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R und TllgMM. L" Amtsblatt für die königlichen nnd städtischen Behörden zn Freiberg nnd Brand. Verantwortlicher Redakteur Iulius Brauu in Freiberg. !! ^d?rn"^n^m^Ä^? ^"^O UHr für den ! , 30. Jahrgang. Inserate werden bis Vormittags 11 Uhr angenom- . " I I Mittwoch, den 30. Oktober. - »»L"L» L»1878. Nachbestellungen aus den für die Monate November, Dezember werden von sämmtlichen Postanstalten wie von der Unterzeichneten Expedition und den bekannten Ans- und Brand zum Preise von I Mark 50 Pfennige angenommen. expkMivn 068 „freibergee Anroiger." x der Herrschaft de, LsmMeagefchej,. welche'3 auf Schlag äußern sich die Wirkungen des neuen a—iwngesetzes durch Verbot von Zeitungen und Ver einen. Leichten Herzens wird Niemand diese Maßregeln begrüßen; daß man aber unthätig nicht länger zuschauen durfte, wie nach und nach mit steigender Emsigkeit die Grundpfiler von Staat und Gesellschaft unterwühlt wurden, wird ebensowenig Jemand bestreiten wollen. Es hieße in der That die Naivität sehr weit treiben, wollte man vom Staate verlangen, er solle ruhig zusehen, wie die Sozialdemokraten ihm mehr und mehr auf den Leib rücken, bis ryn dann eines Tages über den Haufen werfen. Wer möchte im Ernste dem Staate zumuthen, daß er seinen Schutz denjenigen Bestrebungen angedeihen laste, weiche auf seine Beseitigung hinauslaufen! Die Freiheit ist ein schönes Ding, aber sie ist doch nur unter der Vor aussetzung möglich, daß die Grundlagen des Staates, der sie gewährt, unangetastet bleiben. Diese Freiheit aber dazu in Anspruch nehmen, daß der Staat und mit ihm die von ihm gewährten Freiheiten vernichtet werden, daß ist eine Zumuthung, welche die Sozialdemokraten bei nur einigem Nachdenken doch kaum stellen können. Sie selbst würden — das zeigt ja heute schon der Terrorismus, welchen sie bei jeder Gelegenheit gegen die ihren Bestrebungen fern bleibenden Arbeiter ausgeübt haben — sich gar keine Skrupel machen, in ihrem sozialdemokratischen Zukunfts staate alle auf Wiederherstellung der früheren Gesell schaftsordnung sich richtenden Bestrebungen gründlich zu unterdi ücken. Ebenso wird man aber allseitig darüber einverstanden sein, daß es mit der bloßen Unterdrückung der sozialdemo kratischen Agitation allein nicht gethan ist, sondern daß nun auch die eigentlich aufbauende Thätigkeit beginnen muß. Wie die Gründer der heutigen Gesellschaft mit Schwert und Schaufel zugleich arbeiteten — mit dem Schwert gegen die Feinde, mit der Schaufel zur Befestig« ung ihrer Stellungen und zur Gründung von Ansiedlungen — so werden wir auch heute zur Vertheidigung dieser Ge sellschaft uns nicht nur mit der Abwehr ihrer Feinde, sondern auch mit dem Ausbau und der Weiterbildung ihrer Institutionen befassen müssen. Und dieses Letztere scheint uns schwerer als das Erstere. Mit den Mitteln hierzu hat man sich ja schon vielfach beschäftigt und Vorschläge in dieser Hinsicht sind genug laut geworden. Es geht damit aber gerade so, als wenn man Zahnschmerzen hat: tausenderlei Mittel werden uni angepriesen und schließlich — hilft kein einziges. Vor nich allzu langer Zeit hatte man ein Universalmittel gegen das soziale Uebel, wie gegen andere Leiden: es hieß Bildung. Nachgerade hat man aber diesem Universalmittel doch miß trauen gelernt, namentlich nachdem man eingesehen, da keineswegs die am wenigsten Gebildeten zu sozialdemo kratischen Ideen Hinneigen und daß derjenige Grad von Bildung, welcher ein gründliches Mittel gegen die Sozial demokratie abgeben würde, erst nach Verlauf von Jahr zehnten allgemein verbreitet sein kann. Das, was man so landläufig als Bildung zu bezeichnen pflegt, hilft herz lich wenig. Viel erfolgreicher dürfte aber die eifrige und selbstlose Arbeit des gesummten Bürgerthums für die geistige, sittliche und materielle Hebung der arbeitenden Klaffen sein. Die Arbeitgeber müssen mit allen ihren Kräften darnach streben, daß dauernde Bande der Sympathie sie mit