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Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zu Freiberg und Braud. Lerantvortlicher Redakteur Iuliu« Brau« i« Freiberg. O 8 Erscheint jeden Wochentag «bcnds s Uhr für dtn !I 3 ^v8. s I S-m-bkiid, den 1«. November. Inserate werden bi« B»rmtttaaS 11 Uhr angenom men und beträgt der Preis für die gespaltene Zeile oder deren Raum IS Pfennige. 1878. 1 ,1! ,1 Vie österreichische Politik. Die parlamentarischen Stürme in der österreichisch- ungarischen Monarchie haben in höherem Maße die Auf merksamkeit auf den Grafen Andrafsy gelenkt, der sich denselben gegenüber scheinbar tsolirt befindet. Das unga rische Abgeordnetenhaus hat in Uebereinstimmung mit den Empfindungen der magyarische» Nation die Expedition nach Bosnien, sowie dessen Okkupation verdammt und damit der Politik Andrassy's ein gehöriges Mißtrauensvotum gegeben. Thatsächlich hat diese üble Stimmung freilich nicht viel zu bedeuten gehabt. Der ungarische Premierminister Tisza stand für die Politik AndrassyS ein und erklärte dem unga rischen Abgeordnetenhaus^ daß es in auswärtigen Fragen, wie diese, nichts zu entscheiden habe, sondern daß dies lediglich Sache der Delegirtenversammlung aus beiden Hälften der Monarchie, gewissermaßen des gemeinsamen Reichstags sei. Darüber hat sich der MagyariSmus denn auch wirklich beruhigt und die Wahlen zu den Delega tionen vorgenommen, wobei durchaus keine starke Opposition gegen AndrassyS Politik zum Ausschlag kam. Aehnlich ist die Sturmszene im österreichischen NeichS- rath verlaufen. Das Abgeordnetenhaus hat den Adreß- entwurf, in welchem die Politik AndrassyS, speziell die An nahme des europäischen Mandats zur Besetzung Bosniens, scharf getadelt wird, mit der unerwartet großen Mehrhei von 163 gegen 73 Stimmen angenommen. Das Miß trauensvotum dieses Parlaments gegen den Reichskanzler konnte also auch nicht viel stärker ausfallen. Bet alledem sieht Andrafsy noch keine Gefahr für seine Stellung und wir ebenfalls diesen Angriff hinnehmen, wie etwas, was nicht mehr Bedeutung hat als der Sturm des ungarischen Hauses. Er hat nur den Delegationen, der Gesammtvertretung der beiden Reichshälften Oesterreich-Ungarns, Rede zu stehen und da ist er nach Allem, was zu berechnen, eines Ver trauensvotums sicher. Zweierlei kommt hierbei dem Grafen zu Hilfe. Einmal, daß die Okkupation jetzt wirklich Thatsache und der bos nische Aufstand so gut wie niedergeschlagen ist ; sodann, daß die Verhältnisse in Bulgarien, Macedonien und Griechen land sich derartig aufs Neue bedrohlich gestalten, um eine aktive Rolle Oesterreichs in diesen -kommenden Händeln unter allen Umständen zu rechtfertigen. Möglicherweise ist angesichts der neuen Verwicklungen der bosnische Aufstand auch mehr diplomatisch als mittelst der Gewalt unterdrückt denn eine russische Provinz. Genug schon, daß das Kon greß-Bulgarien moskowittschem Einfluß unterstände, dem gegenüber Oesterreich nun allerdings in Bosnien ein Gegen gewicht besitzt. Rußland aber ein „Halt" aus österreichischem Munde allein zuzurufen, dazu müßte man sich in Wien auf einen Krieg gefaßt machen, den man aus guten Gründen mög lichst vermeiden will. Populär würde er freilich im Lande ein; indessen wäre es schon politisch, die diplomatischen Waffen gegen Rußland zu richten. Dahin scheinen jetzt die Dinge zu neigen und darin die Politik AndrassyS aus zulaufen. Auf den Berliner Vertrag gestützt, wird nicht ilos Oesterreich mit gutem Recht den Rückzug der russischen Macht hinter die vorgeschriebenen Grenzen verlangen önnen, sondern es wird dabei alle andere« Unterzeichner des Kongreßvertrages auf seiner Sette haben, vor Allem das russenfeindliche England. Der Symptome giebt es ja genug, welche eine emsige Maulwurssarbeit der Diplomatie verrathen und die bald auf Frankreich, bald auf Oesterreich Hinweisen, wo gerade der Ausstoß erfolgt. Die Versetzung des Grasen Beust von London nach Pqrts kann nicht als ein so gewöhnlicher Vorgang angesehen werden, daß man ihn unter den heutigen Spannungen