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BergerM^ und Tageblatt. " Amtsblatt für die königlichen and Wüschen Behörden zn Freiberg nnd Brand. Verantwortlicher Redakteur Iulius Braun in Freiberg. ß ! Erscheint jeden Wochentag Abends 6 Uhr für den ^0. Jahrgang. Inserate werden bis Vormittag-11 Uhr angenom- ««1 Mittwoch, den 20. November. 1878. Auf die Volksvertretung wird nämlich 0,37 «/o der gesammten Regierungsausgaben inGroßbritanien 0,32 - Württemberg 0,37 in in in in in Italien Oesterreich Preußen Sachsen 0,18 0,22 0,21 0,23 V» Prozent, verwandt in Frankreich 4,315000 Mark, das macht auf den Kopf der Bevölkerung 0,13 Mark, wogegen in Frankreich auf den Kopf 0,19 Mark entfallen. Oesterreich bezahlt für seine Volksvertretung 3,363 000 M., oder 0,11 Mark für den Kopf, wogegen der deutsche Reichs tag, dessen Mitglieder bekanntlich ohne Diäten und bloß für die Ehre arbeiten, nur mit dem bescheidenen Sümmchen von 281000 Mark figurirt, so daß jeder Kopf im Reich dafür mit nicht mehr als 0,007 Mark belastet ist, also nnt sechszehn Mal weniger als in England und siebenund- zwanzig Mal weniger denn in Frankreich. Die jährlichen Druckkosten für die beiden Häuser in England belaufen sich allein auf 1,730 000 Mark, also etwa auf den sechsfachen Betrag dessen, was im deutschen Budget für den Reichstag ausgeworfen ist. Dabei sind unter den 281000 Mark Kosten desselben noch 75000 Mark enthalten für Ent schädigung, welche den Privateisenbahn-Gesellschoften für die den Reichstagsmitgliedern gewährte freie Fahrt auf den deutschen Bahnen bezahlt werden. Heben wir noch hervor, daß Italien neun Mal so viel für seine Volksvertretung braucht als Deutschland, nämlich 1,632000 Mark, so wird man beruhigt darüber sein, daß, was unsere Reichs vertretung anbelangt, sie die billigste ist, die ein großer Staat nur irgendwie haben kann. Aber Deutschland besitzt, wie noch viele einzelne Staaten, so auch noch viele besondere Landtage, die zu den Kosten hinzukommen, welche das Reichsparlament verursacht.' Dabei stellt sich heraus, daß der Parlamentarismus um so kostspieliger wird, je kleiner das von ihm vertretene Staats wesen ist ; wie ja auch die fürstlichen Civillisten in den selben höhere Quoten auf den Kopf der Bevölkerung legen. So geben in diesem Verhältniß Preußen, Baden und Hessen die gleiche Summe für ihre Volksrepräsentanten her, nämlich 0,05 Mark pro Kopf, während der Unterhalt des Hofstaates in Preußen auf den Kopf 52 Pfennige, in Baden 119 Pfennige und in Hessen 160 Pfennige beträgt. In Sachsen kommen auf die Civilliste 126 Pfennige, in Baiern 102 Pfennige, in Württemberg 112 Pfennige pro Kopf und für die Landesvertretung 0,07, 0,08 und 0,11 Mark. Es kostet also z. B. jedem Württemberger der württembergische Landtag beinahe so viel als dem Eng länder das englische Parlament und mehr denn doppelt so viel als dem Preußen sein Landtag, das Herrenhaus mit eingeschlossen. Gewiß ein seltsames Ergebniß, wenn man die Bedeutung und Leistung dieser verschiedenen Versamm lungen mit einander vergleicht. Im Verhältniß zu der Gesammtsumme der eigentlichen Regierungsausgaben betragen die Kosten der Volksvertre tung überall nur unbedeutende Summen. Sie übersteigen nirgends drei viertel Prozent, der Gesammtausgaben und schwanken in den meisten Ländern sogar zwischen '/i und Attentate geworden sind, in eine Linie zu stellen. Unser ehr würdiger greiser Kaiser hatte eine lange, bewegte, ruhmvolle Laufbahn hinter sich, als die Mordwaffe auf ihn gerichtet wurde. König Alfons wie König Humbert sind jung und ohne eine politische Vergangenheit. Sie haben beide wäh rend ihrer kurzen Regierungszeit den besten Willen, ein wohlwollendes Herz und eine edle Gesinnung gezeigt, wäh rend sie kaum Gelegenheit gegeben hatten, sich irgend einen Feind zu erwerben. Es ist der Haß gegen die gesellschaft liche Ordnung im Allgemeinen und gegen das Königthum im Besonderen, welcher den Attentätern die Waffe in die Hand gedrückt hat. Wie weit unmittelbar die destruktiven Parteien an den Attentaten betheiligt sind, wird sich schwerlich