ihren Arbeitern verknüpfen, sollen nicht beide Theile Schaden leiden; sie müssen erkennen, daß ihre soziale Stellung ihnen nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten auferlegt. Mit einem Worte: sie müssen sich bewußt werden, daß die soziale Frage sich nicht einfach ablcugnen, sich auch nicht auf dem Boden philosophischer Spekulation lösen läßt, sondern daß sie nur durch Einfügung ethischer Momente ihre Erledigung finden kann. Weder mit dem vornehmen Ableugnen der sozialen Uebel, noch mit der Berufung auf irgend ein wissen schaftliches System wird der bestehenden Gesellschaftsord nung gedient; cs läßt sich die unzweifelhaft vorhandene Erbitterung eines Theiles der Massen weder durch Jgno- riren und durch Berufung auf die Gewalt, noch durch Ueberredung und scharfsinnige Dialektik beseitigen, sondern durch den thatsächlichen Bewns, daß die anscheinend wider- streitenden Interessen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der werkthätigen Menschenliebe ihre Ausgleichung und Vereinigung finden. „Alle Diejenigen, sagt vr. Böhmert n seiner neuesten Sozial-Korrespondenz, welche auf den Höhen des Lebens und der Bildung stehen, müssen mit dem guten Beispiel der Einschränkung ihrer Genüsse, des ittlichen Lebenswandels und der Strenge gegen sich selbst vorangehen und dem Volke persönlich näher treten. Wer in Ordnungsfreund ist, muß auch ein Arbeiterfreund werden. Dann wird das deutsche Volk aus dieser Krists eines Gesellschaftslebens versöhnt und ungeschwächt her vorgehen." Die Betheiligung der Arbeiter an dem Geschästsgewinn, welche vielfach vorgeschlagen worden ist, wird sich nur in einzelnen Fällen durchführen lassen und kann für die Allge meinheit kaum empfohlen werden. Wohl aber eröffnet sich der Thätigkeit des Bürgerthums ein weites Feld in der Fürsorge für gesunde Arbeiterwohnungen, in der Erleich terung des Erwerbs von Grund und Boden durch die Arbeiter, in der Errichtung von Arbeiter-Sparkaffen, in der Begründung von Volksküchen, von Mägde- und Ge sellenherbergen, von Kost- und Logirhäusern für die unver- heiratheten Arbeiter (damit das zu gar vielen Uebelständen führende Schlafburschen- oder Kostgängerthum beschränkt wird), in der Fürsorge für Sonntagsruhe und ehrbare Sonntagsvergnügen u. s. w. Geschieht das, so wird sich gewiß ein großer Theil der bethörten Massen bald überzeugen, wo seine wahren Interessen und seine wahren Freunde zu suchen sind Wiegt sich aber unser Bürgerthum im Vertrauen auf das Sozialistengesetz in Sicherheit und glaubt es, nun sei alles Nölhige geschehen — dann ist das Gesetz von gar keinem Erfolge und es wäre besser, man hätte es gar nicht erlassen. Tagesschau. Freiberg, 29. Oktober. Auch heute haben wir eine stattliche Anzahl Maßregeln auf Grund des Sozialislenktstlze- zu registriren. Der Reichsanzeiger publizirt nämlich das Verbot des sozia listischen Arbeiterwahlvereins in Bochum, der Arbeiter wahlvereine in Hagen und Langerfeld, des sozialistischen Arbeiterwahlvereins in Dortmund, des allgemeinen deut schen Töpfervereins, des Vereins für Sattler und Beruss- genossen, des deutschen Stellmachervereins, des Bundes der Glasarbeiter Deutschlands in Dresden, des Arbeiterbil dungsvereins in Leipzig, des pfälzisch-badischen Preßvereins in Mannheim, der Metallarbeiter-Gewerksgenoffenschaft, des vereinigten Klcmpnerverbandes, des demokratischen Wahlvereins in Braunschweig, ferner ein von der Kreis hauptmannschaft Zwickau ergangenes Verbot der Druck schrift „Most's Proletarierliederbuch", endlich daS Verbot einer einzelnen Nummer und das fernere Erscheinen des in Leipzig erschienenen „Vorwärts", wie des in Mannheim erschienenen pfälzisch-badischen Volksblattes, der in Rostock erschienenen periodischen Druckschrift „Mecklenburg-Pom merische: Arbeitsrfreund, Organ für das werklhätige Volk." Ebenso hat die Kreishauptmannschaft Dresden den Arbeiter- Bildungsverein in Dresden verboten. Man sieht, trotz der Abschwächungen im Reichstage