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.VS 246. 30. Jahr-»«,. Sonntag, den 20. Oktober. Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zn Freiberg nnd Brand. Verantwortlicher Redakteur Iuliu- Braun in Freiberg. Erscheint jeden Wochentag Abends S Uhr für den andern Tag. Preis vierteljährlich 2 Mark 25 Pf., zweimonatlich 1 M. 50 Pf. n.emmonatl. 75 Pf. rMgerIiyej^ und Tageblatt. Inserate werden bis Vormittags 11 Uhr angenom» M men und bettägt der Preis sür die gespaltene Zeile 1 oder deren Raum 15 Pfennige. Cypern.*) vm. (Schloß). Beinahe zu gleicher Zeit aber wurde Cypern noch einmal vom benachbarten Asten aus geistig erobert. Das junge Christenthum betrat in der Person eines Paulus die Insel und die alte Astarte und nachmalige Aphrodite mußte der „Mutter Gottes", deren Verehrung auf der Insel bis heute besonders kultivirt wurde, den Thron einräumen. Der Beiname der „Panagia", der Allerheiligsten, ging dabet von jener auf diese über, wie denn auch in dem christlichen Mariendienst auf Cypern noch manche versteckte Ueberreste des alten Astarte-Dienstes sich erhielten. So ist die Maria auf den ältesten Bildern dort die „schwarze Mutter Gottes", und trägt die finsteren Gesichtszüge, wie ihr denn auch auf den goldglänzenden Bildern das Gesicht verhüllt wird. Die zahlreichen Juden der Insel aber, durch die In vasion der Römer wie des ChristenthumS gereizt, rotteten sich zusammen und erschlugen unter der Führung des Actemius 250000 Bewohner der Insel, woraus man bei läufig einen Schluß auf ihre damalige dichte Bevölkerung machen kann. Die Römer hinwiederum erließen, nachdem sie den Aufstand niedergeworfen hatten, das Gebot, daß fernerhin kein Jude auf der Insel wohnen dürfe. Dagegen nahm das Christenthum so zu, daß es bald 30 Bischofsitze daselbst gab. Durch die Theilung des römischen Reichs kam Cypern an Ostrom, das seine Hauptstadt Byzanz (das heutige Konstantinopel) am Bosporus hatte, und theilte die traurigen Geschicke dieses Staatswesens. Es sank derselben großen politischen und wirthschaftlichen Fäulniß in die Arme, die das Loos des gesammten byzantinischen Kaiser- thums war, der Fäulniß, aus der auch gar bald die schlimme Landplage, das fürchterliche Unwesen der See räuberei erwuchs, die in dem inselreichen griechischen Meere genug der natürlichen Schlupfwinkel fand. Aber das war erst der Anfang, das immerhin noch erträgliche Vorspiel des Schreckens, der dann folgte, als Heuschreckenschwärmen gleich aus dem nahen Asien die wilden Horden der Araber ihre verheerenden Einfälle auch auf diese friedlichen Gestade wagten. Es war um 650, als diese fremden Unholde zweimal die Insel eroberten und in ihrem bekannten Fanatismus all' die herrlichen Schöpfungen der klassischen Zeit Niederwürfen. Jndeß noch war die Zeit der Mosle- min's nickt gekommen, Byzanz erhielt noch eine Gnaden frist und Cypern verblieb sein Eigenthum. Ja es war der schönen Insel sogar noch einmal, ehe sie mit in den Fall des oströmischen Reiches verwickelt wurde, eine Blüthezeit bescheert, die der glänzenden Kultur epoche, die einst mit dem griechischen Regime auf ihren Küsten anhob, kaum nachstand. Auch dieses günstige Ge schick aber verdankte die Insel ihrer Lage auf der Straße zwischen Morgenland und Abendland. Es war bekanntlich bald nach dem Beginn des zweiten Jahrtausends unserer christlichen Zeitrechnung, als das Abendland, in das bis dahin fortlaufend