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und TagMM. Amtsblatt für die königlichen nnd Wüschen Behörden zn Freiberg nnd Brand. Verantwortlicher Redakteur Iulius Brauu in Freiberg. ^S?37. Erscheint jeden Wochentag Abends 8 Uhr für den andern Tag. Preis vicrteWhrlich 2 Mark 2S Pf., zweimonatlich 1 M. SO Pf. n.emmonatl. 7b Pf. 30. Jahrgang. Donnerstag, den 10. Oktober. Jnferate werden bi» Vormittag» 11 Uhr angenom- men und beträgt der Preis für die gespaltene Zeile oder vrrm Raum 1b Pfmnige. 1878. El Cypern.*) V. Die Sehnsucht hinauf nach den höchsten Zinnen der er habenen Gebirgswelt schlummert in jedem Menschenherzen. Was es auch sein mag, was solchem Zuge in uns zu Grunde liegt, ob wirklich, wie Manche meinen, darinnen das unbewußte Streben gegeben ist, aus der uns überall umgebenden Endlichkeit in die Unendlichkeit uns zu ver lieren, das Eine steht fest, vorhanden ist jene Neigung und wird auch dem Besucher Cyperns bemerklich werden. Er wird sich mit der Ersteigung des Nordgebirgcs, das noch verhältnißmäßig niedrig ist, nicht begnügen, der Schnee gipfel des Olymp, der nahezu auf jedem Punkte der Insel, deren Beherrscher er ist, sich dem Blicke darbietet, der wird ihn besonders reizen. Und so wollen wir denn heute auch noch dahin im Geiste die Wanderung antreten und sodann, an der interessanten Westküste wieder nach Larnaka zUrück- kehrend, unseren Strerfzug durch die Insel abschließen. Die Besteigung des Olymps, die übrigens bisher fast noch nie von den indolenten Einheimischen, sondern nur von fremden Reisenden unternommen wurde, geschieht von dem Gebirgsdorfe Eurychu aus, das am Nordfuße des Bergriesen sich ausbreitet. Die Reise nach dieser Operations basis nimmt etwa einen Tag und die Tour auf den Berg von da aus etwa die gleiche Zeit in Anspruch. Hat man das dunkle Thor von Leukosia passirt, so gilt es,. abermals einige Stunden durch die Ebene der Mesöria zu wandern. Dieselbe ist auf etwa anderthalb Stunden noch mit Ge treidefeldern bedeckt, die bereits im April zum Abernten bereit stehen; dann aber nimmt sie auch auf dieser Seite den Charakter der Steppe an, den wir schon auf unserem Anmarsch gegen die Hauptstadt von der Südseite her kennen lernten. Weit und breit zeigt sich der fruchtbare Boden nur mit kurzem Gras und grünen niedrigen Büschen be deckt. Hie und da breitet sich auch ein bunter Blumen teppich aus, in welchem Tulpen und Zwiebelgewächse sich besonders bemerklich machen. Nur äußerst selten wird ein stilles Dörfchen sichtbar. An den Bewohnern derselben fiel unserem Gewährsmann besonders das blühende Aussehen auf, das man bet den etwa anderthalbhundert Fasttagen, die die griechische Kirche kennt und die allgemein so streng eingehalten werden, daß man an ihnen nur Brot und Grünes, nicht einmal Milch und Oel genießt, gewiß nicht erwartet. Späterhin kommt man in die Region der Vorberge und damit in eine gänzlich veränderte Umgebung. Ueberall rieselt Wasser in Schluchten und Ein senkungen, dichter Baumwuchs, darunter viel Oleander breitet sich aus. Doch bleibt die am modernen Cypern so eigenthüm liche Nacktheit und Baumarmuth auch hier noch wenigstens auf den Anhöhen bemerklich. Ehemals freilich sah es auch in dieser Hinsicht auf der „glücklichen" Insel anders aus. Der Waldwuchs reichte damals vom Hochge birge bis ans Meer. Ader schon das Mittelalter fing an, diesen Reichthum