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und Tageblatt. Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden za Freiberg und Brand. Knabe, der kaum lesen kann, schon sein Taschengeld. Herr A. thut das, und darum thut's Herr B. auch, denn was Herr A. haben kann, das kann Herr B. auch noch! Welcher Luxus wird heute nicht mit den Weihnachts geschenken getrieben; was wird nicht an tausenderlei Nich- igkeiten auf manchem Weihnachtstische aufgebaut! Von Jahr zu Jahr überbietet man sich darin — und das Ende? Das Kind wird blastrt; es findet in einem Alter, wo nur Einfachheit herrschen sollte, nur Lust am Raffinement Zu allen Vergnügungen, welche die Eltern besuchen, Konzerte, Theater, ja selbst Tanzvergnügungen werden auch die Kinder mitgenommen. Man veranstaltet Kindergesellschaften, bei denen die Kleinen zeigen, daß sie es den Großen schon recht hübsch abgeguckt haben. In den größeren Städten ist man ja auch schon richtig bei Kinderbällen angelangt. Und ihr Mütter — wie steht es mit den Toiletten eurer Töch terchen? Werden nicht viele unter ihnen herausgeputzt wie große Damen? Pflanzt ihr nicht systematisch in die jugendlichen, unschuldigen Gemüther Koketterie nnd Eitelkeit? Wir können und werden nicht mehr zu den Verhält nissen früherer Jahrzehnte zurückkehren; aber in der Kinder- Erziehung muß die Einfachheit wieder maßgebend werden, wie sie ehemals die erste Regel war. gesellschaftlichen Uebeln so, daß man die zeitige Generation aufgiebt und die Heranwachsende zu retten sucht. Was ist denn nun eine Hauptquelle der Sozialdemokratie ? Wir antworten: die Genußsucht unserer Tage Möglichst wenig arbeiten, möglichst viel genießen — das ist die Loosung bei leider gar Vielen. Die einfachen Verhältnisse früherer Tage sind verschwunden; die großartigen Verkehrs mittel unserer Zeit haben die Menschen einander näher ge bracht; durch Eisenbahnen, Post, Presse haben heute den Luxus — der früher ja auch vorhanden, aber auf enge Kreise beschränkt war — weite Schichten kennen gelernt und es ist gar nicht befremdlich, daß diese weiten Schichten nun bald zu dem Wunsch gelangten, solchen Luxus auch treiben zu können. Und ging's nicht ganz so, dann doch wenigstens annähernd. Die Maschinen sorgten ja auch für billige Produktion, die Industrie beschaffte Nachahmungen der von den höheren Ständen gebrauchten Sachen zu Spottpreisen. Es schwand die Freude am Reellen und Soliden, es schwand die Lust am schönen Schein und es zogen tausend neue Bedürfnisse ein. In diesen Bedürf nissen aber ist für Denjenigen, der sich nicht zu beherrschen vermag, kein Halt. So lange es noch Einen giebt, der sich mehr gönnen kann als wir selbst, werden wir dann neidisch auf ihn blicken, werden das, was uns versagt ist, schließlich als unser Recht beanspruchen und gelangen ge raden Wegs zur — Sozialdemokratie. Diese Genußsucht ist schon unter der Jugend verbreitet und schwache Eltern haben das Ihre redlich gethan, um sie dort einnisten zu lassen. Wollen wir also mit der Er ziehung unsern Kampf gegen die Sozialdemokratie und zur Besserung unserer Zustände beginnen, so wird es uns Zur Besserung unserer Zustände. Man mag der Sozialisten-Vorlage zustimmen oder nicht, darüber werden wohl die Meisten einig sein, daß das Gesetz allein gegen die Sozialdemokratie gar nichts auszurichten vermag. Selbst die Neichsregierung hat es ja ausgesprochen, daß sie ihre Sozialisten-Vorlage nur als die erste Etappe auf dem Wege zur Bekämpfung der So zialdemokraten ansieht und daß es der Mitwirkung des gesammten Bürgerthums bedarf, um die schädlichen Ein wirkungen der Sozialdemokratie zu pariren. ES wäre vielleicht Manchem, dem seine Schlafmütze über alles geht, lieber, wenn er alles auf die Behörde wälzen und ungestört weiter