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MikWrM^ und Tageblatt. " * Amtsblatt für die königlichen und Wüschen Behörden zu Freiberg und Brand. 217. Verantwortlicher Redakteur Iulius Broun in Freiberg. In Vertretung: Ernst Mauckisch in Freiberg. Inserate werden bis Vormittags 11 Uhr angenom men und beträgt der Preis sür die gespaltene Zeile ''— deren Raum Id Pfennige. Erscheint jeden Wochentag Abends S Uhr für den andern Tag. Preis vierteljährlich 2 Mark 2b Pf., zweimonatlich 1 M. bO Pf. u.cinmonatl. 7b Pf. i . . 0' Jahrgang. i Inserate werden b Dienstag, den 1/. September. E. 1878. Nationalliberalen mit Angriffen, daß diese sich mit der Partei und den Sozialdemokraten, will von dem Gesetze prinzipiell Nichts wißen, sie wird sich unbedingt ablehnend verhalten. Sie wird einen Bundesgenoffen finden in der Fortschrittspartei, welche bei der Präsidentenwahl mit den Nationalliberalen zusammengegangen ist, dem Sozialisten gesetze gegenüber aber bei ihrer absolut negirenden Stellung beharrt. Während mithin alle düse Parteien mit ihren Entschlüssen längst im Reinen sind, haben die National liberalen, wie schon so oft, eine sehr schwierige Aufgabe. Es ist unzweifelhaft, daß sie sich, wie im Mai, so auch fortwährender Unterstützung der Fortschrittspartei gelang, die Wiederwahl des vorigen Präsidiums durchzufetzen. Daß von Forckenbeck Präsident und der Fürst von Hohenlohe Fort'chrittspartei verbunden und zu ihrem eignen Schaden das Prinzip der „Solidarität der liberalen Interessen" vertreten haben, und in den Augen mancher fortschrittlichen und nationalliberalen Organe erscheinen wiederum di« Deutschkonservativen fast als Reichsfeinde, weil ein Theil von ihnen es über sich vermocht habe, für den Zentrums kandidaten zu stimmen. Daß solche gegenseitige Anschul digungen wenig geeignet sind, ein erfolgreiches Zusammen gehen der in ihren Zielen verwandten Parteien anzubahnen, ist selbstverständlich. Von materiellen Berathungsgegenständen beschäftigte nur die Frage des Unterganges des Panzerschiffs „Großer Kurfürst" das Haus. Atan fühlte allgemein das Bedürfntß zur Beruhigung der öffentlichen Meinung diese Frage sovie zu klären, als dies jetzt, wo die Angelegenheit noch in der Schwebe sich befindet, überhaupt möglich ist. Ein ab ¬ schließendes Urtheil über die Ursachen jenes erschütternden Unfalls, der die deutsche Marine betroffen hat, läßt sich ja noch nicht fällen, da das Kriegsgericht erst in der nächsten Zeit zusammentreten soll; aber der Chef der Admiralität waren Konservative und Liberale einig. Der Kampf drehte ich daher einzig und allein um tue Besetzung der ersten Vizepräsidentenstelle, welche von allen drei Gruppen sür ich in Anspruch genommen wurde. Nach zwei erfolglosen Wahlgängen fiel der Kandidat der Konservativen, der chwächsten Gruppe, aus und es rangen nun miteinander der nationalliberale und der Zentrumskandidat. Die Deutschkonservativen, zu schwach, ihren eigenen Kandidaten durchzubringen, hätten es beinahe in der Hand gehabt, dem Zentrumskandidaten zum Siege zu verhalfen; wenn sie ge schloffen sür letzteren stimmten, so hätte sich Stimmengleich heit ergeben und das Loos hätte ebensogut für den Frei herrn v. Frankenstein als für den Freiherrn v. Stauffen berg entscheiden können. Dies geschah jedoch nicht; nur der kleinere Theil der Deutschkonservativen stimmte für den Volksmaffen nach Schloß Wilhelmshöhe. Ihre Majestät die Kaiserin ist bereits am Abend vorher auf