in unvorsichtiger Weise zu schwächen. Die Forste Cyperns lieferten in jener Zeit unaufhörlich das Schiffsbauholz für alle Seestädte des Mittelmeeres, für Kriegs- wie für Handelsflotten. Jndeß, so viel man auch nahm, der fruchtbare Boden vermochte es damals noch immer zu ersetzen. Anders wurde es, als das Eiland den Türken in die Hände fiel. „Um hundert Stämme auf die Kriegswerften zu bekommen, wurden gleich tausend nieder geschlagen." „Jedes Unglück, das die Türken zur See er fuhren, brachte den cyprischen Waldungen neue Verwüstung." Und dabei wurden die fremden Usurpatoren von den Ein heimischen selbst aufs Beste unterstützt. „Je ärmer das Volk wurde, um so mehr erholte es sich am Walde." Und die Art, wie sie es noch jetzt treiben, macht eine Heilung unmöglich. Noch immer ist nämlich der Holzbestand Frei gut für Alle. Und da die armen Dörfler theils eine Axt nicht besitzen, theils zu faul sind, sie an starke Stämme anzulegen, so müssen selbst die kleinsten Bäumchen herhalten. Auch werden die zahlreichen Hirten, die uneingeschränkt im ganzen Gebirge Herumschweifen dürfen, häufig theils aus Unvorsichtigkeit, theils aus reinem Muthwillen die Urheber großer Waldbrände, während ihre Schafe und Ziegen da, wo der unermüdliche Boden auf den Blößen wieder Nach wuchs schaffen will, unbarmherzig die jungen Schößlinge vernichten. *) Nachdruck verboten. Wenn indeß auch in Folge solcher im Gebirge domi- nirenden Kahlheit Regen und Wafferfluthen schon viel Humus htnweggeschwemmt und eine Aufforstung an manchen Stellen nahezu unmöglich gemacht haben, so liegt doch fette Walderde noch in unermeßlicher Menge in den Bergen und es ist darum zu hoffen, daß die einstchtvollen Eng länder, die nunmehr Herren der Insel sind, auch in dieser Hinsicht die alte Blüthe wieder aus der Äde locken Wer ren. Tüchtige Forstleute, das sollte das Erste sein, womit ras energische und reiche Britannien die heruntergekommene Insel, das schöne Weib mit dem kahlen Scheitel, beschenkten. Ach, und möchten doch überhaupt die europäischen Regier ungen sich aufraffen und dem in gar mannigfacher Hinsicht ver derblichen Entwalden, das in so vielen Ländern, im Nor den wie im Süden, in Norwegen wie in Korsika und an derwärts an der Tagesordnung ist, energisch Einhalt ge bieten! — Die trüben Gedanken, die so der erste Schritt in's Hochgebirge wachgerufen, müssen aber weichen, wenn wir in dem bereits genannten Dorf Eurychu ankommen. Denn dasselbe, 1700' hoch gelegen und ca. 700 Einwohner zählend, gehört zu den schönsten Ortschaften der Insel. „Es liegt in einem lachenden Gebirgsthale, dessen Auen in Fruchtbarkeit schwimmen. Ringsum aber steigen Berghöhen empor in malerischen Gruppen." Daneben aber macht die Bevölke rung hier oben einen ganz anderen Eindruck als die Leute in der Ebene und an den Küsten drunten. Während diese Letzteren mehr von unansehnlicher Gestalt und hübsche Ge sichter unter ihnen selten sind, fast alle aber schmutzig und unsauber erscheinen, so giebt's hier frische Wangen, feine Züge, schlanke, edle Figuren. Es erscheint daher die An nahme nicht unberechtigt, daß hier im unzugänglicheren Gebirge noch Reste von echtem altem Griechenvolke übrig geblieben sind, während da drunten eine unglaubliche Völker vermischung stattgefundrn hat, gerade so wie man das auch auf andern griechischen Inseln beobachten kann. Einen Nachklang der