schlafen könnte. Aber es hilft nichts, ob gern oder ungern — das Bürgerthum muß gegen die Sozialdemokraten zu Felde ziehen. Wie aber soll es das? Soll es etwa seine Tüchtigkeit bethätigen, indem es die Sozialdemokraten denunzirt, aus ihren Stellungen ' bringt oder gewaltsam gegen sie auftritt? Wir meinen, selbst wenn nicht ein gewisses Anstands- gesühl dagegen spricht — schon der Gedanke müßte davon abhalten, daß dergleichen doch nichts helfen würde und daß man lieber unterläßt, was nicht hilft, sondern nur erbittert. Nein, bei einer solch tief gehenden Strömung, wie der so zialdemokratischen, muß Jeder, der sie auch nur einiger maßen kennt, sich sagen, daß man mit solcher Oberflächlich keit nichts ausrichtet, undman viel mehrihre in der menschlichen Natur liegenden Quellen aufsuchen und verstopfen muß. Man kann dies auch gar nicht mehr bei der gegenwärtigen Generation versuchen, sondern muß mit der Heranwachsenden den Anfang machen. Es ist ja bei allen derartigen an Arbeit nicht fehlen. Da ist Hunderterlei, waS — in gereifterem Alter mäßig genoffen, unschuldig und harmlos ist — dem Kinde aber geboten zum reinen Gift wird- Wenn wir Kinder aus der alten Zeit am Jahrmarkstage ein paar Kupferpfennige bekamen, das war eine Freude, die ein Vierteljahr vorhielt; Wochen vorher und Wochen nachher wurde davon gesprochen! Heute bekommt der -M« >. Di- "L Beschäftigung von GUA^ne Erhebliche Verschiedenheit stritten- 2. Dagegen besteht die Organi- >er Anschauungen nnter Relckästigungen, sowie über sation derartiger in den Umfang und die Art s mo h^ch herbeige- den einzelnen Anstalten " 3. Klagen kommen führten Einfluß °uf das fr-^ Verbindung mit aanz besonders dort zum Ausdrua, wo Urbelter- dem in Norddeutschland vorherrsche den Betrieb, Verdingung -in mehr oder Umge- Ln undWestfalen, die Kouvertfabrrkat ! K-st/ittate aeringere zugs weder dem Erwerbs-, noch dem fiskalrschen Stand punkte ein überwiegender Einfluß zuzuerkennew Schon da durch werden verschiedene Beschäftigungsarten, wie z. B. Cigarrenfabrikation, Goldleiftenfabrikation, wegen der dabei naheliegenden Lockerung der Disziplin stch mehr oder we niger von selbst verbiete^ 2) Es empfiehlt sich ferner eme mögliche Vielgestaltigkeit der Betriebszweige in leder ein- zelnen Anstalt. 3) Es erscheint Mckmagig, die Herstellung von Bedarfsartikeln für öffentliche Zwecke den Gefangenen anstalten zuzuweisen. Dahin zählen beispielsweise Lieferungen sür Verkehrsanstalten, Gerichts- und Verwaltungsbehörden, Militär rc. 4) Ferner ist anzustreben die Schaffung von selbständigen Strafanstalts-Kollegien, in welchen neben dem Juristen, dem Verwaltungs- und Finanzbeamten, dem Arzte und dem Geistlichen, auch den Vertretern von Handel und Gewerbe Sitz und Stimme, etwa nach dem Vorbilds Würt tembergs, eingeräumt wird; endlich ist 5) die Herausgabe periodischer eingehender Veröffentlichungen über Art und Umfang der Beschäftigung von Gefangenen unter An bahnung gleichheitltcher Grundlagen über die Prinzipien dieser Veröffentlichungen in den verschiedenen Bundesstaaten geboten. Die österreichisch-ungarische Ministerkrisis harrt zwar noch ihrer Lösung, aber es treten schon günstige Aussichten zu solcher hervor. Zunächst wird heute über die Ursache der ungarischen Krisis gemeldet, daß man in Wien neben dem bewilligten 60 Millionen-Kredit noch weitere 85 Mil lionen Gulden für die Okkupation verlangte und deshalb etzigen Reichstage einen anderen Gesetzentwurf auf dem Boden des gemeinen Rechts vorzulegen, für gänzlich unbe gründet; die Regierung halte eine wirksame Bekämpfung >er Sozialdemokratie nur durch ein Spezialgesetz für mög lich und werde von diesem Gesichtspunkte aus jedenfalls auch weiter handeln. - Die „Prov.