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Es kann jedoch ohne eingehende anthropologische Bestim mungen nicht entschieden werden, ob ein weiteres, vielleicht kindliches oder nichterwachsenes Individuum mit in der Urne beigesetzt wurde. Diese zwei weiteren „Klappergräber“ aus Niederkaina können somit keine Lösung zur Problematik der Tonklapper und deren Funktion liefern. In beiden Quartieren gehen die einfachen und „ärmlich“ ausgestatteten Gräber kontinuierlich und ohne erkennbare Abstufungen in aufwendigere Grabstellen über. In der Regel korrelieren dabei Grabanlage und Anzahl der Gefäß- bzw. Metallausstattung. In bezug auf die Grabsitte bestimmen nun zwei besondere Grabtypen das Bild. Zum einen sind es mit den Langseiten zumeist west-ost-hauptorientierte, mehr oder weniger kompakt-rechteckige Gefäßsetzungen, die von kammerartigen Steineinfassungen („Langkammergräber“) umgeben und mit Platten abgedeckt sein können. Mit ihren z.T. gepflasterten Sohlen erreichen sie Tiefen bis 85 cm unter der Oberfläche. Vielfach sind darin Mehrfachbestat tungen mit zwei oder drei Urnen und vielen, bis zu 20 Beiga bengefäßen untergebracht, nicht selten finden sich in den Urnen dieser Gräber Bronzeschmuck. Für diesen Grabtyp dürfte generell auch Holz als Baumaterial Verwendung ge funden haben, wie die jüngst gegrabenen, zwar zeitlich in die folgende Späturnenfelderzeit zu datierenden Beispiele mit absichtlich ausgebrannter Kammer aus der Niederlausitz’ 5 sowie Unterlegsteine und die Steinreihen- und Gefäßanord nungen entlang imaginärer Wandlinien in Niederkaina zei gen. Der andere Grabtyp ist deutlich flacher angelegt und daher vielfach durch oberflächennahe Zerstörungen beein trächtigt. Es handelt sich um flächige Steinplattenpflasterun gen mit aufliegenden, zumeist zerwühlten Steinbrocken bzw. um solche Steinbrockenlagen. Ihre Ausdehnung kann bis zu 3 oder 4 m 2 erreichen. Schon in den vorgelegten Quartie ren der ersten drei Niederkaina-Bänden kommen beide Grabtypen gehäuft vor (Abb. 4). Sie setzen sich in den nörd lich anschließenden Quartieren V/1952 und VI/1953 fort, dort auffällig getrennt mit Langkammergräbern hauptsäch lich im Westen und Steinflächengräber besonders in den Ostteilen. In Quartier III liegen kompakt-kammerartige, steingefaßte Gefäßsetzungen mit den Gräbern 111/38, III/39, III/50, 111/53 und, wegen Zerwühlungen nur bedingt zuweisbar, 111/18, 111/31 und III/36 vor. Aus Quartierteil IV kommen die Gräber IV/8, IV/10 und IV/16 hinzu. Die am reichsten ausgestatte ten Bestattungen sind dabei die nicht weit voneinander ent fernten Gräber 111/39, III/50 und 111/53 sowie Grab IV/8, das wiederum mit Grab IV/10 und zwei weiteren benachbarten Gräbern ebenfalls eine lokale Gruppe bildet. Bedingt durch seine Größe, Eintiefung und Steinverkleidung dürfte auch Grab 111/31 zu den genannten zu rechnen sein, wäre es nicht durch eine fast vollständige Ausraubung sowie an schließender Ausbrennung der Kammer absichtlich zerstört worden. Beispielhaft können innerer Aufbau und Gefäßan ordnungen eines solchen Langkammergrabes der Nieder- kainaer Jungurnenfelderzeit über das dreifache Urnengrab Qu. 111/1950, Grab 39 (Nr. 278), dargestellt werden (Abb. 5). Innerhalb der in 55 cm Tiefe angelegten kompakt rechtecki gen Gefäßsetzung, die die 95x45-55 cm große und nord- west-südost-orientierte, partiell steinplattengeschützte Kam mer wiedergibt, nimmt die große Urne die gesamte Nord westhälfte ein. Diese Bestattung ist nicht nur durch ihre Größe, sondern auch durch eine absichtlich zerbrochene Steinaxt ausgezeichnet, die zwar neben die Urne, aber noch unter die Deckschale gelegt wurde. Zwei weitere Bestattun gen in kleineren Urnen schließen hintereinander nach Süd osten an. Aufgrund der kompakten Gefäßsetzung müssen sie gleichzeitig mit der großen Urne eingebracht worden sein und scheinen auf sie Bezug zu nehmen. Durch auf den Lei chenbrand gelegten Bronzeschmuck und Objekte mit Amu lettcharakter sind sie ebenfalls ausgezeichnet. Die insge samt 14 Beigabengefäße schließen ebenso alle nach Süd westen an, sind z.T. übereinandergestapelt und füllen die Kammer komplett aus. In anderen Gräbern mit diesem Grab bau und dieser Ausstattung sind sie mitunter kopfüber in das Grab gestellt 15 16 . Auffallend ist die Variationsbreite der Gefäßformen, so daß kein gleiches Gefäß in mehrfacher Ausführung vorkommt. Nicht nur damit unterscheidet sich dieses kompakte jung bronzezeitliche Ausstattungsschema deutlich von dem der reicheren Gräber der Niederlausitzer Jüngstbronzezeit, wie es E. Böhnisch schon vor Jahren herausgearbeitet hat 17 oder wie es für die jetzt neu vorgelegten, in etwa zeitgleichen Grä bern aus dem sächsischen Liebersee, Lkr. Torgau-Oschatz, nochmals ausführlich dargestellt wird 18 . Hinzu tritt das weit gehende Fehlen von sekundären Brandspuren auf der Kera mik sowie das noch seltene „Scherbenmachen“ am Grab, wie es dann als regelrechte Scherbenpackungen typisch für die Quadrat- und Langkammergräber der Spätzeit wird. Daß letz tere Sitte hier schon in Ansätzen Einzug gehalten hat, zeigen Grab 111/53, bei dem aber nur Gefäß Nr. 19 als eine Art Scher benpackung weit über der eigentlichen Bestattung aufgefun den wurde, und vor allem Grab IV/8. Dieses Grab ist min destens in den Übergang zur Späturnenfelderzeit zu setzen, so daß das „Scherbenmachen“ über und östlich der Urne nicht zu überraschen braucht, auch wenn aufgrund teilweise fehlender Dokumentation für dieses interessante Grab die genauen Lagen und Anordnungen der Scherben nicht mehr 15 Saalhausen 3, Oberspreewald-Lausitz-Kreis: Böhnisch (Anm. 9). 16 Vgl. Grab 111/53 hier oder das ähnliche Grab aus Quartier V, Grab 8/März 1950 (Nr. 225): Heyd (Anm. 10, 1998) 163-168 Taf. 40-41. 17 E. Böhnisch, Jüngstbronzezeitliche Gräber von Saalhausen, Kr. Senftenberg, mit einheitlichem Prinzip der Beigabenausstattung. Ver- öff. Mus. Ur- u. Frühgesch. Potsdam 20, 1986, 119-131. 18 Bemmann/Ender (Anm. 14) 87ff.