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- ——- u - BerzerM^E und Tageblatt. Amtsblatt für die Mgliche« und städttschen Behörde» zu Freiberz u«d Braud. Verantwortlicher Redakteur Iulius Brauu iu Freiberg. l ' .. — 20. ZkhraLUL. —»»" » - . I > „,.M, Erscheint jeden Wixhentag Abends ü Uhr für dm Inserate werden bis PsrmittaaS 11 Uhr angenom- W > Donnerstag, den 28. Nidtmikr. «""»L^'LrikKS""'«^ ! 1878. Avouuemeuts auf dm ^i,Letx«r" für den Monat WM' Dezember werde« von sämmtlichen Postaustaltm wie vo« der unterzeichneteu Expedition und de« bekannten Aus gabestellen iu Freiberg uud Braud zum Preise vo« 75 Pfennige angenommen. ^Xplllillion äs8 „fnsibsngvi- ^nrvigki'." Geaconsfiet- und seine Plane. „Es ist eine löse Suppe, welche das Kabinet Beacons field sich eingebrockt und die es nun ausessen muh. Die Politik der Machtkonkurrenz mit Ruhland hat nach einigen glücklichen Schachzügen sich zu einem weniger geschickten verleiten lassen, den man vergebens rückgängig zu machen suchte. Die Gefechte zwischen Engländern und Afghanen sind nur als ein Vorspiel des Entschsidungskampfes anzu sehen, der zwischen den zwei in Asien dominirenden Mächten — Großbritannien und Rußland — unausbleiblich ist." So ungefähr urtheilt ein großer Theil der deutschen Presse über den jetzt ausgebrochenen afghanischen Krieg. Wir wollen dem nicht widerstreiten, beurtheilen aber die Sache doch noch von einer anderen Seite. Lord Beaconsfield hat keinen gewöhnlichen staatsmännischen Ehrgeiz; für einen Engländer besitzt er sogar mehr davon, als sich in den Augen vieler seiner Landsleute rechtfertigt. Der ehe malige Sir Benjamin Disraeli geht auf große Thaten aus und wenn er auch der britischen Politik getreu bleibt, die sich überall, wo sie im Trüben fischen konnte, in die Völkerhändel mischte, so kommt es ihm doch darauf an, auch neue staatsmännische Bahnen dabei einzuschlagen. Aus dem spinnenden, intriguirenden V rhalten ist die eng lische Politik neuerdings so aktionslustig hervorgebrochen wie unter dem alten Lord Feuerbrand Palmerston. Der Krieg mit Afghanistan ist offenbar keine Improvisation, etwa wie es der gegen den König von Abessinien gewesen- Er ist, wie auch die jetzt vorgelegte Darstellung von den Ursachen des Konflikts mit dem Emir beweist, längst in Sicht genommen worden. Daß er überdem nicht ein bloßer Lokal- und Genugthuungskrieg ist, wird allerdings Niemand verkennen, der die Lage Afghanistans zwischen dem indisch britischen und dem russisch-asiatischen Reiche und dabei die eifersüchtige Spannung dieser beiden Mächte in Erwägung zieht. Er ist wahrscheinlich, wie oben angedeutet, nur ein Vorspiel zu einer schwereren Verwicklung, wie es der serbisch- türkische Krieg für den letzten russischen gewesen. Unter solchen Umständen ist erkenntlich, daß Lord Beaconsfield einen systematischen Plan in der indischen Politik verfolgt hat, der offenbar aus den orientalischen Wirren sich entwickelte. In bestimmter und tmponirender Art wollte der britische Premier Stellung dazu nehmen, sowohl gegen die Türkei wie noch bestimmter gegen Ruß land. Die Erhebung der Königin Victoria zur Kaiserin von Indien gewinnt damit die Bedeutung einer politischen That und sie ist um so einflußreicher auf die ganzen briti schen Verhältnisse, als die indische Kaiserin eine absolute Herrscherin ist, die nach der konstitutionellen Königin von Großbritannien und England manchmal gar nicht zu fragen braucht. Im vorliegenden Falle wird dies deutlich und durchaus nicht zur Freude der Engländer vor Augen ge führt. Lord Beaconsfield hat als Konservativer mittelst einer anderen, als der gewöhnlichen Behandlung auswärtiger Politik zugleich eine innere Umwandlung der englischen Verhältnisse verfolgt und so geschickt er dies besorgte, so wenig segensvoll mag dies für sein Vaterland werden. Indem er ein -absolutes und großmächtiges Kaiserthum für das englische Königshaus schuf, unterstellte er tatsächlich das konstitutionelle Mutterland demselben und es bedarf nur