Volltext Seite (XML)
Grab 111/11 und III/25) auf, die über das Bekannte der umge benden älteren Gräber hinausreichen. Ob für alle drei Gräber das Quartier III auch wirklich der Platz ist, an dem sie primär niedergelegt sind oder ob sie in einem sekundären, sicherlich rituell zu verstehenden Prozeß hier „wiederbestattet“ wurden, kann nur spekuliert werden. Zumindest für das vermischte Inventar von Grab (?) 111/25 kann dies vermutet werden. In den Übergang zur Früheisenzeit 10 oder bereits gänzlich als billendorfzeitlich anzusehen, sind die Gräber III/9 und lll/29a. Damit bilden sie, relativ weit entfernt vom geschlos senen Bestattungsareal, die nördlichsten Belege früheisen zeitlicher Gräberfeldbelegung in den Grabungsflächen des Jahres 1950. Grab lll/29a ist vorsichtig zu beurteilen, da die Bestattung ursprünglich nicht als solche erkannt wurde und sich zudem einige Ungereimtheiten in der Dokumentation ergeben haben. Auch wenn daher an der Geschlossenheit Zweifel bestehen, ist an der Lokalisierung in Fläche 5 von Quartier III nicht zu zweifeln, da alle Herkunftshinweise ein deutig sind. Demgegenüber beschreiben die keramischen Formen und Verzierungen ein klassisches früh-Billendorfer Inventar, das man im Gräberfeld eigentlich viel weiter südlich erwartet. Von daher könnte eine Interpretation als nicht primär niedergelegtes Grab zutreffend sein. Bei den vielfältigen inten- tionellen Eingriffen, Beraubungen und Störungen, die durch die ausgezeichnete Grabungsdokumentation offensichtlich werden, ist es möglich, daß ein weiter im Süden geplün dertes Grabinventar - wegen der Reichhaltigkeit ein größe res Kammergrab - aus rituellen Gründen an anderer Stelle wieder beigesetzt werden mußte. Demgegenüber scheint Grab III/9 für den Übergangs bereich Spätbronze-/Früheisenzeit eher gesichert, was die Fransenverzierung der Urne zusammen mit Kriterien der Ge fäßform und der Herstellungstechnik nahelegt. Dieses sehr einfache Grab lag nahe der schnurkeramischen Bestattung III/7, der man gerne eine erhaltene oberirdische Kennzeich nung noch in der Spätbronze- und Früheisenzeit zugeste hen möchte. Von daher könnte dieser räumliche Bezug für die Anlage eines Grabes dieser Zeitstellung weit außer halb ihres eigentlichen Belegungsgebietes verantwortlich sein. Einen früheisenzeitlichen Anteil besitzt schließlich Grab 111/41 a, jedoch ist hierbei die spätere Fehlzuweisung von drei Gefäßen zu einem ansonsten jungurnenfelderzeit lichen Inventar offensichtlich, so daß dem Befund an dieser Stelle keine weitere Beachtung zu schenken ist. Alle übrigen hier katalogisierten Gräber gehören der Jung urnenfelderzeit an. Die meisten Gräber dieser Zeit sind gestört, sei es durch die Pflugtätigkeit infolge zu geringer Eintiefung oder sei es durch offensichtlich intentionelle Ein griffe. Es hat sogar den Anschein, daß sich solche Eingriffe in die Grabruhe wie ein roter Faden durch die spätbronze zeitliche Belegung ziehen, und diese Sitte sich als regelhafter Bestandteil des Totenrituals darstellt 11 . Daneben sind bedenk lich viele Gefäße in den letzten 50 Jahren verschollen oder durch Fehlzuweisungen dezimiert. Soweit erhalten, gehört die Masse der Gräber einer ein fachen Grabsitten- und Ausstattungsgruppe an, für die Urne und Deckschale und in vielen Fällen ein oder zwei kleinere Beigabengefäße typisch ist. Dabei liegt die Bestattung in einer einfachen Grube, die selten von einem geringen Steinschutz umgeben (z. B. III/54) oder abgedeckt (z. B. 111/4) sein kann. Im Fall von Grab 111/44 wurde die Urne auf eine Steinplatte als Unterlage abgestellt. Daß ein solch einfaches Grab auch durch besondere Beigaben ausgezeichnet sein kann, ohne daß die Hintergründe dazu ersichtlich wären, zeigt am ein leuchtendsten Grab III/24 mit zwei in der Urne deponierten Bronzepfeilspitzen. Auch wenn im Grab einiges infolge zu geringer Eintiefung zerstört ist, dürfte es ursprünglich kein reich mit Keramikgefäßen ausgestatteter Fund gewesen sein. Dagegen ist ein größerer Steinschutz hier durchaus vorhan den gewesen 12 . Eines dieser einfachen Gräber, Grab III/52, zeichnet sich durch eine weitere Besonderheit aus: Wie das etwas besser mit Beigaben ausgestattete Grab III/20 besitzt auffälligerweise die als Deckschale dienende Henkelschale ein „Seelenloch“, während auf der Urne ein solches nicht vor kommt. Weitere Beispiele von solchen nachträglichen Durchlochun gen - überhaupt gehören diese jungurnenfelderzeitlichen Gräber zu den frühesten Beispielen, bei denen man diese Sitte beobachten kann, die sich in der Folge auf dem Gräber feld und regional bis weit in die Hallstattzeit erhält - finden sich auf der unteren Wandung der zweiten, kleineren Urne (Bestattung 2) des benachbarten reicheren Grabes III/53 sowie auf den Urnen der ebenfalls nicht weit voneinander entfernten Gräber IV/1 (auch untere Wandung) und IV/3 (zen traler Boden). Handelt es sich bei diesen Fällen nach vor läufiger Sichtung der Leichenbrände eher nicht um Kinder oder „Nichterwachsenen“-Gräber, findet sich dagegen mit den Urnen, die intentionell zumeist am Halsansatz abgekappt und/oder deren Henkel absichtlich vor der Beisetzung ab geschlagen sind, soweit nachprüfbar eher der Bezug zu Kin der- oder „Nichterwachsenen“-Bestattungen 13 . Mit den hier vorgelegten Gräbern liegt diese besondere Sitte, deren Aus- 10 W. Kropf, Die Billendorfer Kultur auf Grund der Grabfunde (Leip zig 1938) 173ff.; V. Heyd, Das prähistorische Gräberfeld von Nieder kaina bei Bautzen. Bd. 3 (Stuttgart 1998) 16ff.; ders., Das große Grä berfeld auf dem Schafberg von Niederkaina. Eine Bestandsaufnahme 50 Jahre nach Grabungsbeginn (Teil 1: Von den Anfängen bis zum Ende der Bronzezeit). Veröff. Mus. Westlausitz Kamenz 21, 1999 (im Druck). 11 Böhnisch (Anm. 9) 113 ff. 12 Leider ist der Rest eines Bronzemessers aus dem ebenfalls ein fachen Grab III/44 eher auf eine Fehlzuweisung zurückzuführen, so daß es hier nicht neben das Pfeilspitzengrab gestellt werden kann. 13 „Unvollendetes Leben - verstümmelte kleine Urne“: Coblenz/ Nebelsick (Anm. 7) 22.