Schloß Wil helmshöhe angekommen. Das Aussehen des Kaisers ist ein vortreffliches. — In Berlin waren am vergangene» Freitag und am Sonnabend Gerüchte von einem neuerdings gegen Se. Majestät den Kaiser verübten Attentate verbreitet. Ein solches hat nicht stattgefunden. Diese Nachrichten sind vielmehr, wie jetzt offiziös berichtet wird, auf folgenden Vorgang zurückzuführen, der sich vor etwa acht Tagen in Gastein zngetragen hat. Ein wohlgekleideter Herr erkun digte sich mit einem Eifer, der den Leuten, an welche er sich wendete, auffällig wurde, nach den Wegen, welche der Kaiser zu nehmen pflege, nach den Tagesstunden, zu welchen die Ausflüge stattfänden, ob zu Wagen oder zu Fuß rc. Der Frager wurde in Folge dessen verhaftet. Um feinen Namen befragt, gab er einen solchen an. Hinsichtlich der Subsistenzmittel «klärte er, I2 Fl. bei sich zu haben. Es wurde jedoch für räthlich befunden, den Herrn zu durch suchen und l s fanden sich über LOO Fl., und zwar in deutschen Fünfmarkstücken, einer Geldsorte, die man in einer solchen Menge dort wohl nur beim Bankier erhalten kann. Außer dem fanden sich Visitenkarten, die einen anderen als den an- ZentrumSmann, der kleinere Theil fand es für angemessener, durch Abgabe von unbeschriebenen Stimmzetteln gegen die nach ihrer Ansicht den Konservativen zugefügte Unbill zu protestiren. Daß das überraschende Resultat der Präsidentenwahl eine Menge Rekriminationen zur Folge haben würde, ließ sich voraussehen. Das Zentrum beschwert sich laut da rüber, daß ihm die gebührende Vertretung im Präsidium entzogen worden sei; die Konservativen überhäufen die das Gesetz mit einigen Verbesserungen anzunehmen, der1> kleinere Theil unter der Führung des Abg. Lasker würde s aus unüberwindlichen Bedenken dagegen stimmen. Was ' aber geschieht, wenn das Gesetz auch diesmal abgelehnt , wird, ob der Reichstag von Neuem aufgelöst wird, ob der ! Reichskanzler zurücktritt, entzieht sich natürlich jeder Mensch- , Uchen Voraussicht. In der abgelausenen Woche war es naturgemäß die Präsidentenwahl, welche das größte Interesse in Anspruch nahm. Die unglückliche Dreitheiluug des Hauses, die sich wahrscheinlich noch bei vielen Fragen als verhängnißvoll erweisen wird, trug hier zum ersten Male ihre schlimmen Früchte. Die stärkste Partei des Hauses, das Zentrum, sollte nach dem Willen der übrigen Parteien als eine „reichsfeindliche" Partei auch diesmal von einer Vertre tung im Präsidium ausgeschloffen werden. Das Zentrum stellte gleichwohl, wenn auch nur als Demonstration, ihren eigenen Kandidaten auf. Sieht man vom Zentrum ab, so war die nächststarke Partei die nationalliberale, dann folgte die deutschkonservative Fraktion und die deutsche Reichspartei. Aut Grund dieses Verhältnisses proponirten die Konservativen den Nationalliberalen enr Kompromiß, nach welchem der Präsident den Na'ionallibsralen, der erste > Vizepräsident den Deutschkonservativen und der zweite ! Vizepräsident der Neichspartei entnommen werden sollte, l Die nationalliberale Partei hatte aber wenig Lust, der rechten Seite des Kaufes beide VizepnändentensUllen zu- zugestehen, und so kam eine Vereinbarung nicht zu Stande. Die ganze Präsidentenwahl wurde dem Zufall preisgegeben i und ergab denn in der That auch ein für Viele über raschendes Resultat, indem es den Nationalliberaleu unter sanglich angegebenen Name» trugen, und zwar einen adeligen. Auch dieser Name schien nicht zu paffen, und endlich gab der Verhaftete