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Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zn Freiberg und Brand. Berautwortlicher Redakteur Iuliu« Brau« i« Freiberg. ^S257 Erscheint jeden Wochentag Abends ü Uhr für den andern Tag. Preis vierteljährlich 2 Mark 2b Pf., zweimonatlich 1 M. SO Pf. n.einmonatl. 75 Pf. LV. ^kaHr>a»a. — , >>> . >>> > > > ->>> - ß Inserate werden bis Vormittag« 11 Uhr angmom- » Sonntag, den 3. November. 1878. ! > . — sam, wieder zurückgeht. Jene Jahre folgten unmittelbar natürlich die Verfassungspartet wie die Bevölkerung Oesterreichs Front machen Ungarn scheint dagegen Minister Tisza Wonnen zu haben und dürfte am Ruder gesammte deutsche würde. — In wieder Boden ge- bleiben. Er hat Bosniens sei un- Und ist denn das nicht auch eine Zunahme der Ver brechen, die auf Kosten unserer Kultur zu setzen ist? Aus diesen Morden, Schändungen und Mißhandlungen — muß da nicht eine Saat von Drachenzähnen aufgehen, auf welche der Säemann nachher vielleicht mit Entrüstung hinwrist und keine Schuld daran haben will? Schreit ein Mord zum Himmel, sollen es nicht so viele tausende auch thun? Oder kommen diese Mordthaten mit dem Worte „Krieg" um ihre Nemesis? Nein! Wenn Alle sich heute in die Brust greifen sollen und gestehen müssen, daß sie ihren Theil an der Zeilen Noth und Verbrechen haben, dann dürfen auch die furchtbarsten Ursachen nicht übersehen werden, aus denen die Verbrechen gegen die Sittlichkeit, Leib und Ehre der Mitmenschen hervorgehen. Und zu diesen furchtbarsten Ursachen gehört unstreitig der Krieg. dem französischen Kriege und bekräftigen also den längst gemachten Schluß, daß der Krieg allemal ein Volk verwildert und so auch der damalige diesen Unsegen für Preußen und Deutschland bewirkt hat. Dieser Umstand mag hervorgehoben werden, um sich eine Vorstellung von der Sittenverderbniß zu machen, die der russisch-türkische Krieg nach sich ziehen muß- Es sind freilich nicht die Völker an der Spitze der Civtli- sation, die da auf einander hauen und gehauen haben; aber kann man nicht annehmen, daß ein solches Schauspiel seine verheerenden Wirkungen auch auf die Sittlichkeit der jenigen Völker übt, die ihm zuschauen, die mehr oder minder Tag um Tag beschäftigt werden, Partei für und wider zu nehmen? Von den Türken ist es ja bekannt, in welch' barbarischer Weise sie Hausen. Da sie aber außerhalb der christlichen Kulturwelt stehen, nimmt man ihnen ihren Mord- und Zerstörungssinn nicht gar so übel. Sie be weisen nur damit, wie tief unter der christlichen Civilisation sie stehen. Nun muß man aber auch dem anderen Theile, den Russen, billig gerecht werden, die ganz besondere Christen sein wollen und imNamen der Religion ihren Krieg gegen den Halbmond und seine Herrschaft über christliche Völkerstämme unternommen haben. DerBerichtder sogenannten Rhodope-Kommission gewährt dafür einen nicht minder sorgfältig zusammen gestellten Anhalt, wie die Statistik des Düsseldorfer Pfarrers über die Zunahme der Verbrechen bei uns. Man möchte sagen, er sei ein anderer und der gräßlichere Theil davon ; der innere Zusammenhang tritt durch die Thatsachen vor Augen und die Lehre, die man daraus ziehen kann, ergiebt sich von selbst und harmonirt in der Hauptsache mit der Untersuchung der Ursachen unserer Verbrechervermehrung. Jener Kommissionsbericht ist von den Vertretern der Türkei, Englands, Frankreichs und Italiens unterzeichnet, während Rußland und Deutschland ihm ihre Unterschrift verweigerten, Oesterreich sich durch Krankheit seines Vertreters davon drückte. Schon daraus kann man schließen, daß der Bericht für die Russen nicht günstig lautet; aber das Thatsächliche haben sie trotzdem doch nicht abzuleugnen gewagt. Die Protokolle, nunmehr in's Englische übersetzt und der Oeffentlichkeit übergeben, liefern einen wahrhaft grauen vollen Beweis von den Ausbrüchen des Fanatismus auf beiden Seiten der Kriegführenden. Sie stellen das Bor- »andensein von etwa 150000 mohammedanischen Flücht- ingen in sechs namhaft gemachten Ortschaften des Rhodope- gebirges fest, die alle von den Kommissären besucht und wo die Leute der Reihe