feinen, altgriechischen Bildung kann man auch die höflichen Sitten nennen, die die Anwohner des cyprischen Abgangs noch jetzt haben. So pflegen junge Mädchen oder Frauen dem in's Haus eingetretenen Fremd ling höchst graziös einen Apfel als Symbol guter Freund schaft zu überreichen. Ein Glas Wasser weiter wird auf offener glatter Hand wie auf einem Präsentirteller und mit einem Wunsche dargeboten, während der Ueberbringer stehen bleibt, bis er das Glas wieder zurücknehmen kann, was abermals mit einem Wunsche geschieht. Zum Gruß wird die Hand mit leichter Verneigung auf die Brust ge egt. Und endlich, wenn ein Fremder aus einem der gast lichen Häuser, die sich ihm gern öffnen (denn Hotels giebt es auf dem Lande noch nicht), wieder in die Ferne zieht, o stehen Frauen und Mädchen mit Kohlenbecken bereit und streuen Oelbaumblätter und anderes würziges Kraut n die Gluth, um mit dem angenehmen Duft im Herzen res Gastes auch ein freundliches Andenken zu hinteriaffen. Auch viele altklassische Namen, als Sokrates, Kleobulos, Minerva, Terpsichore, Penelope, Euanthia u. a. findet man hier noch im Gebrauche. Von diesem herrlichen Dorfe geht es nun dem alten Olympos droben direkt zu Leibe, immer durch wundervolle Szenerie. So sieht man z. B. die Felder mit fortlaufendem Myrthengebüsch als Umzäunung umgeben. Nachtigall und Droßel grüßen aus dem dichten Laube der Eichen, Pla tanen, Oliven und Lorbeeren, die im engen bergstrom durchrauschten Thale stehen. Hie und da sieht man auch weiße Lilien in Menge die Abhänge bedecken, während darüber dunkle Felswände, mit einzelnen Fichten geschmückt, emporsteigen. — Weiter glimmt der Pfad steiler aufwär! s an breitgedehntem Bergeshange hin und als neuer Reiz erscheint mit einem Male, immer voller hervortretend, das blaue Meer drunten und der schneebedeckte Taurus drüben in Klein-Asien. Leider wird diese Aussicht durch die hier oben, wo der mächtigste Urwald stehen könnte, nur ganz einzeln zu findenden Bäume in keiner Weise beschränkt. Dagegen strecken hier noch Hyazinthen, Narzissen und Cistrosen ihre Köpfchen in Masse empor. Späterhin wird der Weg, besonders durch den feuchten Schnee, der im Frühjahr wenigstens, in welcher Jahreszeit ausschließlich Touristen sich nach Cypern zu verirren pflegen, noch hoch liegt, beschwerlicher, bis man am Spätnachmittag des zweiten Reisetags, von Leukosia aus gerechnet, den meist schneefreien, gut zu begehenden Gipfel, der eine Höhe von l 6160 Fuß über dem Meere hat, erreicht. Dieser Kulminationspunkt des gesammten Eilande- führt übrigens jetzt den Namen TroodoS. Doch wird der altklasfische Name Olymp, den sehr viele Hochgipfel auf Terrain mit griechisch redender Bevölkerung in Europa wie in Klein-Asien führen, und der so viel wie unser deutsches Alp oder Alme, d. h. grüne Matte, bedeuten soll, noch immer gehört. Wenn aber auf dem Olymp in Griechenland drüben einst die Götter ihren Sitz aufgeschlagen haben sollten, so verdiente unser Olymp hier in Cypern sicherlich dieselbe Auszeichnung. Denn wundervoll ist in der That di« ungeheure Aussicht, die sich hier oben erschließt. Selbst verständlich liegt ja die ganze Insel, ein Areal von 350 Quadratmeilen, unter dem Beschauer wie eine Land karte ausgebreitet. Deutlich sind insonderheit ihre drei Theile, das nördliche Gebirge mit seinem östlichen Ausläufer, der karpasischen Halbinsel, die weite gelbbraune