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26 sich besondere Gesichtspunkte (Coblenz 1963 c; 1966 a; Huth 1963). Insgesamt zeigt sich, daß alle Gaue, bis auf Zagost im äußersten Südosten und Dohna und Zwickowe im Südwesten des Arbeitsgebietes, die auch gleichzeitig außerhalb der Verbreitung der Burgwardorganisation liegen, mit älterslawischen und jüngerslawischen Wehranlagen ausgestattet erscheinen. In der Wand lung des Burgenbildes und in der Einführung der Burgwardorganisation werden im landschaftlichen Rahmen der Gaue bei fließenden Übergängen Be sonderheiten sichtbar. Diese müssen aber in Einheit mit den vorangestellten allgemeinen Entwicklungs tendenzen gesehen werden. Differenzierung und Integration aller die Zeit bestimmenden Entwick lungsmerkmale werden in unterschiedlicher Deutlich- keit sichtbar. Eine Erscheinung, die alle Bereiche der sorbischen Siedlungszone berührt und die namenkundlich, bur genarchäologisch und auch von der sozialen Entwick lung her einen Komplex bildet, ist das Vorkommen der Podegrodici-Orte. 38 Es berührt verschiedenartige Erscheinungsformen von Burgwällen. In der archäo logischen Burgenentwicklung gibt es allgemein verbin dende Erscheinungen, wie zum Beispiel den Halb kreiswall in Spornlage, und auch Einzelentsprechun gen, wie die Grundrißgestaltung von Köttern, Kr. Rochlitz, und Kleinweitzschen, Kr. Döbeln. Damit zeigt sich insgesamt ein vielfältiges Bild, wobei mit dem Gau in der Regel traditionelle Bin dungen an die Zeit des 9. Jh. und des Übergangs zum 10. Jh. spürbar werden. Gegenüber dieser Sicht hat sich eine „Gautypologie“ im Sinne von W. Radig (1937 a) als die historische Wirklichkeit weniger adäquat fassender Ansatz erwiesen. 39 Deshalb sollte man die damals geprägten Begriffe Alt-, Jung-, Paß- und Neugau nicht mehr oder nur vorsichtig verwen den. Für eine Wertung von Siedlungseinheiten er scheinen sie nicht mehr aussage- und tragfähig. 38 Betrifft Pögeritz/Wettin; Bauwertitz/Halle-Reideburg; Podgroditz/Posa b. Zeitz; Pauritz/AItenburg; Baderitz/ Zschaitz; Baderitz b. Mügeln/Festenberg. Unklar blei ben Ober- und Niederpoyritz bei Dresden-Pillnitz wegen großer Entfernung untereinander und zu einer Wehran lage (vgl. Anm. 87). Zu streichen ist Boderitz, Kr. Ka menz (vgl. Anm. 226). Vgl. Brachmann 1978, S. 158 f., 224; 1982, S. 135 ff.; Brankack 1964, S. 125 ff.; Grimm 1958 a, S. 97; Eichler 1961, S. 19 ff.; 1963 b, S. 461 f.; 1963 a, S. 810 ff.; 1958 a, S. 11 ff.; Eichler/Walther 1969, S. 239 ff.; 1966, Bd. 1, S. 18 f.; 1967, Bd. 2, S. 112, S. 174; Naumann 1964 b, S. 271 f.; Leciejewicz 1982; Knebel 1983, S. 169. 39 Zu einzelnen Siedlungseinheiten ergeben sich dabei gera dezu falsche Einschätzungen, vor allem bei Nisan, Roch ¬ litz und Dobna. Vgl. Radig 1937 a, S. 59 ff. Dazu Billig/ Richter 1957, S. 5 ff. Zum „Junggau“ Rochlitz: H.