nach verhört wurden. Die fort währende Wiederholung ihrer Erzählungen über Mafsen- chänoungen, über Mißbrauch und Raub aller den Eroberern in den Weg gekommenen jungen Frauen und Mädchen, nöthigenfalls unter Mißhandlung der sie begleitenden Väter, Brüder, Gatten, die mittlerweile an Karren gebunden und später niedergemetzelt wurden — sie reicht hin, um selbst vie krankhafteste Gier nach Greuelgeschichten zu sättigen. Gleich gräßlich, aber weniger begreiflich erscheint die muth- willige und massenhafte Niedermetzelung von hilflosen Flüch tigen, ohne Befriedigung irgend eines anderen Triebes, als des bloßen Genusses am Morden und Zerstören. Die Flüchtigen wurden zusammengedrängt, bis sie wie eine Heerde Schafe neben einander standen. Dann wurde auf die zusammengepferchte Masse ein Granatseuer eröffnet. Bet Hermanli sollen Frauen ihre Kinder zu Hunderten in's Wasser gestoßen haben, um sie vor schlimmerem Tode zu retten. Bei Moritscha vernichteten die Russen 500 Wagen voll türkischer Frauen und Kinder. Zu Demotika wurden die fliehenden Weiber und Kinder so arg mitge nommen, daß von 65 Wagen voll nur fünf Personen entkamen. So folgt ein Greuelbericht dem andern! Der Krieg und seine verderblichen Nachwirkungen. Der Pastor Stursberg in Düsseldorf hat jüngst ein Cchriftchen erscheinen lassen, in welchem er mit großem Fleiß das statistische Material über die verurtheilten Ver- brechenssälle seit 1871 verarbeitet hat. Erschrecklich genug sind die Ergebnisse. In Preußen zum Beispiel stieg die Zahl der Vergehen und Verbrechen vom Jahre 1871 bis 1873 von 88 233 auf 133 734 und die Zahl der Zücht linge wuchs um fast 50 Prozent, also um die Hälfte. Die Zunahme der Fälle erstreckt sich insbesondere auf die Ver brechen gegen die Sittlichkeit, wider Leib und Leben, Frei heit und Ehre des Nebenmenschen. Bemerkenswerth ist auch, daß nicht nur die Verbrecher sich mehrten, sondern auch die Verbrechen, sofern die Zahl der im Rückfall An geklagten nur 6,2 Prozent, die der nicht Rückfälligen aber 56,5 Prozente ausmach e. Als die Ursachen dieser traurigen Verwilderung des Volkes hebt der Verfasser die Nach wirkungen des Krieges, die schlechten Zeiten, die durch den Milliardenschwindel geweckte Geldgier, die Unsolidität und Frivolität der Neuzeit hervor und gewiß mit vollem Recht- Aber immerhin ist es doch merkwürdig, daß diese un gemeine Zunahme der Verbrechen nur in die Jahre 1871 bis 1873 fällt und deren Zahl nachher, wenn auch lang- des Panslavtsmus zu retten, die Mehrheit des Abgeordneten hauses für seine Politik gewonnen. In Italien ist die Lösung der Ministerkrisis in dem Sinne geschehen, daß sich das Kabinet nunmehr in erster Linie blos auf die Linke stützen zu wollen scheint und wenn die verschiedenen Gruppen der neuen Mehrheit auch nicht eben leicht zusammenzuhalten sein werden, so muß doch Jedermann zugeben, daß diese Majorität gleichförmiger ist, als diejenige der Partei Cairoli mit der Rechten, an deren Konstituirung der Deputirte von Pavia, nach der ursprüng lichen Zusammensetzung seiner Administration zu urthetlen, eine Zeit lang gedacht haben mochte Sicher ist der Ein tritt des Admirals Brin in daS Kabinet, ein Beweis da für, daß eine Vereinbarung zwischen Cairoli und Herrn Depretis, dessen Vorgänger im Minister-Präsidium, vorher zu Stande gekommen und daß also die Gruppe Depretis geneigt sein muß, Cairoli von jetzt ab zu unterstützen. Die Nachricht, daß Pessina daS ihm angebotene Porte feuille für den Ackerbau abgelehnt habe, scheint verfrüht und bedarf jedenfalls noch weiterer Bestätigung. — Die Vorverhandlungen wegen des österreichisch-italienischen Handelsvertrages sind in Wien zu einem glücklichen Ab schluß gelangt und haben bereits am 3. d. zur Unterzeich nung eines vorläufigen Protokolles geführt, welches als Grundlage für die definitiven Verhandlungen dienen wird. Die letzteren sollen beginnen, sobald das gedachte Protokoll von den betheiltgten Regierungen ratifizirt worden ist. In Frankreich hat das Attentat auf den König Alfons von Spanien den konservativen Journalen Anlaß gegeben, die Nothwendigkeit einer allgem inen Ligue