Volltext Seite (XML)
- 30. Jahrgaug. ! Mittwoch, den 1k. Oktober. > 1878. Erscheint jeden Wochentag Abends 6 Uhr für den andern Tag. Preis vierteljährlich 2 Mark 2b Pf., zweimonatlich 1 M. bO Pf. n. emmonatl. 7b Pf. BergerIHewek und Tageblatt. Amtsblatt für die königlichen und Wüschen Behörden zu Freiberg und Brand. Verantwortlicher Redakteur Iuliu» Braun in Freiberg. Inserate werden bis Vormittags 11 Uhr angenom- men und beträgt der Preis für die gespaltene Zeile oder deren Raum 1b Psmnige. Ein Wort an unsere Hausfrauen. Ein sparsame Fran ist Goldes Werth und das alte deutsche Sprichwort, wonach die Frau mehr in der Schürze aus dem Hause tragen kann, als der Mann mit dem Wagen nach Hause bringt, hat noch heute seine gute Be deutung. Ja, heute noch mehr wie ehedem, als man noch nichts von den hochaufgethürmten Frisuren, den Hüten mit kostbaren Federn, den Schleppen und hunderterlei Toilettenmitteln wußte. Aber man kann des Guten auch zu viel thun oder man kann, was fast noch schlimmer ist, das Gute am unrechten Orte anbringen. Und dieses Letztere geschieht von manchen unserer lieben Hausfrauen recht oft, indem sie da sparen, wo Sparsamkeit vom Uebel ist. Daß sie dafür an manchem Orte, wo Sparsamkeit nicht schaden würde, das Geld weniger ansehen — das zu behaupten kann uns natürlich durchaus nicht beikommen. Wir wollen uns hier nicht in lange theoretische Er örterungen einlassen, sondern nur einige Beispiele aus der Praxis anführen. Alle Welt weiß, daß Professor Reuleaux unserer deutschen Industrie den Stempel aüfgedrückt hat: billig und schlecht. Man hat seiner Zeit viel darüber gestritten, ob dies wahr sei oder nicht. Die Wahrheit liegt wohl in der Mitte: die deutsche Industrie kann Gutes schaffen, aber sie produzirt vorwiegend geringe und billige Waaren. Und warum? Gewiß nicht aus Liebhaberei, sondern weil die Käufer diese geringen und billigen Waaren bevorzugen. Unter den Käufern aber, welche solcher Gestalt der Losung „billig und schlecht" huldigen, ist die größere Hälfte — wir appelliren in diesem Punkte an das Zeugniß aller Geschäfts leute — dem weiblichen Geschlechte angehörig. Daß gut und billig nicht oder doch nur selten vereint sein können, das wird von solchen Käuferinnen nur zu oft übersehen. Wenn es nur billig ist und hübsch aussieht, so sind sie schon zufrieden; die Haltbarkeit und gute Qualität kommt kaum in Betracht. So weiß denn die billige Frau am Schnürchen her zusagen, in welchen Geschäften der Stadt man am billigsten kauft; sie weiß, in welchen Geschäften man „abhandeln" kann; sie hat für ihre Freundin, welche sich nicht zu solchen Geschäftsprinzipien bekennt, sondern alles theurer einkauft, nur ein Lächeln des Mitleids. Daß aber die Geschäfte, welche so billig verkaufen, die ordinärsten Waaren führen, an welchen sie in der Regel mehr verdienen, als an guten Waaren; daß die gewandten Geschäftsleute, welche die billige Frau recht gut kennen, schon von vornherein so viel im Preise Vorschlägen, um dann ohne Schaden ein gut Thei Nachlassen zu können — das vergißt die gute Frau nur zu sehr. Sie ist glücklich in dem Bewußtsein, einen billigen Einkauf gemacht zu haben, und berechnet nicht, um wie vie eher die billige Waare abgenutzt wird. Wäre mit solchen billigen Einkäufen kein weiterer Nach theil verbunden, als daß die Verkäufer dusch dieses Feil schen, durch das unnütze Vorlegen von Waaren durch di aus einem Laden zum anderen wandernden Damen vielfac aufgehalten werden und infolge dessen mehr Leute halten müssen, als nothwendig, so wäre es nicht schlimm. Aber durch dieses Betonen der Billigkeit wird das Prinzip der Unsolidität beim Geschäftsverkehr im hohen Grade ge fördert und das ist ein großer Nachtheil. Man klagt heut zutage aller Orten über die Verfälschungen von Nahrungs s mitteln und Verbrauchsgegenständen. Es mag ja auch in « dieser Hinsicht viel von gewissenlosen Händlern geleistet werden; aber einen Theil der Schuld trägt auch das liebe Publikum selbst, welches die Waaren absolut billiger kaufen will, als sie der Geschäftsmann