mit voller Sicherheit Herausstellen lassen. In Deutschland ist es nicht möglich gewesen. Aber unzweifel haft entspringen die gleichen Thaten aus einer gleichen Disposition der Geister, welche durch frevelhafte Doktrinen, die sich lange einer unbeschränkten Freiheit erfreuten, irre geführt worden sind. Wir wollen hoffen, daß die Chronik des Jahres der Attentate mit diesem letzten Falle schließen möge. Eine Sicherheit dafür ist nach oen bisherigen Er fahrungen Allerdings nicht gegeben. Der Lehre ist es genug. Wer sich heute noch einer Täuschung darüber hingiebt, daß die Entwicklung der letzten Zeit ungeheure, nicht vorausge- gesehene und wohl auch nicht vorauszusehende Gefahren mit sich brachte, welchen endlich ein Riegel vorgeschoben werden muß, kann kaum noch der bloßen Gedankenlosigkeit und nur des Mangels an richtiger Einsicht beschuldigt werden. Er ladet eine schwere Anklage auf sich. Die deutsche Reichsregieruug macht im „Reichs- Anzeiger" das Verbot des allgemeinen Sängerbundes der vereinigten Liedertafeln von Hamburg, Altona und Um gegend, der Mitgliedschaften der sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands in Karlsruhe, Pforzheim, Baden und Bruchsal, des Gewerbevereins deutscher Gold- und Silberarbetter wie der verwandten Berufsgenoffen in Gmünd, des Volks vereins in Crimmitschau, des Arbeiterfortbildungsvereins in Schenodvitz, des Arbeiterbildungsvereins „Vorwärts" in Zwickau, der Arbeitervereine in Chemnitz, Therburg und Umgegend, der Druckschrift „Die Zukunft, sozialistische Revue", erster Jahrgang, erstes Heft, Berlin 1877, und das Verbot der Nummer 18 und des ferneren Erscheinens des „Chemnitzer Beobachters" bekannt. — Ebenso erwähnt oer „Reichs-Anzeiger": Französische Blätter bringen die Nachricht, die deutsche Regierung habe von den Samoa- Jnseln Besitz genommen und beabsichtige, dieselben zu einer deutschen Kolonie zu machen. Daß Deutschland die Er werbung oder Gründung transatlantischer Kolonien nicht beabsichtige, ist wiederholt in authentischer Form erklärt worden. Betreffs der Samoa-Angelegenheit har die „Nordd. Allg. Ztg." unterm 10. November eine eingehende Dar legung des Sachverhalts gebracht, woraus sich ergiebt, daß die deutsche Negierung in den Südseeins'eln keinen andern Zweck im Auge hatte, als die vertragsmäßig festgestellten Rechte der Reichsangehörigen, welche sich in Samoa ange siedelt haben, und die friedliche Entwickelung des deutschen Handels zu schützen. Die gegenwärtige Krisis auf den Samoa-Jnfeln wird ihre natürliche Lösung dadurch finden, daß die Landesregierung sich entschließt, mit den betheiligten Staaten einen Vertrag abzuschlteßen, welcher denselben die Deutschland bereits zugesagte Stellung der meistbegünstigten Nation einräumt und verbürgt. — Die „N. Allg. Ztg." bestätigt, daß Oesterreich den Antrag Deutschlands auf eine einjährige Verlängerung des Handelsvertrages ablehnte und gleichzeitig andere Propositionen machte, die auf einen Metstbegüstigungsvertrag entweder auf ein Jahr oder längere Dauer unter verschiedenen Modalitäten für den einen oder den anderen Fall hinauslaufen. Die prin zipielle Verständigung scheine noch nicht erzielt, doch sei dem Vernehmen nach die deutsche Regierung geneigt, auf einen Vertrag für ein Jahr einzugehen, namentlich falls der Veredlungsverkehr gegen Gewährung eines Zollkartells gesichert werde. Nach dem gestern Vormittag in Darmstadt ausge gebenen Bulletin ist der Großherzog andauernd fieberfrei; die örtlichen Anschwellungen sind zurückgegangen, die diph- theritischen Auflagerungen etwas verkleinert. Der Erbgroß herzog ist ebenfalls fieberfrei, die Membranen haben sich auf der rechten Seite größtentheils abgestoßen; sie bedecken noch das Zäpfchen und die linke Mandel in größerer Aus dehnung; die Drüsenanschwellungen sind seit vorgestern ständig zurückgegangen. Die Prinzessin Irene ist fieberfrei, Was kosten unsere Parlamente? Es ist nicht ganz uninteressant, dieser Frage nach zudenken. Frankreich hatte unter Louis Napoleon den theuersten Hofstaat nächst Rußland; es bezahlte seinem Kaiser