die Schaaren des Morgenlandes sich er gossen hatten, von einem geheimnißvl.llen Drange getrieben wurde, zu Hunderttausenden in's Morgenland zurückzu- fluthen. Von den Völkerwogen dieser sogenannten „Kreuz züge" mußte nothwendig auch Cypern getroffen werden. Und merkwürdiger Weise spielte ein Fürst aus dem Volke, das in der Neuzeit die Insel gewonnen hat, dabei die Hauptrolle. Es war Richard Löwenher; von England, der auf seinem Kreuzzug hierher verschlagen wurde und, durch das feindselige Benehmen der Inselbewohner ihm gegen über gereizt, 1191 die Insel im Sturme eroberte. Jndeß damals wußten die Briten noch nicht, was mit dem ent legenen Besitz anfangen, und so verschacherten sie denselben an den vertriebenen König von Jerusalem, Guido aus dem französischen Adelsgeschlechte der Lusignan's für 100 000 Dukaten; und nun wurde im Herzen des Orients das mittelalterliche germanische Ideal eines Feudal-Staates in gelungenster Weise verwirklicht. Der neue König ward durch den Kanzler des deutschen Kaisers, den Bischof von Hildesheim im Jahre 1197 in der Hauptstadt Nikosia gekrönt. Von da an blühte das Reich rasch empor, besonders als die Wiedereroberung des heiligen Landes durch die Sarazenen eine neu Maste abend ländisch-ritterlichen Elementes auf die Insel warf. Diese wurde so zu sagen der Sammelplatz der zersprengten Kreuz *) Nachdruck verboten. zügler. Kunst und Wissenschaft, in letzterer Hinsicht namentlich die Pflege mittelalterlichen Rechts, das in verschiedenen Rechtsschulen gelehrt und später auch in trefflichster Weise kodifizirt wurde, blühten wieder auf, der Handel nahm dadurch, daß die Insel gewiflermaßen die Börse für den Tauschhandel zwischen Orient und Occident wurde, einen außerordentlichen Aufschwung, ja selbst eine Machtentfaltung nach außen auf den benachbarten MeereStheilen und den nahen Küstenstrecken vom Bosporus bis zum Nil fehlte nicht. Aber wie alle Bastarde von vornherein dem Aus sterben geweiht sind, so vermochte auch diese abendländische Blume auf morgenländischem Boden die Stürme der Zeit nicht zu überdauern. Zwar wurde sie durch die Hand Venedigs, das die Insel 1489 durch Erbschaft erhielt, noch eine Zeit lang mühsam vor dem Untergänge bewahrt, aber 1570 mußte sie doch endlich dem furchtbaren Orkan zum Opfer fallen, der, von Mekka aus durch den Islam an gefacht, über Osteuropa dahin fegte und die Grundvesten der ganzen Welt erzittern machte. Aber ehrenvoll ging Cypern zu Grunde. Wohl wateten die Türkenschaaren in dem Blute von 20000 Christen bei ihrem Siegeszug durch's Land, aber die Eroberung hatte ihnen selbst an 50000 ihrer Streiter gekostet. Und selbst die drei Schiffe, die mit unermeßlichen Kostbarkeiten und 1000 der schönsten Mädchen beladen nach Konstantinopel in See gingen, er reichten ihr Ziel nicht. Eine griechische Jungfrau war einen Feuerbrand in die Pulverkammer und zersprengte so sich und ihre unglücklichen Genossinnen dem Tode weihend, die türkische Fessel. — Seitdem verödete die arme Insel, wie jegliches Land, worauf das Osmanenthum seinen ehernen Fuß setzte, bis im Sommer dieses Jahres England sie an sich zu bringen wußte. Zum Schluß seien uns nun nur noch einige allgemeine Bemerkungen gestattet, die in den Rahmen unserer bis herigen Darstellung nicht hineinpaßten. Namentlich ist es das Klima der Insel, über das wir noch Aufklärung geben müssen. Denn hierüber findet man allgemein nur zu viel