Ebene und das westliche Bergland, in dessen Zentrum wir stehen, von einander abgegrenzt. So klar laufen die Rippen und Schluchten, die Erhebungen und Vertiefungen des letzteren nach allen Seiten hin aus, daß man faßt meint, ein Riesenrelief, aus einer Pappmasse verfertigt, vor sich zu haben. Rings um die mächtige Landmasse der Insel aber dehnt sich, scheinbar nach dem Horizont wie ein eherner Gürtel anschwellend, das unermeßliche Meer aus, über dessen dunkles Blau das deutlich sichtbare Schneegebirge des klein asiatischen Taurus, sowie auf der anderen Seite sogar die duftigen, verblauenden Kontouren des Libanon herüber- grüßen. Zur Nachtstation nach der immerhin anstrengenden Tagestour, welche zu dieser Besteigung nöthig war, bietet sich uns, die wir nun die südwestliche Küste der Insel zu gewinnen suchen, das immerhin noch hoch am Gipfel liegende Kloster Trooditiffa, ein armseliger Bau mit einer einfachen, uralten Kirche, in der sich als einzige Merkwürdigkeit ein schon im Jahre 1799 von den Russen geschenktes, aus Gold und Silber gefertigtes Muttergottesbild befindet. Die Stätte wird alljährlich von vielen Wallfahrten besucht, wobei die armseligen Mönche, die hier in dieser Einöde Hausen, ihren Unterhalt verdienen. Tagesschau. Freiberg, 9. Oktober. Die vertraulichen Berathungen über das Sozialisten gesetz sind gestern in den Fraktionen des Reichstag- zum Abschluß gelangt. Offizielle Anträge find zu dem Gesetze nicht eingelaufen. Dagegen hat der Abg. vr. Beseler den Antrag eingebracht, den 8 20 in verschiedenen Punkten abzuändern. Danach sind die in dem genannten Para graphen vorgesehenen Anordnungen (Belagerungszustand) nicht von den Zentralbehörden der Bundesstaaten mit Ge nehmigung des Bundesraths, sondern vom Kaiser mit Zu stimmung des Bundesraths zu treffen. Ueber die fraglichen Anordnungen soll dem Reichstage nicht „Rechenschaft ge geben," sondern nur „Mittheilung gemacht" werden. Ferner soll die Bestimmung der Regierungsvorlage wieder herge stellt werden, daß die getroffenen Anordnungen durch den Reichsanzeiger bekannt zu machen sind. Die Kommission hatte diesen Passus dahin abgeändert, daß die Bekannt machung „auf die für landespolizeiliche Verfügungen vor geschriebene Weise" erfolgen soll. Ueber die Ministerkrisis in Oesterreich-Ungarn schreibt man aus Pest: Die Politik des Grafen Andraffy hat die Monarchie in die bosnische Sackgasse hineingeführt und die Ungarn — ohne Partei-Unterschied — wollen hinaus. Um das dreht sich die ganze Verfassungs- und Ministerkrisis. Das Uebrige in Betreff der letzteren, die von offiziöser Seite in die Welt gesandten feineren Unterscheidungen über die zwischen Tisza und Szell herrschenden Meinungs verschiedenheiten, entbehren jeder Grundlage. Wie schlau hierbei Graf Andraffy zu Werke ging, das geht aus der Leidensgeschichte des gewesenen Finanzministers Szell ge nügend hervor. Letzterer mißbilligte stets die Besetzung Bosniens. Er mißbilligte dieselbe sogar, als Andraffy ihm versicherte, daß, wenn diese — was nicht wahrscheinlich — stattfinden sollte, dazu höchstens dir Mobilmachung einer Division und ein paar Millionen Gulden nothwendig wären; den 60-Millionen-Kredit brauche der Minister des Aeußern nur, um mit Summen, und nicht mit Gulden zu demonstriren. Als von der Beschaffung der ersten und be sonders von jener der zweiten 30 Millionen die Rede war,