-Korresp." bemerkt zu dem letzten Schreiben des Papstes, diese Kundgebung be tätige von Neuem in erfreulicher Weise den ernsten Willen )es Papstes für die Wiederherstellung des kirchlichen Frie dens, sowie die Ueberzeugung desselben, daß gleiches Streben auf Seiten der deutschen Regierung bestehe. Mit dieser Stellung aber stehe in schroffem, höchst auffallendem Wider- pruche die Haltung der ultramontanen Presse gegenüber enen friedlichen Absichten und Aussichten. — Ueber die Dauer des Aufenthalts des Kaisers in Baden-Baden und den Zeitpunkt der Rückkehr nach Berlin sind noch keinerlei Bestimmungen getroffen. Es liegen nunmehr die Beschlüsse vor, welche in Sachen der Gesängnißarbeit und ihrer Rückwirkung auf die Privatindustrie von der Kommission aus Mitgliedern des deutschen Handelstages, des Reichskanzleramts, der preußi schen Ministerien des Handels, der Justiz und des Innern sowie den Vertretern Württembergs und Sachsens in drc aufeinanderfolgenden Tagen gefaßt worden sind. Die Be- dem ungarischen Ministerium eröffnete, es möge in dieser Richtung seine Vorkehrungen treffen. Finanzminister Szell erklärte: er habe für die Ausgaben des Staates bis zum 1. Januar 1879 vorgesorgt, er sei der Unterstützung der mächtigen Finanzgruppe, die bisher seine Anleihen durch- gesührt, gewiß, aber nur insolange, als er nicht ungarische Schuldverschreibungen zu Schleuderpreisen begebe. Gegen über den Anforderungen aber, die jetzt austreten, würde er gezwungen sein, Geld zu den denkbar schlechtesten Be dingungen aufzutreiben und das könne und wolle er nicht thun. ES bliebe nur ein Mittel, um Dem zu entgehen, und dieses Mittel bestehe in der Kontrahirung einer gemein samen Schuld in irgend einer Form, entweder durch Aus gabe von Staatsnoten oder durch eine Ausgabe von Bank- die der Bank Sicherheiten geboten würden, oder Emittirung eines gemeinsamen Anlehens, ür welches gleichzeitig Oesterreich und Ungarn haftbar hin erfolgte in Wien die Anfrage wir Finanzminister,FreiherrvonP^ DOi!" N der Kontrahirung einer gemeinsamen Schuld^stelle? E°rdnm„ st, L, A'LU Erscheint jeden Wochentag Abends S Uhr sür den andern Tag. Preis vierteljährlich 2 Mark 2ü Ps., zweimonatlich 1 M. bOPf. n.emmonatl. 7b Pf. Tagesschau. Friberg, 3. Oktober. Gestern beendigte die Kommission für bas Soztaltsten- esttz die zweite Lesung desselben und es ist auch in dieser Veiten Berathung zu keiner vollen Einigung mit der Re- irrung gekommen. Namentlich hielt die Kommission an der 2^jährigen Geltungsdauer des Gesetzes fest, während die Regierung von der Festsetzung jeder Frist abzusehen vünscht. Wahrscheinlich wird im Reichstage selbst hierüber n Kompromiß auf die Zeit von fünf Jahren geschloffen. Die heutige „Prov - Korresp." hat sich also doch geirrt, wenn sie in Bezug auf die zweite Lesung sagt: Die Hoff nung einer weiteren vollen Verständigung in der Kommission des Reichstags darf nach den bisherigen Anzeichen des ernsten Willens und Strebens für das Zustandekommen innerhalb der Mehrheit der Kommission wie der gemäßigten Parteien des Landes durchaus aufrecht erhalten werden. Bei Beurtheilung des bisherigen Ergebnisses der Kom- missionsberathungen fällt betreffs einzelner noch streitiger Punkte die Thatsache ins Gewicht, daß die betreffenden Beschlüsse nicht nur eine Vereinbarung zwischen denjenigen Gruppen sind, welche das Zustandekommen des Gesetzes wirklich wollen und zu fördern bestrebt waren (National- liberale und Konservative), sondern das Ergebniß des Zu sammenwirkens eines Theiles der Nationalliberalen mit den entschiedenen Gegnern des Gesetzes. — Die „Rordd. Allg. Ztg." erklärt das Gerücht, die Regierung beabsichtige, falls das Sozialistengesetz nicht zu Stande komme, dem Verantwortlicher Redakteur Iulius Braun in Freiberg. Freitag, dm 4. Oktober, i 1—— —