einen dritten Namen an, welcher sich in Folge weiterer Ermittelungen als der richtige heraus stellte. Der Verhaftete ist demnach ein geborener Hanno veraner, jetzt Kaufmann in Graz, von nicht gerade sehr vertrauenerweckender Vergangenheit. In seiner Wohnung wurden sozialistische Schristen gefunden. Er ist jetzt wegen Namenssälschung zu einer kurzen Gefänaniß- st.afe verurthetlt. Wie man sieht, ist ein Attentat nicht be gangen worden und auch die Absicht zu einem solchen hat nicht festgestcllt werdcn können. Ob dergleichen Vorkommnisse aber geeignet sind, eine Sorglosigkeit in den Anstalten für die Sicherheit des Kaisers zu gestatten, wird jeder Unbefangene sich selber sagen. — Den Manövern des 11. Armeekorps . bei Kassel werden außer dem Kaiser der deutsche Kronprinz, >, die Prinzen Wilhelm und Albrecht, die Groscherzöge von Sriefe vom Neichtage. Ls. Berlin, 15. September. " Seitdem ein deutsches Reich und ein deutscher Reichstag besteht, ist selten eine solche Präsenz zu bemerken gewesen, als am Mittwoch der vergangenen Woche bei der Präsi dentenwahl. Selbst bei der Abstimmung über den Sitz des Reichsgerichts im vorigen Jahre blieb die Präsenz um einige Köpfe hinter der jetzigen zurück und bei der Be- rathung des ersten Sozialist.'ngesetzes im Mai überstieg zwar die Zahl der anwesenden Mitglieder das dritte Hundert, war aber doch noch weit geringer als bei der Präsidenten wahl. Nur einige schwer Kranke oder durch Krankheit in der Familie oder ganz dringende Geschäfte Entschuldigte, ferner drei Sozialdemokraten, die im Gefängnisse saßen, im Ganz n 35 Mitglieder, fehlten in der Sitzung. Dabei ist eigentlich die Zeit einer hohen Präsenz gar nicht be sonders sörderlich. Der schöne Herbst, der einem regen reichen Sommer gefolgt ist, läßt den Aufenthalt an allen andern Orten angenehmer erscheinen als in Berlin. Aber die Erwartung, daß große Ereignisse sich vorbereiten, wirkt unwiderstehlich anziehend und das Bewußtsein, daß es bei der Abstimmung über das Sozialistengesetz auf eine einzige Stimme ankommen kann, thut natürlich ebenfalls das Ihrige, um die Abgeordneten zum Kommen und Ausharren zu vermögen. In der That sind die Verhältnisse derart, daß man mit Spannung ihrer Entwickelung entgegensetzen kann. Die Präsidentenwahl hat gezeigt, daß das Haus in drei numerisch fast ganz gleiche Gruppen zerfällt, von denen keine für sich allein etwas durchsetzen kann, jede aber bei e ner Meinungs ¬ verschiedenheit zwischen den beiden andern Gruppen den Ausschlag giebt. Die eine Gruppe, die aus den beiden konservativen Fraktionen besteht, wird dem Sozialistengesetz Langenburg zweiter Vizepräsident werden sollten*, darüber keine Opposition machen, höchstens einige unwesentliche Ab- «... änderungen beantragen. Die zweite Gruppe, das Zentrum mit seinen Dependenzen, den Polen, der elsässischen Protest ¬ als ob das von ihm befolgte System an dem Unfälle schuld sei, und mehrere Abgeordnete, welche dem seefahrenden Theile des deutschen Volks näher stehen, konnten auf einzelne Punkte, mit welchen sich die öffentliche Meinung besonders stark beschäftigt hat, die Aufmerksamkeit der Re gierung lenken. Tagesschau. Freiberg, 16. September. Kaiser Wilhelm hat am Sonnabend Mittag H12 Uhr unter begeisterten Hoch- und Hurrahrufen der Bevölkerung und unter den Klängen der preußischen Bolkshymne Bad Gastein verlassen. Zur Verabschiedung hatten sich im Badeschlosse Fürst Bismarck, welcher am selbigen Tage Nachmittag 