toryistischer Kunst und souveräner Absichten, um mehr und mehr das konstitutionelle Königthum gegen das absolute Kaiserthum zurücktreten zu lassen. In inneren Fragen, in innerer Politik, ist dies freilich nicht möglich. England und Indien haben in ihrer Gesetzgebung nichts mit einander gemein. Was die Kaiserin für Indien anordnet, hat für England, wo Alles durch das Parlament geschieht, nichts zu bedeuten. Aber anders ist dies mit der auswärtigen Politik und Beaconsfield bricht da Bahnen, die sich denn doch sehr verhängnißvoll für den englischen KonstitutionalismuS erweisen könnten. Mit gröblicherer Nichtachtung von Parlament und öffent licher Meinung ist niemals ein englischer Krieg ins Weik gesetzt worden, seit dem das Haus Stuart nicht mehr über die britischen Lande herrscht. Beaconsfield hat mit einer fast fieberhaft erscheinenden Ungeduld diesen afghanischen Eroberungszug unternehmen lassen, der nicht blos die Grenzen des indischen Reiches erweitern und Rußland in seiner asiatischen Position bedrohen soll, sondern der vielleicht noch mehr als ein Mittel zu dienen bestimmt ist, dem englischen Königthum mit der kaiserlichen Oberkrone die totale Abhängigkeit vom heimischen Parlament, größere Machtvollkommenheit und absolutere Gewalt in auswärtigen Fragen zu verschaffen. In allen solchen läßt man einfach das indische Kaiserthum handeln und Thatsachm schaffen, denen dann das konstitutionelle Königthum mit sammt dem Parlament gegenüberstcht, ohne sie so leicht wieder rück gängig machen zu können. Der Krieg mit Afghanistan ist ein Versuch mit dieser neuen Toiypolitik; das Verwenden indischer Truppen auf Cypern und im Nothfall gegen Rußland in der Türkei war eine recht wohlgelungeue Vor studie dazu. Jetzt führt die Kaiserin von Indien die britische Kriegspolitik, die Königin von "England läßt sich dies gefallen und das englische Parlament kann vorläufig nichts daran ändern und — hat der Krieg Erfolg — wird es sich vor den Thatsachen beugen. In solcher Art bedarf cs nur einer Erschlaffung der englischen Parlamentskraft, um auch dort den Konstitu- tionalismus der modernen Schule näher zu bringen, wie sie in Deutschland die Herrschaft erhalten hat. Vielleicht richtete sich Lord Beaconsfield nach dem Meister derselben und fand es für möglich, dem britischen Parlamentarismus zu Gunsten der Regierungsmacht eine mehr zeitgemäße Reform abzunöthigen. Wie bei uns die oppositionellen Parteien verhältnißmäßig leicht zu einer politischen Macht losigkeit herabgcdrückt wurden, so könnte in England ein erstarkendes Torythum die Whigs am Ende auch an die Wand drücken. Freilich würde es sonderbar genug sein, daß Deutschland derartig ein konstitutionelles Vorbild für Alt-England abge geben hätte und auch jenseits des Kanals vor der Erfolg politik Alles in Schweigen und Ergebenheit versinke- Beaconsfield experimentirt aber offenbar nach dieser Richtung hin in der Auffassung, daß auswärtige Erfolge auf die eigene Nation ebenso unwiderstehlich wirken werden wie anderwärts. Nahe liegt dann aber auch der Schluß, daß eine kaiserlich-indische Politik immer gern auslugen wird, wo sie auf Abenteuer, Unternehmungen, Eroberungen aus gehen kann, um mit neuen Erfolgen sich einen roebss äo brones gegen den veraltenden und hinfälligen Parlamen tarismus zu schaffen. Tagesschau. Freiberg, 27. November. Angebliche Mittheilungen aus Wiesbaden wollen wissen, daß die Aerzte wieder bezüglich der Rückkehr des Kaisers nach Berlin und der Wiederaufnahme der Negierungs- geschäfte Bedenken äußern. Die „Post" kann versichern, daß diese Nachrichten irrthümlich find. Die Beschlüsse wegen der Rückkehr des Kaisers und der Wiederaufnahme >er Regierungsgeschäfte find in voller Uebereinstimmung der setreffenden Stellen und ohne ärztlichen Widerspruch ge atzt und ihre Ausführung ist von allen Seiten vorbereitet worden. Die Reichs-Kommission für das Sozialistengesetz hat gestern unter Vorsitz des Grafen Eulenburg ihre erste geschäftliche Sitzung gehalten, in welcher