AFD Beiheft 17 Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte II Berlin 1982 S. 79-86 ZUR DISKUSSION ÜBER DIE KLEIDUNG DER SLAWEN IM FRÜHEN MITTELALTER Von Witold Hensel, Warszawa Feststellungen über die Kleidung der frühen Slawen gehören - trotz des Scheins - nicht zu den leichten Fragen. Wir verfügen zwar über eine nicht geringe Anzahl von Quellen, aber sie weisen in verschiedenen Punkten Lücken auf, die es erschweren, stattgefundenc Wandlungen in der Kleidung, insbesondere während des Frühmittel alters, zu verstehen. Die Schwierigkeiten sind vor allem mit der Tatsache eines ge wissen Lakonismus der schriftlichen Quellen sowie mit dem Fehlen entsprechend alter ikonographischer Denkmäler verbunden. Diese Lücken beginnen neue, im Laufe von archäologischen Forschungen zutage geförderte ikonographische Quellen immer mehr zu füllen. 1 Sie bestätigen einige bisherige Vorstellungen von der grund sätzlichen Einheitlichkeit der frühen slawischen Kleidung und sprechen gleichzeitig dafür, daß sich gewisse Unterschiede ziemlich früh herausgebildet haben. Wenn wir die reichere Kleidung außer acht lassen, machte sich dieser Prozeß in der unterschied lichen Länge der Unterhemden (Kittel) sowie in dem verschiedenartigen Schnitt der Hosen (Unterhosen) sowie der Schuhe bemerkbar. Aufgrund eines der in Mikulcice gefundenen Gürtelenden (Abb. 1) können wir sagen, daß im 9. Jh. u. a. enge Hosen mit einem lose darüber fallenden Unterhemd (Kittel) getragen wurden. Dieses war mitunter anscheinend in der Taille nicht ge bunden. Das auf dem erwähnten Fund dargestellte Unterhemd gehörte zu den bis unterhalb der Knie reichenden Formen. Von derselben Länge war der auf einem der in das 9.-10. Jh. datierten kleinen Kreuze aus Mikulcice dargestellte Kittel (Abb. 2). Er wurde jedoch auf eine andere Art getragen. Er wurde nämlich in der Taille mit einem Gürtel gebunden. Auf diese Weise legte sich der untere Hemdteil in Falten. In verschiedenen Fällen stellt sich das Aussehen der Kleidung scheinbar nicht so selbstverständlich dar wie in dem oben angeführten. Eine nähere Analyse erlaubt jedoch, eine entsprechende Lösung zu finden. Z. Klanica 2 hat unlängst ein bereits 1933 in Moravsky Jan gefundenes bronzenes 1 W. Hensel, Slowianszczyzna wczesnosrcdniowieczna. 3. Aufl, Warszawa 1965, S. 472 ff., wo wich tigere ältere Fachliteratur angegeben wird. Siehe auch J. Herrmann (Hrsg.), Die Slawen in Deutsch land - Geschichte und Kultur der slawischen Stämme westlich von Oder und Neiße vom 6. bis 12. Jahrhundert. Berlin 1970, S. 233 ff. 2 Z. Klanica, Velkomoravsky gombik. In: Archeol. rozhledy 22, 1970, S. 426 u. 5 Abb. auf S. 428. Es ist zu bedauern, daß sich der Autor ganz und gar nicht in der polnischen Fachliteratur orientiert 79