gegen die Sozialisten darzulegen; die republikanischen Organe durch die Behauptung, die Okkupation erläßlich gewesen, um das Reich vor den Umschlingungen Handelsverträge mit dm Konventionaltarifen vermag er o lange nicht zu befürworten, al- die Frage einer Revision des Tarife- nicht erledigt ist. Die „Nordd. Allg. Ztg." theilt die wesentlichen Be stimmungen des mit dem englischen Unternehmer über Hebung deS „Großen Kurfürsten" abgeschlossenen Kontrakt- mit. Darnach muß der Schiffskörper in demnach gebrauch- fähigen gegenwärtigen Zustand an die Oberfläche gelangen und muß die Hebung bis zum 1. August 1879 vollendet ein, die Ablieferung muß in einem sicheren englischen Hafen geschehen, und der Zustand de- Fahrzeuges derart sein, daß ungefährdet die Ueberführung desselben nach einem deutschen Kriegshafen ausführbar ist. Entscheidet sich die Admiralität für eine solche Ueberführung, so erhält der Unternehmer 30000 Pfd. Sterl., event. wenn unter dem ge hobenen Zubehör sich die SchiffSthürme mit den Geschützen befinden, weitere 5000 Pfd.; beschließt aber die Admiralität, das gehobene Schiff in England zu verkaufen, so erhält der Unternehmer dre Hälfte des Nettoerlöses. Gelingt die Hebung nicht, so hat der Unternehmer keinerlei Entschädi gungsanspruch. Die Hebungsarbeiten geschehen ohne alle Assistenz der deutschen Marine. Während der Dauer des Kontraktes bleibt das Schiff Eigenthum der Admiralität. Alle über die Bestimmungen des Kontraktes etwa entstehen den Streitigkeiten entscheiden deutsche Gerichte. Wie es heißt, ist ein Gesetzentwurf wegen Sicherstellung der Hinterbliebenen von Reichsbeamten in Vorbereitung; derselbe liegt aber noch nicht dem Bundesrath vor, so daß die von anderer Seite gebrachten Mittheilungen über den angeblichen Inhalt des Entwurfs keinen Boden haben. — Der Minister des Innern, Graf Eulenburg, präsidirte gestern Mittag der ersten Sitzung der Reichs- Beschwerde-Kommisston. Nach ihrer Konstituirung berieth dieselbe ihr Geschäfts-Reglement. Der Kommission selbst lagen noch keine Beschwerden vor; doch dürften solche bei den Lokalbehörden bereits eingegangen sein. Wie sich das Räthsel der Ministerkrisis in Oesterreich noch lösen wird, vermag Niemand zu sagen. Den Gerüchten, daß der Reichsrath nach der Wahl der Delegationen auf gelöst werden soll, ist kein Glauben beizumessen und wird denselben auch widersprochen. Jedenfalls dürfte das Ende vom Liede ein Ministerium Taaffe werden, gegen welches Tagesschau. Freiberg, 2. November. Auch heute bätten wir wieder eine Anzahl der auf Grund des Sozialisteugrsetzes verfügten Verbote von Vereinen und Druckschriften zu verzeichnen, müßten wir nicht befürchten, den Lesern mit all' diesen Aufzeichnungen lästig zu werden. Nur sei aus dem engertn Heimalhs- lande Sachsen erwähnt, daß die Landespoltzetbehörde den in der Genossenschaftsbuchdruckerei zu Leipzig erschienenen illustrirten Kalender für das arbeitende Volk für 1879: „Der arme Konrad" verboten hat. — Auch sind die gestern von der früheren Druckerei der „Berl. Fr. Pr." heraus- gegebcnen „Berliner Nachrichten" ebenfalls konsiszirt worden. Die „Post" enthält ein Schreiben des Frhrn. v. Varn- büler an den Fürsten Bismarck, worin er anfragt, ob es des Fürsten Absicht ist, dem Reichstage in der nächsten Session einen Entwurf des revidtrten Zolltarifs voi zulegen, und ob die Neichsregterung, bevor dies ge schehen, einen neuen Handelsvertrag mit den Konventional tarifen nicht abschließen werde. In dem Antwortschreiben des Fürsten Bismarck heißt es: Die gestellten Fragen würden amtlich nur dann beantwortet werden können, wenn die verbündeten Regierungen über die zukünftige Zollpolitik bereits Beschlüsse gefaßt hätten. In Ermangelung solcher könne er nur seine persönlichen Ansichten mittheilen. So weit es ihm gelingen werde, letztere zur Geltung zu bringen, liege allerdings in seiner Absicht, eine umfassende Re vision des Zolltarifs herbeizuführen und die dazu erforderlichen Anträge zunächst der Prüfung der verbün deten Regierungen zu unterbreiten. Die Vorarbeiten hierzu seien bereits in Angriff genommen; einen Abschluß neuer