so gedeutet werden. Ob sich die vermutete Verbin dung „Männerbestattungen als Hügelgräber - Frauenbestat tungen als Flachgräber“ bestätigen läßt 39 , muß bezweifelt werden In den gegrabenen Flächen sind darüber hinaus außerge wöhnlich viele schnurkeramische Einzelfunde hinzugekom men. Viele davon dürften Zeremonien am Grab und nicht unbedingt ein eigenständiges, zerstörtes Grab bezeugen. Dies betrifft insbesondere die immer noch seltenen Belege von Topfresten mit Wellenleiste (Nr. 7, 26), die in der Regel nicht als Beigabe auftauchen 40 . Allerdings sind Zerstörungen von schnurkeramischen Gräbern in der Urnenfelder- und Früheisenzeit nicht auszuschließen, was z. B. die Störung von Grab Nr. 16 durch spätbronzezeitliche Gräber anschaulich zeigt. Hinzuweisen ist weiterhin auf den Kreisgraben von Qu. F/1966, Fst. 105 (Fundkat. Nr. 30), in dessen Zentrum kein Grab nachgewiesen werden konnte. Analog zu auswär tigen Befunden wird man ein solches annehmen dürfen, es wird jedoch als Bodengrab oder gar erst in der Hügelschüt tung angelegt gewesen sein, so daß es mit dem Abtragen des Hügels zerstört wurde. Auch aus diesem Grund kann man weitere Gräber mit zerstörten Hügeln erschließen. Somit stellt die abgesicherte Anzahl von 16 Gräbern und zehn Hügeln nur die unterste Grenze schnurkeramischer Bestattungen auf dem Schafberg dar. Bei vorsichtiger Schätzung kann rund die dreifache Zahl von Gräbern angenommen werden. Schnurkeramische Bestattungen scheinen nicht nur auf dem „Berg“ selbst angelegt gewesen zu sein. Auch von sei nen Rändern liegen einige Altfunde vor, die man wegen der Erhaltung der Gefäße als zerstörte Gräber anzusprechen hat. Darunter fallen die Funde aus den beiden Kiesgruben nörd lich und südlich des Schafberges und jene Funde, deren Her kunft mit der Fundortangabe Niederkaina oder Nadelwitz nicht näher zu lokalisieren ist. Betrachtet man eingehender die Verteilung aller lokalisier baren schnurkeramischen Funde des Schafberges und sei ner Ränder fallen drei Aspekte auf: Zum einen nehmen die meisten schnurkeramischen Gräber die Scheitelposition ent lang des Schafbergkammes ein. Dies ist sicher kein Zufall, sondern die exponierte Lage wurde bewußt gewählt. Analo gien zu einem solchen Verhalten sind aus der Schnurkeramik seit langem bekannt 41 . Der zweite Punkt dürfte ebenso keinen Zufall darstellen: Die Hügel und jetzigen Flachgräber vertei len sich vielfach neben dem alten Verbindungsweg über dem Schafbergkamm von Niederkaina im Norden nach Nadelwitz im Süden. Es hat den Anschein, als ob dieser Weg bereits in prähistorischer Zeit angelegt war und die Bestattungen darauf Bezug nehmen (Abb. 15). Auch hierzu gibt es Par allelen aus anderen Regionen des Verbreitungsgebietes der Schnurkeramik 42 . Darüber hinaus zeigt die Lokalisierung der sechs Gräber mit Steinäxten nachdrücklich den Bezug entlang des jetzt abgetragenen Weges und legt somit eine wohlüberlegte Standortwahl nahe. Zudem bilden sie eine eng beieinander liegende Gruppe im zentralen Gräberfeld areal. Der dritte hervorzuhebende Aspekt betrifft die offen sichtliche Gruppenbildung schnurkeramischer Hügel- und Grabfunde. Innerhalb der Grabungsflächen wurde schon auf zwei solcher Gruppen hingewiesen. Weitere ließen sich unter Hinzufügung der Einzelfunde zu den bekannten Gräbern postulieren. Daneben zeigen die erhaltenen Grabhügel in vier Fällen eine augenscheinliche Zweierbildung, wobei zu meist ein offensichtlich kleinerer Hügel nahe neben einem größeren angelegt wurde. Das typische Totenritual der Schnurkeramik ist sehr gut erforscht 43 . Gleiches gilt für die Untersuchung der Totenbe handlung der Lausitzer Regionalgruppe, so daß an dieser Stelle nur die Besonderheiten der Schafberger Gräber und Widersprüche in der Forschung anzusprechen sind. 38 Siehe für gesicherte Flachgräber: G. Wetzel, Die Schnurkeramik in der Oberlausitz und Niederlausitz. In: M. Buchvaldek (Red.), Die kontinentaleuropäischen Gruppen der Kultur mit Schnurkeramik. Schnurkeramik-Symposium 1990 (Praha 1992) 43-55 bes. 47; E. Böhnisch, Die urgeschichtliche Besiedlung am Niederlausitzer Landrücken. Untersuchungen am Oberlauf der Kzschischoka (Pots dam 1996) 54 ff. 39 Böhnisch (Anm. 38) 55. 40 Heyd (Anm. 10,1998) 11. - Jüngst dazu B. Stapel, Heinersbrück 8, Landkreis Spree-Neiße. Die spätneolithisch-frühbronzezeitliche Besiedlung der Malxeniederung. Ausgr. Niederlausitzer Braunkohlen revier 1997, 21-26; vgl. für Süddeutschland die Zusammenstellung von R. Krautwurst, Einige „bronzezeitliche“ und „urnenfelderzeitliche“ Funde im Nürnberger Land: Schnurkeramische Wellenleistentöpfe. Arch. Korrbl. 29, 1999, 325-334; für Böhmen neuerdings mit anhal tender Diskussion über Siedlungsfunde und Siedlungswesen der Schnurkeramik: V. Matousek/J. Turek, Nälez nädoby sidlistniho typu snürove keramiky z Vrchu Bacina, k. ü. Vinarice, okr. Beroun. Arch. Rozhledy 50,1998, 359-374; J. ProstfednfkA/. Vokolek, Doplky k sou- pisu sidlistnich nälezü kultury se snürove keramikou v Cechäch. Arch. Rozhledy 50,1998, 375-379; M. Buchvaldek, K diskusi o si'dlisti'ch se snürove keramikou. Arch. Rozhledy 51, 1999, 388-391. 41 Wetzel (Anm. 38) 46. 42 J.A. Bakker, Prehistoric long-distance Roads in North-West Europe. In: J. Lichardus (Hrsg.), Die Kupferzeit als historische Epo che. Symposium Saarbrücken und Otzenhausen 6.-13.1.1988 (Bonn 1991) 505-528. 43 U. Fischer, Die Gräber der Steinzeit im Saalegebiet (Berlin 1956); M. Buchvaldek, Die Schnurkeramik in Böhmen (Praha 1967); M. Primas, Untersuchungen zu den Bestattungssitten der ausge henden Kupfer- und frühen Bronzezeit. Ber. RGK 58, 1977, 1-160; A. Häusler, Grab-und Bestattungssitten des Neolithikums und der frühen Bronzezeit in Mitteleuropa. Zeitschr. Arch. 28, 1994, 23-61 bes. 50 ff.