eS sich nicht bloS um Vertheilung der eingegangenen Beschwerden unter die bezüglichen Strafarten handelte; vielmehr lag bereits eine Anzahl solcher Beschwerden zur Aburtheilung vor. Das preußische Abgeordnetenhaus beschäftigte sich gestern mit einer Interpellation (Schorlemer-Alst), welche die Wiederherstellung der Wuchergesetze befürwortet. Der Interpellant hofft, die Regierung werde seine Ansicht theiien und bei dem Bundesrath vorgehen, andernfalls würde er bei dem Reichstage seine Anträge einbringen. Der Justizminister Leonhardt erklärte, die Regierung könne die gestellten Anfragen zu ihrem Bedauern präzise weder bejahen noch verneinen. Bestimmte Antworten erheischten große Vorarbeiten und Untersuchungen; die Regierung ver kenne keineswegs die Bedeutung und die Wichtigkeit der gestellten Fragen, sie werde denselben nach wie vor ihr lebhaftes Interesse zuwenden. In einer hieran sich knü pfenden längeren Debatte tadelte man, daß die Negierung sich zu reiervirt ausgesprochen habe. Darauf antwortete der Minister: Sie dürfen aus meiner Erklärung keine Schlüffe ziehen, sie ist ganz indifferent und soll?s sein. Die Negierung hätte die Interpellation, deren Gegenstand die Nsichsgesetzgebung betrifft, ablehnen können, sie that das aber nicht, um dem Verdacht zu entgehen, sie habe für die Sache kein Interesse. Wenn sie antwortete, konnte sie es nur in der geschehenen Weise, da dis erforderlichen Prüfungen noch nicht vorgenommen worden sind, zumal bislang weder im Justiz- noch im Handelsministerium der geringste Anlaß dazu, noch irgend eine Beschwerde oder ein Antrag vorlag. — Damit wurde die Sache verlassen. Ein neuer Unglücksfall zur See hat wieder zahl reiche Menschenleben zum Opfer gefordert. In der Nacht zum 26. d. stieß der der Hamburg-Amerikanischen Packet- fahrtaktiengesellschaft gehörige Postdampfer „Pommerania" unweit Folkestone mit einem anderen Schiff zusammen. Die „Pommerania" sank nach zehn Minuten; 172 Personen von den Passagieren und der Schiffsmannschaft wurden gerettet, fünfzig, darunter der Kapitän, der zweite und dritte Schiffsoffizier, sind ertrunken. Die Geretteten sind in Dower angekommen. Der Kapitän der „Pommerania", Schwensen, hatte erst vor wenigen Wochen die 125. Fahrt zurückgelegt, also 250 Mal den Ozean glücklich durchfurcht, und zwar ohne jeden Unglücksfall, aus welcher Veran lassung ihm zu Ehren in New-Jork ein Fest veranstaltet wurde. Die bei dieser Gelegenheit geäußerten Wünsche, daß Kapitän Schwensen noch lange in ungeschwächter Rüstigkeit und Gesundheit dem Dienste der Gesellschaft, dessen Zierde er sei, erhalten bleibe und daß auch seine ferneren Reisen von dem bisherigen Glück und Segen be gleitet sein möchten, sind leider also nicht in Erfüllung gegangen. Der österreichische Reichskanzler ist durch den Herbst'-- scheu Antrag in eine sehr peinliche Lage gekommen, auS der ihn selbst die dem Herrenhause angehörigen Delegations- Mitglieder nicht befreien werden. Letztere hatten gestern eine Besprechung, in welcher beschlossen wurde, sich der Abstimmung in der Delegation selbst zu enthalten. Denn, sagten sich die Herren, aus R chtsgründen können wir nicht gegen, aus Opportunitätsgründen nicht für den Antrag des vr. Herbst stimmen. Es ist also zweifellos, daß der Beschluß des Brdgetausschusses von der Delegation akzeptirt werden wirb. Die Regierung wiederum, meinte Andraffy, müsse sich schon deshalb gegen den Herbst'schen Antrag wehren, weil es nicht gut angehe, den Kaiser zur sofortigen Wiedereinberufung des Neichsrathes zu veranlassen, nach dem durch ein besonderes Handschreiben der ReichSrath erst vor wenigen Wochen vertagt worden sei. Nun würde dies weiter nickt viel auf sich haben. Aber man müsse bedenken, daß, um die Berathung über »ine Vorlage möglich zu machen, welche von der Delegation als eine beabsichtigte Verfassungsverletzung erklärt wird, man doch gewiß nicht dem Kaiser ebensowenig, wie der Negierung zumuthen könne, daß mit der Vorlage wirklich die Verfassung zu ver-