Unklarheit. Bald wird das Ländchen als ein Ort voll wonniger, würziger, heilsamer Luft geschildert; bald wieder heißt es, es sei eine Stätte des Todes. Und letztere An sicht scheint dadurch bestätigt zu werden, daß nach den Zei tungsberichten von 5000 Mann englischer Truppen bald nach ihrer Ankunft auf der Insel 400 Mann erkrankten und 22 starben. Nun, die Wahrheit liegt, wie so ost, auch hier in der Mitte. Es pflegt nämlich vom Oktober bis Ende Januar für das Land eine Regenzeit zu erscheinen, worauf bis gegen Ende Mai eine prächtige, überaus ge sunde und angenehme Frühlingstemperatur herrscht. Von da an aber erscheint, die Monate Juni, Juli, August und September umfassend, eine Zeit wahrhaft tropischer Hitze, die es häufig und anhaltend bis zu 30" bringt. Dann vertrocknen alle Gewässer, die vorher so üppige Vegetation erstirbt und ein brauner, dürrer Ton legt sich über die Gefilde, mit dem die schwüle, undurchsichtige Luft, der bleich gelbe Himmel wohl harmoniren. In dieser Jahres zeit herrscht allerdings in den Niederungen ein Fieber, das dem Abendländer oft sehr rasch verderblich wird. Dann heißr's, ins kühle Gebirge fliehen, eine Maßregel, die Eng land für seine Truppen wohl wird annehmen müssen, will es dieselben nicht unter dem fieberhauchenden Sonnenbrand des Sommers regelmäßig dezimtrt sehen. Der Geograph aber weiß, daß dieselben Temperaturverhältnisse mehr oder minder in allen Ländern gleichen Breitengrades, unter Anderem in Spanien, an den nordafrikanischen Küsten und auf den kanarischen Inseln herrschen und wird deshalb Cypern nicht schlechthin ein ungesundes Land nennen. Eine andere Landplage der Insel waren die Heuschrecken, die schon im Mittelalter bisweilen das Land verwüsteten, in der Neuzeit aber durch die Ausrottung des Waldes und das Brachliegenbleiben großer Laudstrecken über alle Begriffe zu nahmen. Denn auf diese Weise gewann das Ungeziefer Raum, um seine Eier niederzuleqen. Vor Kurzem kam man indeß auf den Gedanken, platte Tafeln und Bretter in gewissen Zwischenräumen auf den Felbern aufstellen zu lassen, von denen die Heuschrecken massenhaft abglitten und in darunter angebrachte Gräben fielen, wo sie mit Erde bedeckt wurden. So kamen keine alten Heuschrecken zu den Brutstätten zurück, und das Uebel erlosch. Im Uebrigen sei nur nochmals betont, daß der gesegnete Boden der Insel die mannigfaltigsten Produkte, Holz, Getreide, Oel, Tabak, Baumwolle, Zuckerrohr, vor allem aber den «köstlichsten Wein Hervorzublingen im Stande ist. Der Letztere gehört schon jetzt trotz der schauderhaften Behandlung, den er nachdem Keltern erfährt, zu den besten Weinen der Erde. Was würde er erst für ein Getränk abgeben, wenn er rationell behandelt würde! Und endlich würde nicht am wenigsten die Seidenindustrie hier Erfolg haben. Ja, was könnte wieder aus dem lieblichen Eilande «erden! Nun, die Weltgeschichte macht jetzt vor unseren Augen eine rückläufige Bewegung. Sie wendet sich wieder dem Orient zu, von dem sie ausging, trägt die Kultur in die unterdeß verödete Heimath zurück, von der aus sie einst ihren Weltgang antrat. Und wenn wir es vielleicht als Deutsche auch beklagen müssen, daß unser Vaterland dabei die Hände in den Schooß legt, so werden wir doch als Menschen uns erhoben fühlen durch die Hoffnung, daß der Verjüngungsprozeß, dem der Orient langsam aber sicher entgegengeht, auch die herrliche Insel der Schönheitsgöttin mit in