2^ Uhr von Gastein abreiste, Graf Eulenburg, Unterstaatsiekretär Sydow und viele andere preußische und österreichische Notabilitäten versammelt, von denen der Kaiser mit freundlichen und bewegtenWortenAbschied nahm; von vielen Damen wurden dem Kaiser Blumenbouquets über reicht. Bei der Vorüberfahrt an der evangelischen Kirche ertönte der Choral: Lobet den Herrn; der ganze Kurort r hatte sich reich mit Flaggen geschmückt. Das Reisewetter : ist sehr günstig. Der Erfolg der Kur ist bei Sr. Majestät . über alle Erwartungen vortrefflich, die Körperkräfte haben : ersichtlich zugenommen, das Schreiben mit der rechten Hand - ist wieder ohne Anstand möglich. Um lO Uhr Abends !ist der Kaiser in München eingetroffen und hat nach kurzem Aufenthalt sofort die Reise nach Kassel fortgesetzt. IDer Polizeipräsident, Baron Feilitzsch, war zur Be grüßung Seiner Majestät auf dem Bahnhöfe anwesend. — ! Am Sonntag Vormittag 8 Uhr traf Se. Majestät im besten Wohlsein auf der Eisenbahnstation Wilhelmshöhe ein. Allerhöchstderselbe wurde von den Spitzen der Behörden empfangen und von der zusammengeströmten zahllosen Volksmenge mit nicht endenwollenden enthusiastischen Zu rufen begrüßt. Der Kaiser schritt, mit dem Helm bedeckt, den rechten Arm in der Binde, die Front der aufgestellten Ehrenwache entlang, erwiederte die an ihn gerichteten Grüße freundlich mit der linken Hand und fuhr dann im offenen Wagen mit dem General v. Bose, der zu seiner Rechten Platz genommen hatte, unter fortdauernden Jubelrufen der diesmal am liebsten den ablehnenden Parteien anschließen möchten, denn mit wenigen Ausnahmen stehen sie wohl heute noch auf dem Standpunkte, welchen der Abg Or. Bamberger in der Sitzung vom 27. Januar 1876 kennzeichnete, „auf dem Standpunkte der historischen Er fahrung, die sagt, daß alle diese kleinen Hausmittelchen, diese Altweibrrmittel nicht helfen können in solchen Fragen." Aber überwiegende Gründe sprechen dafür, daß die Partei das Gesetz nicht einfach ablehnt. Der fast einstimmige Wunsch der verbündeten Regierungen nach Erlaß eines solchen Gesetzes, das energische Verlangen des Reichs kanzlers, Mittel in die Hand zu bekommen zu einer erfolg reichen Bekämpfung der sozialdemokratischen Bestrebungen, läßt sich nicht einfach durch ein kurzes Nein abfertigen, und schließlich: hilft das Gesetz Nichts, so schadet es doch viel leicht auch Nichts. Mitleid gegen die Sozialdemokraten, um deren Unschädlichmachung es sich handelt, kann ganz gewiß nicht in Frage kommen; warum also nicht den Regierungen bis an die Grenzen der Möglichkeit entgegenkommen? Aber freilich, wo sind diese Grenzen ? Sie zu suchen wird Aufgabe der eing. henbften Erwägungen und Verhandlungen sein müssen. Vorerst ist als leitender Gesichtspunkt aufgestellt, daß die gegen die Sozialisten zu ergreifenden Maßregeln möglichst der Polizei willkür entzogen und ausreichende Garantien des Rechts schutzes gegeben werden müssen. Ein schwieriges Problem, das sich der Quadratur des Zirkels und der Findung des Steins der Weisen ebenbürtig zur Sette stellt, denn Präventivpolizei und Rechtsschutz paßt zusammen wie Feuer und Wasser. Es ist auch nicht abzusehen, ob es den Nationalliberalen gelingen wird, das Problem zu lösin, und sollte dies nicht geschehen, so ist die Spaltung der Partei in dieser Frage fast unvermeidlich. Die eine, »ve». vielleicht die größere Hälfte würde sich entschließen können/erhielt wenigstens Gelegenheit, den Vorwurf abzuweisen,