beim besten Willen ablassen kann. Geht's nicht mit guter Waare, so geht's mit ver fälschter, denkt der Kaufmann vielfach, und bietet der Käuferin die billigere Waare, welche sie verlangt und — verdient. Wenn er es durchaus nicht thun will, nun so thun's seine Konkurrenten, die dafür in der Stadt als Vie billigen Leute gelten. Es würde in dieser Hinsicht bester stehen, wenn das Publikum und ganz besonders unsere lieben Hausfrauen, sich etwas mehr Waarenkenntniß verschafften. Alle Waaren lasten sich natürlich nicht auf ihre Güte sofort untersuchen; bei vielen wird man immer auf die persönlichen Eigen schaften des Verkäufers angewiesen sein. Aber es gtebt auch viele Waaren, welche gewisse Kennzeichen für den Grad ihrer Güte haben; und diese Kennzeichen sich zu merken und zu beachten, sollte man sich vielmehr als üblich zur Aufgabe machen. Wenn der Verkäufer erst wahrnimmt, daß sein Kunde ernstlich zu prüfen in der Lage ist, wird er ganz von selbst auf manches Kunststückchen verzichten, das Geschäft wird von vornherein auf einer anderen Basis geführt, wird viel einfacher werden. Und in vielen Fällen hat es der reelle Verkäufer viel lieber mit einem Kunden zu thun, welcher seine Waare zu schätzen weiß, als mit einem Kunden, der sich den Anschein giebt, etwas zu ver stehen und — doch nichts weiß. Sodann aber gehört zu einer Aenderung in dieser Hin- ein wenig mehr Rechnen, als vielfach beliebt wird. nn der Käufer immer berechnen wollte, welche Nachtheile mit dem billigen Einkauf verbunden sind, es würde dann mancher Einkauf nicht abgeschloffen werden. Ein recht ehrreiches Beispiel bieten in dieser Beziehung die Wochen märkte. Geradezu spaßhaft ist es, da zu sehen, mit welchem Eifer die billige Frau den ganzen Markt brennt, um zu erfahren, wo die billigste Butter zu haben l, wie sie mit Aufgebot ihrer ganzen Zungenfertigkeit um die Butter feilscht und wie sie dann triumphirend nach einer Stunde den Markt verläßt. Sie hat die Butter ünf Pfennige billiger, als ihre Nachbarin, aber zu Hause ist die Milch übergekocht, das Dienstmädchen hat eine Schüssel zerschlagen und der kleine Junge ist die Treppe herabgefallen. Wir haben hier vorwiegend von dem weiblichen Ge- chlechte gesprochen; wir wollen nicht parteiisch sein und anerkennen, daß manches davon auch die Herren der Schöpfung sich gesagt sein lassen können. Aber im Großen und Ganzen liegt das Uebel doch bei unseren lieben Frauen, deren engerer Wirkungskreis, die Beschäftigung mit dem Engbegrenzten und Kleinen, sie in der That leicht verführen kann, den Blick auf die kleinen Vortheile zu richten und darüber die größeren Nachtheile zu vergessen. Also ein wenig mehr Waarenkenntniß und ein wenig mehr Rechnen, verehrte Damen! Es ist dies mitunter mehr Werth, als die Kenntniß der Nebenflüsse des AmazonenstromeS und die Lektüre eines französischen Romans! Tagesschau. Freiberg, 15. Oktober. Der Reichskanzler soll die Absicht haben, eine Kom mission zur Berathung der deutsche« Arbeiter-Verhält nisse einzuberufen, deren Ergebniß zu legislatorischen Vor arbeiten benutzt werden soll. Auch Arbeiter sollen an der selben theilnehmen. Gegenwärtig handelt es sich darum durch Gründung verständiger Arbeiter-Vereine ein Venti der Diskussion zu öffnen, welche in ihren demagogischen Auswüchsen durch das Sozialistengesetz unterbrochen werden wild. Der Reichskanzler hat diese Absicht in seiner Rede selbst kundgegeben, indem er solche Vereine zu fördern ver sprach, welche sich mit der positiven Verbesserung der Lage der Arbeiter beschäftigen wollen. Obwohl das Resultat der Enquete-Ksmmission, die vor einigen Jahren im preußi ¬ schen Handels-Ministerium zusammentrat, eben nicht danach angethan ist, zu einer Wiederholung desselben Experiments u ermuthigen, so mag doch in der gegenwärtigen Wen- >ung der Verhältnisse ein stichhaltiger Grund liegen. Selbstverständlich müßte eine neue Enquete-Kommission auch ene Sozialpolitiker in sich aufnehmen, welch« als Gegner rer Sozialdemokratie den schon bestehenden Vereinen al» Wortführer