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und Tageblatt Amtsblatt sür die königlichen nnd Wüschen Behörden zn Freiberg «nd Brand. Verantwortlicher Redakteur Julius Braun in Freiberg. G r t r a - A l a t t. Frerberg, 2. Ium 1878. Eine Schreckenslunde durchfliegt von Neuem die deutschen Gauen! Auf unseren greisen, ehrwürdigen Kaiser wurde am heutigen Sonntag Nachmittag abermals ein ruchloses Attentat verübt. Nachstehende Meldungen, die nach Möglichkeit unsern auswärtigen Lesern bereits mitgctheilt sind, gingen darüber ein: Berlin, 2. Juni, Nachmittags 4 Uhr. Bei der heutigen Spazierfahrt Nachmittags halb 3 Uhr wnrde abermals auf Kaiser Wilhelm geschossen. Der Kaiser, von der Kugel getroffen, kehrte nach dem Palais zurück. Derselbe befindet sich in ärztlicher Behandlung. Die Schüsse fielen anscheinend aus einem Hause unter den Linden. Berlin, 2. Juni Nachm. 5 Uhr. Der Kaiser ist am Arm und an der Backe verwundet. Die Verwun dungen rühren von Rehposten und Schrot her. Berlin, 5 Uhr 50 Min. Der Mörder soll Doktor Nobiling sein, der sich unter den Linden eingemiethet habe. Derselbe hat nach dem Attentat einen Selbst mordversuch gemacht. Berlin, 2. Juni. Abends 7 Uhr. Der Kaiser ist zu Bette gebracht und in Behandlung der Aerzte Lauer, Langen- beck und Wilms. Eine Anzahl Schrotkörner ist entfernt; starker Blutverlust hat stattgefunden. Der Mörder verwundete, als man in seine Wohnung unter den Linden Nr. 18 drang, einen Hotelbesitzer, bevor er zum eigenen Selbstmordversuche schritt. Er ist nach dem Krankenhause geschafft. Als der Kaiser sich getroffen fühlte, setzte der mitfahrende Leibjäger sich zu ihm in den Wagen und führte den Kaiser in das Palais zurück. In Berlin herrscht naturgemäß eine immense Entrüstung. Große Massen strömen aus allen Stadttheilen nach den Linden. Um 7 Uhr Abends findet eine Sitzung des Staatsministeriums statt. Berlin, 2. Juni Abends 7 Uhr 45 Min. Der Zustand des Kaisers giebt zur Zeit zu keinen ernsten Besorgnissen Anlaß. Die Wunden sind ungefährlich. Bei dem Verbrecher wurden zahlreiche Waffen aufgefunden. Be rlin, 2. Juni, 8 Uhr 45 Min. Abends. Bulletin. Bei dem auf den Kaiser verübten Attentat sind zwei Schrotschüsse abgefeuert worden. Gegen 30 Schrotkörner drangen in das Gesicht, den Kopf, beide Arme und den Rücken ein. Keine der Wunden deutet auf unmittelbare Lebensgefahr. Se. Ma jestät leiden an heftigen Schmerzen, haben aber das Bewußt sein keinen Augenblick verloren. Das allgemeine Befinden hat sich wieder in erfreulicher Weise gehoben. Berlin, Königliches Palais. Doctor von Lauer. Berlin, 2. Juni, 8 Uhr 27 Minuten Abends. Bekanuts machnng des Polizei-Präsidiums. Als der Kaiser heute gegen 3 Uhr Nachmittag die Stratze Unter den Linden passirte, fielen aus der zweiten Etage des Hauses Nr. 18 Unter den Linden zwei Schüsse, durch welche Se. Majestät mehrfach getroffen wurde. Der Thäter ist vr. pbil. Landwirth Karl Eduard Nobiling, geboren den 10. April 1848 zu Kolluo bei Birnbaum, seit zwei Jahren in Berlin und seit Ansang Januar Unter den Linden Nr. 18 wohnhaft. Derfelbe wurde un mittelbar nach der That ergriffen nnd befindet sich in Haft. Die zwei Schüsse aus de» Kaiser siud von ihm ans dem Fenster des zweiten Stock werkes aus einem mit Schrot geladenen Doppelgewehr abgegeben worden. Bei seiner Verhaftung brachte er sich, nachdem er mit bereitliegenden Revolvern ans in sein Zimmer eindringende Personen geschossen, eine schwere Ver wundung am Kopse bei. Nobiling ist der That geständig, schweigt aber hartnäckig über die Motive, die ihn zu derselben veranlagten. Der Kaiser ist nach dem ansgegebenenj Bulletin im Gesicht, am Kopf, beiden Armen nnd Rücken durch etwa 30 eingednmgene Schrotkürner verwundet. Tas Polizeipräsidium: Freiherr von Hertzberg. Der Meuchelmörder ist tu der Krankeustation der Stadtvoigtet am Molkeumarkte in Haft. Augenblicklich befindet sich seine Mutter und die Aerzte bei ihm. Verlag von Braun L Mancktsch. — Druck von Ernst Mauckisch,