ist das Sozialistengesetz noch recht schneidig geblieben. Wir möchten wünschen, daß die Behörden in ihrem Eifer nicht allzuweit gehen, um vor Mißgriffen sicher zu sein. Schon jetzt lassen sich Stimmen vernehmen, daß das sofortige Verbot der an Stelle der Berliner Freien Presse in einer Probenummer erschienenen „Berliner Tagespost" schwerlich gerechtfertigt werden könne. Minister Eulenburg äußerte sich in der Reichstags-Debatte über 8 6 des Sozialistengesetzes folgendermaßen; „Wenn Sie sagen, es solle doch eiwr Person nicht verwehrt sein, anderen Sinnes zu werden und diese Aenderung zu be- thätigen — nun, wenn in der That die Führer Liebknecht, Most rc. in Wirklichkeit au' fri dlichem Wege ihre Tendenz verfolgen wollen, warum bedürfen sie denn dieser selben alten Organe»? EÜ wird ein viel sicheres und deutlicheres Kennzeichen ihrer Gesinnungsändernng sein, wenn sie andere Organe dafür gründen; dem steht nichts entgegen." Die Redaktion der neuen „Berliner Tages- wst", dis nicht wegen ihres Jnbalts, sondern als Fort- etzung der „Berl. Fr. Presse" verboten worden ist, hat iereits den Beschwerdeweg betreten und man darf mit Recht auf den weiteren Verlauf der Sache gespannt sein. Zur Linderung des durch das gelbe Fieber unter der deutschen Bevölkerung in den Südstaaten der Union her- vorg-rufenen Nothstandes bewilligte der Kronprinz in Ver tretung des deutschen Kaisers auf den Antrag des auswär- igen Amtes dreitausend Mark. Der Gesandte in Washing ton wurde hiervon telegraphisch benachrichtigt. Die Kommission zur Borberathung eines Civilgesetz- >uches für das deutsche Reich, welche am Anfänge des Monats zu einer gemeinsamen Berathung im Retchsjustiz- amt zusammentrat, hat vor wenigen Tagen, nach Abhaltung von 13 Sitzungen, ihre Thätigkeit geschlossen. Die Arbeiten zur Vorbereitung des umfangreichen Gesetzes sind danach so gefördert worden, daß man jetzt dis volle Usberzeugnng hegt, die einzelnen Theilentwürfe werden im Herbste 1879 zu vollenden sein. Der „Köln. Ztg." wird über die letzten Sitzungen der Kommission geschrieben: Wenn ihre Sitzungen in diesem Jahre eine geringere Zeit in Anspruch genommen haben als in den vorhergehenden Jahren, so hat das seinen Grund darin, daß die Arbeit der mit der Aus teilung der Theilentwüne beauftragten sünf Redaktionen sich ihrem Ende naht. Die Kommission ist während dieser Arbeit zeitweilig zusammengetreten, theils um prinzipielle, sür den Fortgang der Arbeit maßgebende Fragen zu entscheiden, theilS zum Zweck der Aufrechterhaltung des Zusammenhangs mit den Redaktoren. Jetzt ist die Aufgabe der Redaktoren nahezu erfüllt, und es darf erwartet werden, daß mit Ablaus des kommenden Jahres die Theilentwüne fertig vorliegen werden. Welche Zeit dann die Kommission wird au,wenden müssen, um aus diesen Theilentwürien den endgiltigen Entwurf herzustellen, darüber läßt sich gegenwärtig kaum eine Vcrmuthung aus- sprechen. Jedenfalls darf die Nation überzeugt sein, daß an dem großen nationalen Werke mit unablässigem Eiser gearbeitet wird, und daß sich die Aussichten auf das Zustandekommen desselben nicht gemindert haben. Die Ministerkrisis in Oesterreich ist fortdauernd un entschieden. Es erhält sich die Annahme, daß die Entschei dung erst nach dem Abschlusse der Session der Delegationen erfolgen werde. Mit Ausnahme des Klubs der Linken haben jetzt alle Fraktionen des Reichsrathes ihre schriftlichen Erklärungen über das Programm des Freiherrn v. Pretis abgegeben. Der Fortschrittsklub hat bekanntlich kurz und scharf Herrn v. Prelis mit sammt seinem Programm zu- rückgewiesen. Der neue Fortschrittsklub votirte dem Mini ster persönlich sein Vertrauen, erklärte sich aber gegen die Okkupationspolitik und verlangte eine Entscheidung über die Wehrfrage. Der Klub des linken Zentrums sprach seine entschiedene Mißbilligung dcm Grafen Andrassy aus, erklärte sich aber geneigt, ein Kabinet v. Pretis zu unter stützen. Das ist aber nicht logisch, denn v. Pretis will ja