mehr als 21 Millionen Mark. Mac Mahon kostet ihm jetzt nur 6—800 000 Mark und etwa sieben Millionen die französische Volksvertretung, nämlich genau 6,923 000 Mk. Sie ist die allertheuerste der Welt, auch unter der Republik und erklärt sich dies ans dem Umstand, daß jeder Senator in Frankreich 30000 Franks bezieht und daß dem ent sprechend auch die Geldbezüge aller derer sind, die in dem gesetzgebenden Körper sitzen. Nächst Frankreich kommt England, wo das Parlament nicht nur als eine politisch bedeutende, sondern auch als eine glänzende Versammlung angesehen wird, für welche das schönste und theuerste Sitzungsgebäude errichtet worden ist. Die Gesammtkosten belaufen sich nämlich auf Tagesschau. Freiberg, 19. November. , Den drei Attentaten auf gekrönte Häupter, welche das 'traurige Jahr 1878 schon in seinen Annalen verzeichnen müßte, hat sich am Sonntag ein viertes, in Neapel gegen hin König von Italien verübtes, angereiht. Glücklicherweise erreichte der Verbrecher sein Ziel ebensowenig, als es bei den früheren Attentaten der Fall gewesen war, und nach den bisherigen Nachrichten scheint die Verletzung, welche König Humbert davon getragen, nur eine leichte gewesen zu fein, ungleich leichter, als diejenige, deren Folgen unseren greisen Kaiser noch bis zu diesem Augenblicke von seiner Hauptstadt fern halten. In Italien, wo eine republikanische Partei schon lange ihr Unwesen treibt, um das Königthum zu erschüttern, dem das Land die Erreichung seiner Freiheit und Einheit dankt, hat nach den bisher eingegangenen tele graphischen Nachrichten das Verbrechen einen gewaltigen Eindruck gemacht. Der Wiederhall desselben wird durch ganz Europa ein mächtiger sein. Niemals in der Geschichte zivilisirter Länder sind sich Scheußlichkeiten solcher Art mit gleicher Raschheit gefolgt, und wenn bei den Attentaten auf unsern Monarchen die Sozialisten und Radikalen immerfort und in weiten Kreisen nicht ohne Erfolg den Beweis zu liefern suchten, daß es sich nur um vereinzelte Erscheinungen handle, so wird dieses Kunststück etwas schwieriger werden, nachdem der Meuchelmord gegen Fürsten eine internationale Epidemie geworden ist, deren Gebiet sich von Berlin bis nach Madrid und Neapel erstreckt. Wer die Zeichen der Zeit nicht absichtlich verkennen will, wird sich sagen müssen, daß in der Wiederholung solcher blutiger Frevelthaten das Symptom einer weit verbreiteten, an dem Marke der europäischen Völker zehrenden Krankheit liegt. Es ist schwer, die drei Monatchen, welche das Opfer solcher in Baden 0,19 - - n Hessen 0,18 - - Für eine solche Summe darf man sich also wohl diesen Luxus erlauben. Eine Volksvertretung, abgesehen davon, daß sie der Würde eines zivilisirten Volks entspricht, hat ihre guten und schlechten Jahrgänge; aber im Allgemeinen ist ihr Nutzen bezüglich der Ordnung im Etatswesen, der Ersparung vieler Summen für wenig ersprießliche Zwecke, ohne Frage. Sie bringt unendlich viel mehr ein, resp. erspart viel mehr, als sie kostet. Es ist dies auch in den Kleinstaaten der Fall, obwohl ihnen ihre Volksvertretung immerhin etwas theuer zu stehen kommt. Je kleiner der Staat, um so verhältnißmäßig größer sind ihm die Kosten dafür, da ja im Vergleich zu Bevölkerungszahl viel mehr Volksvertreter ernannt oder erwählt werden müssen. Denn fänden die Wahlen überall im gleichen Maße wie z. B. zu dem preußischen Abgeord netenhause statt, so müßte die Vclksrepräsentation so mancher der deutschen Staaten aus vier, drei, gar selbst nur aus einem Abgeordneten bestehen und der könnte schließlich auch lieber zu Hause bleiben. Natürlich kommen also in diesen Kleinstaaten auf dieselbe Zahl Einwohner viel mehr Vertreter als in den Großstaaten und damit wachsen selbstverständlich auch die Kosten des Landtags. Sie würden noch bedeutender sein, wenn in diesen Staaten nicht die Praxis befolgt würde, die Kammern nicht all jährlich, sondern nur etwa alle zwei, drei Jahre zusammen zu berufen, manchmal, wie in Reuß-Greiz, auch gar nicht. Dies kommt danw freilich dem Staatssäckel, nicht aber dem konstitutionellen Wesen zu Gute.