angehören und sich in der Sozialliteratur oder n den gesetzgebenden Körperschaften einen Namen erworben >aben. Wenn die Sozialdemokraten behaupten, daß eS sich fier um die Absicht handelt, konservative Arbeiter-Bataillone ;u bilden, welche gegen die Sozialdemokraten zu marschiren Mten, so beweist dies nur, daß die vom Fürsten Bismarck ventilirte Frage auch nach der politischen Seite hinein, nicht zn unterschätzende Tragweite hat. Man erinnert sich, daß Louis Napoleon namentlich in den ersten Jahren seiner Regierung die Bildung gutgesinnter Arbeiter-Vereine mit allen Mitte« begünstigte. — Nicht uninteressant ist eine Aeußerung der in Berlin erscheinenden sozialdemokratischen „Freien Presse", welche hervorhebt, daß durch Annahme des tz 5 im Sozia listengesetze nach Fassung der Kommission den Sozialdemo kraten auch alle Wahlversammlungen unmöglich gemacht seien. Nun, fährt sie fort, wir sind damit einverstanden, aber das mögen sich die Herren Liberalen vor Augen hal ten, daß wir unsere Wahlversammlungen nunmehr in den ihrigen abhalten werden. Wir werden keine liberale Wahl versammlung vorübergehen lassen, ohne dort, nachdem unS dies in eigenen Versammlungen nicht gestattet ist, für unsere Kandidaten zu werben und zu agitiren. Die Tabak-EnquStekommission ist zum 1. November wieder berufen. Der Vorsitzende derselben, General direktor Fabricius, wird zwischen dem 15. bis 20. d. in Berlin erwartet. Indessen wird der Kommission zunächst nur ein Theil der Berichte der Bezirks-Kommissionen vor- ltegen, nämlich aus Württemberg, dem Elsaß, Baben, während eine große Zahl von Bezirks Kommissionen mit hren Arbeiten noch im Rückstände ist. Wie die „Wes. Ztg." hört, erfolgt die beschleunigte Berufung der Kommission auf Andringen des Reichskanzlers, welcher dem nächsten Reichstage unter allen Umständen das Resultat der Enquöte vorlegen will. Das statistische Amt ist eifrig dabei, daS tatistische Material zu sichten und ist behufs Ergänzung der Fragebogen eine Kommission von Sachverständigen zu gezogen worden, zu welcher Herr Schöplenberg und Herr Ermeler, der Bruder des nach Amerika entsandten Chefs des Hauses Ermeler, gehören. Der zur Vernehmung als Sachverständiger über die amerikanische Fabrikatsteuer nach Berlin berufene Statistiker Porsche wird nach Ablauf seines Urlaubs in diesen Tagen die Rückreise nach Amerika an treten. Die österreichische Ministerkrisis befindet sich jetzt in einem der Entscheidung nahen Stadium. Die kaiserliche Entschließung, mit welcher das neue Kabinet ernannt wird, ist stündlich zu gewärtigen, und die Annahme scheint be gründet, daß schon eine der nächsten Nummern des Amts blattes die betreffenden kaiserlichen Handbillets verlautbaren werde. Aus den Berichten über die bisherigen Audienzen der Parteiführer beim Kaiser und aus den bekannt ge wordenen Resultaten dieser Audienzen hat eine klare Dar stellung der ganzen Entwicklung der Krisis sich ergeben, und dieser letzteren entspricht die neuere Mtttheilung, datz der Charakter des neuen Kabinets, das sich eben aus der Krisis herausschält, keineswegs ein parlamentarischer sein dürfte, insofern als Kreise des Abgeordnetenhauses unter dem Begriff parlamentarisch verstanden werden — falls nicht noch in letzter Stunde eine Kombination glücken sollt«, für welche sich Graf Andraffy sehr kinsetzt, der sehr lebhaft ein parlamentarisches Kabinet wünscht. Graf Andrassy glaubt eben, daß die erfolgreiche Vertheidigunz seiner Ortentpolitik im Abgeordnetenhause, nachdem eS ein mal unmöglich ist, die Orientfrage aus dem Parlamente zu verbannen — nur einem parlamentarischen Kabinet ge lingen könnte. Natürlich wird hierbei an jene Parlaments männer gedacht, welche durch ihre Haltung in den Delegationen die Politik des Grafen Andrafly unterstützten. Nach den bisherigen Auseinanderfitzungen der zum Kaiser berufenen Parteimänner schien es schlechter dings unmöglich, der Krisis mit der Bildung eines parla mentarischen Ministeriums ihren Abschluß zu geben. Die Hoffnung, ein parlamentarisches Kabinet zu bilden, ist