seinen Bereich zieht. Möge derselben denn recht bald und recht ausgiebig eine dritte Blüthezeit bescheert sein! Tagesschau. Freiberg, 19. Oktober. Der Schluß des Reichstags wird sofort nach Beendi gung der Berathung des Sozialistengesetzes stattfinden; wahrscheinlich dürfte der Reichskanzler den Schlußakt voll ziehen; man hofft, daß dies heute werde geschehen können Alsdann wird sich der Bundesrath eine Pause seiner Thätigkeit gestatten, dieselbe aber wahrscheinlich im November wieder aufnehmen. Dagegen wird die Staats regierung nach Schluß des Reichstags die vorbereitenden Arbeiten für die preußische Landtags- Session beginnen. Schon in den nächsten Tagen soll eine darauf bezügliche Sitzung des Staats-Ministeriums stattfinden, in welcher die Vorlagen zur Ausführung der Reichs Justiz-Gesetze einen Theil der Berathungsgegenstände bilden werden. Die Reichsregierung hat eine Nate von 30 Millionen Mark von den ihr bewilligten Anleihen zu Reichszwecken zur Zeichnung aufgelegt und diese 30 Millionen 4prozentiger Reichsanleihe sind zum Kourse von 95,60 nicht voll ge zeichnet worden. Das ist eine Thatsache, welche im hohen Grade charakteristisch sür unsere wirthschaftliche Lage ist und nach deren Gründen gefragt werden muß. Zunächst widerlegt sie sehr schlagend die kürzlich häufig zu Tage ge tretene Behauptung: es fehle in Deutschland nicht an Geld, es sei vielmehr nur dem Unternehmungsgeiste und Kapitale das Gefühl der Sicherheit abhanden gekommen; wenn dies Sicherheitsgefühl wiederkehre, werde die Krisis schwinden. Wäre diese Diagnose richtig, so hätte die Reichsanleihe doch hundertfach überzeichnet werden müssen. Wäre es richtig, daß das Kapital aus Mangel an Sicherhettsgefühl feiert und brach liegt, so würde es die Gelegenheit, in der eröff neten Reichsanleihe eine absolut sichere Unterkunft zu fin den, mit einem wahren Heißhunger gesucht und benutzt haben, und zwar um ss mehr, als der Zinssatz von 4,19 Prozent (95,60 Prozent zu 4 Proz. giebt diesen Zinssatz) doch gewiß kein niedriger ist. Im ganzen großen deutschen Reiche wurden aber nicht einmal volle 10 Millionen Thaler gezeichnet, trotz der unbedingten Sicherheit und trotz des hohen Zinssatz« s. Aus dieser Thatsache darf man den Schluß ziehen, daß in Deutschland kein müssiges Kapital vorhanden ist, daß alles Geld entweder fest liegt oder ver loren ist, und daß also auch die Unterdrückung der Sozial demokratie den sogenannten Unternehmungsgeist nicht be leben und die Wirthschaftskrisis nicht beenden wird. Die sechsjährigen Milliarden-Unterbilanzen, sowie die in inem sechsjährigen Krach entweder verlorenen oder festgelegten Kapitalien haben die an sich schon zu geringen Umlauf mittel bis auf ein schwächliches Minimum reduzirt. Diesen Mangel wird man zunächst heben müssen, ehe an eine Be endigung der Krisis zu denken ist Die Kriminalabtheilung des KreiSgerichts in Birnbaum (Provinz Posen) verurtheilte gestern den Erzbischof Ledo- chowsky wegen wiederholter Vergehen gegen die Kirchen gesetze zu 15000 M. Geldbuße event. 2 Jahre Ge- fängniß, außerdem wegen Beleidigung der Regierung zu 2 Monaten Gefängniß. Das Abschiedsgesuch des Admirals Werner ist vom Kaiser genehmigt worden. Die österreichische Ministerkrisis steht heute auf dem selben Punkt wie gestern. In Wien und Pest treffen die .Parlamentsmitglieder ein und halten Vorberathungen. Die I Okkupationsfrage wird namentlich in Ungarn heiße De-