übersehen darf. Es ist ja möglich, daß Beust mehr auf Englands Antrieb, als auf Oesterreichs Wunsch an die Stelle versetzt ist, wo er in einem Interesse zu wirken vermag, welches England mit Oesterreich ge meinsam verfolgt und das natürlich nur gegen Rußland gerichtet ist. Das jetzige französische Eingreifen in die griechisch-türkische Differenz hängt vielleicht damit zusammen, Frankreich wieder in auswärtigen Fragen mobil zu machen. Auf kriegerische Hintergedanken braucht man deshalb nicht gleich zu kommen. In Wahrheit will wohl Niemand den Krieg, auch England nicht und noch weniger das erschöpfte Rußland. Aber desto mehr will man Allianzen, um dann mit diplomatischem Druck zu Erfolgen zu gelangen. Einer österreichisch-englisch-frauzösischen Allianz würde Rußland weichen müssen und eine solche mag man anbahne» oder schon angebahnt haben, um die Liquidation des europäischen Türkenreiches entgegen Rußlands Plänen in die Hand zu nehmen. Wir sind seit Jahren an das Spielen mit Feuer so gewöhnt, daß uns nicht mehr bange darüber wird, es falle einmal ein Funken in die offen stehenden Pulverfässer. worden, da die österreichische Okkupation den mohammeda nischen Begs in diesem Lande unter solchen Umständen als das kleinere aller wieder zu erwartenden Uebel erscheinen muß. Die Dinge auf der Balkan-Halbinsel verlaufen eben nicht so glatt, wie der Berliner Kongreßvertrag es auf- stellte. Es ist auch kaum noch zweifelhaft, daß es mit der ganzen Türkenwirthschaft diesseits des Bosporus zu Ende geht und Jeder, der dabei seine Beute davon tragen will, sich fertig zum Zugreisen machen muß. Während Rußland sich thatsächlich des ganzen Landes bis zum ägäischen Meere hin bemächtigen will, um das Großbulgarien zu schaffen, wie es im San Stefano-Vertrag aufgerichtet wurde, bittet sich für Oesterreich nur die Alternative dar, entweder mit Rußland auf Kosten der Türkei gemeinsame Sache zu machen, oder aber die russischen Pläne durchkreuzen zu helfen. Die Politik mit Rußland stößt jedoch auf den unüber windlichsten Widerwillen im Lande; dazu würde Andrafsy keinen Kreuzer bewilligt erhalten. Sie verstößt aber auc gegen die Interessen Oesterreichs, welches Rußlend an seinen Südostgrenzen sich nicht vergrößern lassen darf, ohne in steter Bedrohung durch dessen slavische Gravitationen zu leben. Ein Großbulgarien wäre aber doch wenig Anderes Die Afghanen und die Änderfürsten. Wie zuversichtlich die Miene auch sein mag, welche das Gouvernement von Kalkutta zur Schau trägt, in gut unterrichteten Kreisen weiß man doch, daß der Vizekönig und seine Umgebung sich ernsten Besorgnissen in Bezug auf die Haltung hingeben, welche beim nachgerade unver meidlich gewordenen Zusammenstöße mit Schir Ali von Kabul einzelne der mächtigeren indischen Vasallenfürsten einnehmen werden. Wenn schon von vornherein anzuneh men gewesen, daß der Beherrscher von Afghanistan kaum den Muth zu seinem herausfordernden Auftreten gegenüber England gefunden haben würde, wenn er sich nicht schon lange früher der Unterstützung von Seiten des einen oder des anderen Jnüerfürsten versichert hätte, uns wenn er nicht schon lange früher überzeugt davon gewesen wäre, es werde im Augenblicke der Kriegserklärung auch im Innern Indiens an mehreren Punkten rebellisch auflodern — so sind seither verdächtige Symptome in großer Zahl zu Tage getreten, welche die Besorgniß thatsächlich sehr nahe legen, daß man sich an den Höfen einzelner Jnderfürsten seit Kurzem wieder auffallend stark mit Reminiszenzen an die Bluttage des Sepoy-Aufstandes trägt. Aus naheliegenden Gründen sind es nicht die Hindu fürsten, wohl aber die mohammedanischen, von denen sich das Gouvernement heimtückischer Anschläge versieht. Wie tief bedauert man es jetzt, diesen Fürsten seinerzeit in einer schwachen Stunde das Recht zum Halten eigener Armeen eingeräumt zu haben. Der stärkste Verdacht richtet sich gegen den Beherrscher von Gwalior, einen der mächtigsten ind einflußreichsten Fürsten mohammedanischen Stamme-. Von Seiten des Gouvernements ist notorischer