-J. Vogt 1971b, S. 188; Buchner 1982, S. 85. Zum „Paßgau“ Ni ¬ san: Billig 1986, S. 81 ff. 3.2. Die Stellung der frühen Landesburgen Meißen und Bautzen Unter den Burgen mit einer regionalen Mittelpunkts funktion finden sich auch solche mit überragender Bedeutung. Enge Beziehungen zur Burgwardorga nisation werden schon dadurch sichtbar, daß Königs pfalzen und Frühstädte wie Magdeburg und Merse burg direkt als Burgwarde bezeichnet wurden. 40 Dennoch sollte man diese hervorgehobenen Burgen und Frühstädte nicht schlechthin mit den anderen Burgwarden gleichsetzen, sondern als „frühe Landes burgen“ über die Ebene der gängigen Burgwarde stellen. 41 Die Sachverhalte der Ausstattung des Moritzklosters in Magdeburg in den Urkunden von 937 bis 973 zeigen, daß der Burgward Magdeburg eine Ausnahme darstellt 42 Die Vorrangstellung Magdeburgs wird bei gleicher Benennung in den Urkunden von 961 gegenüber Barby, Calbe und Frohse deutlich (Billig/Böttcher 1984, S. 27 ff.). Ähnliche Verhältnisse begegnen in Merseburg (vgl. S. 16). Der entscheidende Entwicklungssprung von einer Wehranlage unter den Burgen des Hers felder Zehntverzeichnisses zur zentralen Befestigung der Grenzlandschaft liegt vor der Burgwardentwick- lung (Schlesinger 1963). Erst bei der Wiederherstel lung des Bistums 1004 werden die territorialen Be ziehungen mit dem Begriff Burgward verbunden. In Reichweite und Qualität übertreffen sie die Burg- wardbezirke jenseits der Saale. Dabei ist zu beach ten, daß die Kontinuität der Enwicklung durch die Aufhebung des Bistums beeinträchtigt war und der Sprachgebrauch Burgward sich erst wesentlich später durchsetzte. Er wurde von außen übernommen, als der Prozeß der politischen Landesgliederung schon wesentlich fortgeschritten war (vgl. S. 15). Damit ist verdeutlicht, daß es unter den schriftlich erwähnten Burgwarden Bedeutungsunterschiede gab 40 Magdeburg 961: D 01 222 a u. b. Merseburg: zu 1004: Thietmar V, 44. Vgl. Erläuterungen zu Beilage 1. 41 Der Begriff wurde von W. Emmerich (1957, S. 92) be wußt angewendet. Er erläutert ihn: „Es handelt sich bei den genannten Anlagen weder allein um Burgen noch um Städte im späteren Wortsinn. Doch ist die militärische Funktion, u. zw. als Vorort der Wehrorganisation ihres Bereiches, ihr wesentliches wenn auch nicht alleiniges Kennzeichen. Darum wurde die Bezeichnung ,Landesbur- gen‘ gewählt.“ Vgl. dazu H. Ebner (1976, S. 59): „Diese Frage der Zentralität der Burgen verdiente auch für die frühere Zeit mehr Beachtung.“ W. Podehl (1975, S. 471 ff., S. 602) spricht für das 10. Jh. von der Landes hauptburg Brandenburg. 42 Der Bereich beruhte bereits 937 bei der Gründung des Moritzklosters auf der Zusammenfassung zweier alter ka rolingischer Burgbezirke und zeigt in Beziehung auf Mo- ritzkloster und Pfalz größeren Umfang und weiterrei chende Beziehungen als der Prototyp des normalen Burg- wards (Billig/Böttcher 1984, S. 27 f.). Zur weiteren Ent- wicklung vgl. Schwineköper 1958; Santifaller 1954; 1962/ 1963, S. 27 f.; Schlesinger 1968; 1973, S. 262 ff.; Nickel 1973; E. Herzog 1964, S. 14 ff.; Junghanns 1959, S. 66 ff. Urkundliche Belege vgl. Erläuterungen zu Beilage 1.