Weise eine ganze Reihe, mitunter auch kleinlicher Maßnahmen getroffen worden, damit der verdächtige Herrscher unter fortwähren der und strenger Ueberwachung stehe. Beispielsweise kann onstatirt werden, daß ein ganzes Heer englischer Agenten nach dem Gebiete von Gwalior auSgesendet worden ist und daß sich der Vizekönig von zwölf zu zwölf Stunden tele graphisch über Alles rapporttren läßt, was der Fürst thut, wie er sich äußert, mit wem er verkehrt u. dgl. m. Unter ähnlicher, wenn auch nicht gleich strenger Kontrole stehen alle übrigen Häupter der mohammedanischen Staaten und es ist für den Fall, als der eine oder der andere Miene zur Mobilisirung seiner Truppen machen sollte, schon jetzt Alles vorgekehrt, um dem Betreffenden sofort in der un zweideutigsten Form begreiflich zu machen, wie sich die jetzige ernste Zettepoche zu derlei harmlosen Privatspäßen ganz und gar nicht eigne. Verkennen läßt sich übrigens unter keinen Umständen, daß die Rücksicht auf die einge borenen Moyammedanrrfürsten einen der Hauptgründe für die Verschiebung der Aktion bis zum nächsten Frühjahre bildet. Vertrauenerweckender ist, wie schon bemerkt, das Be nehmen der Hindufürsten, obwohl es konstattrtermaßen an Versuchen, auch unter diesen zu wühlen, gleichfalls nicht gefehlt hat. Fast täglich registriren die regierungsfreund lichen Journale die Thatsache, daß dieser oder jener ein geborene Fürst dem Vize-Könige für den Kriegsfall seine Landestruppen oder Geldunterstützungen, die Lieferung von Lebensmitteln, von Tragthieren, Treibern u. dgl. m. ange boten habe. Natürlich wird gegebenen Falles von allen diesen Anerbietungen Gebrauch gemacht werden, bis auf die einzige der aktiven Mitwirkung im Felde. Was das Gouvernement diesbezüglich thun soll, darüber ist es selbst noch nicht vollständig im Klaren. In Kalkutta erörtert man vielmehr eben gegenwärtig erst die Frage, ob man aus den angeborenen Kontingenten ein eigenes Korps bilden oder ob man sie partienweise den englischen Korps zutheilen soll. Mit selbständigen Aufgaben dürfte man die Kontingente der Eingebornen keinenfalls betrauen, ein mal schon ihrer bescheidenen Leistungsfähigkeit wegen, dann und hauptsächlich aber deshalb, weil ihre Verläßlichkeit doch immer eine fragwürdige bleibt. Tagesschau. Freiberg, 15. November. Fürst Bismarck wird auch während seiner Abwesenheit von Berlin an den Geschäften Theil nehmen, so weit es ihm nöthig oder wünschenswerth scheint. Von einer weiteren Beurlaubung kann also eigentlich nicht die Rede sein und erfolgt für die laufenden Geschäfte die Vertretung auf den verschiedenen Gebieten gemäß der im März d. I. getroffenen Vereinbarung. — Aus Berlin kommt die aller dings noch der Bestätigung bedürfende Nachricht, die öfter-' reichische Regierung habe den Vorschlag Deutschlands, den Ende dieses Jahres ablaufenden Handelsvertrag um sechs Monate zu verlängern, endgiltig abgelehnt. — Der „Nordd Allg. Ztg." zufolge wird die veränderte Geschäfts- vertheilung der preußischen Ministerien den Landtag nicht blos bet dem Etat beschäftigen, sondern auch, wegen Aen- derung der bestimmten Ministerien in der den einzelnen Gesetzen beigelegten Kompetenz, voraussichtlich Gegenstand einer besonderen Gesetzvorlage bilden. — Dasselbe Blatt schreibt: Das „Franks. Journ." bringe Mittheilungen über die Art und Weise der im Gange befindlichen Ver handlungen mit Rom, wonach dieselben zwischen Keudell und Nina geführt werden, auf Grund genauer festgestellter Instruktion. Diese Notiz ist nicht, wie verschiedene Blätter bet deren Wiedergabe behaupten, offiziös, sondern sie ist unrichtig." Die National-Zeitung erhob jüngst Klage darüber, daß sich die Deutschen nicht in derselben Weise zu ihrer Reichs hauptstadt hingezogen fühlen, wie etwa die Franzosen nach Paris, die Engländer nach London u. s. w. Sie fand die Ursache in der früheren Zerrissenheit Deutschlands, aus der heute noch Partikularismus und Retchsfeindlichkeit entstamme. Dem Berliner Blatt wird jetzt von der Stutt garter Neuen Zeitung eine Antwort zu Theil, die uns