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Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zu Freiberg und Brand. Verantwortlicher Redakteur Julius Braun in Freiberg. 168. Erscheint jeden Wochentag Abends 6 Uhr für den andern Tag. Preis vierteljährlich 2 Mark 25 Pf., zweimonatlich I M. 50 Pf. n. einmonatl. 75 Pf. UV. Jahrgang. Sonntag, den 2t. Juli. Inserate werden bis Vormittags 11 Uhr angenom men und beträgt der Preis für die gespaltene Zeile oder deren Raum 15 Pfennige. 1878. Das Wahlprogramm der Sozialdemokratie. Nimmt man Einblick in die Flugschriften, welche in zahllosen Exemplaren von der sozialdemokratischen Pro- panganda vor den Wahlen verbreitet werden, so wird man finden, !wie geschickt darin die Agitation auftritt. Sie stellt sich als die Werberin für mehr wirthschaftliche, humane Zwecke hin, die an und für sich gar nichts Verfängliches, ja so viel Wünschenswerthes haben, daß die freisinnige Partei es ebenso gut in ihr Programm aufnehmen könnte und im Prinzip auch längst ausgenommen hat. Nach diesem Avers der sozialdemokratischen Medaille erstrebt sie Brot und Freiheit für das Volk, sie will Recht und Sittlichkeit in allen Volkskreisen hochhalten. Darum fordert sie das allgemeine Wahlrecht, gute Schulen, Rede- und Preßfreiheit, Erleichterung des Militärdienstes und der Steuern. — Das sind so allgemein freisinnige Auf stellungen, gegen welche man nicht das geringste Entsetzen haben kann. Mehr sozialistisch sind schon die Forderungen auf wirth- schastlichem Gebiete: Schutzgesetze für die Arbeiter, Be grenzung des Arbeitstages, Abschaffung der Sonntagsarbeit, Beschränkung der Frauen- und Kinderarbeit, ausgedehnteres Haftpflichtgesetz, Koalitionsfreiheit, Wiedereinführung des Wuchergesetzes. Aber wer wollte einer Partei, welche sich vorzugsweise Arbeiterpartei nennt, diese Bestrebungen verargen, mit deren Erreichung sie das menschliche Dasein bester und glücklicher gestaltet zu sehen hofft? Das Alles könnte unmöglich den Frieden stören und die Gesellschaft in ihren Grundlagen bedrohen. Selbst nicht die höhere sozialistische Forderung nach Staatshilfe für Produktivgenvstenschaften, „damit aus den Lohnarbeitern, die von der Hand in den Mund leben, und aus den von Wucher und Konkurrenz erdrückten Geschäfts leuten, Handwerkern und Bauern sich freie Genostenschaften, ein kräftiger, arbeitender Mittelstand heranbilden und sowohl die Steinreichen als Bettelarmen verschwinden." Das wäre zunächst eine ganz friedliche Wiederholung der Experimente, die man schon in Frankreich gemacht, die zu meist kläglich verliefen und wo sie einschlugen nichts Anderes bewiesen, als daß gute, tüchtige, fleißige Arbeiter es ganz in ihrer Hand haben, mit der Zeit zu geschäftlicher Selbständigkeit und einem gewißen Vermögen zu kommen. Eine Produktivgenostenschaft mit Faulpelzen geht überall zu Grunde, eine mit fleißigen Arbeitern wird aber zu einem bloßen Astoziationsgeschäst. Und daß ein fleißiger, geschickter Arbeiter sich heute so gut ein kleines Kapital ersparen kann, wie früher, um damit eine solche Kom- pagnieschaft anzufangen, ist nicht zu leugnen. Den Staat freilich dazu verpflichten wollen, jeder Produktivgenosten schaft die Kapitalien herzuleihen, das wäre wenigstens ein sehr zu bestreitender Punkt; aber man brauchte sich deshalb noch nicht die Köpfe abzureißen. Denn die sozial demokratischen Versicherungen gehen ja darauf hinaus, daß die Partei nur friedliche gesetzliche Mittel, nur solche zur Erreichung ihrer Ziele im Auge habe und daß es Ver leumdung sei, wenn man ihr die Absicht gewaltsamen, Alles vernichtenden Umsturzes zuschiebt. Sie mag dabei auf die Geister nicht Rücksicht nehmen, die sie rief und die alle die Faulheit, Böswilligkeit, Gemeinheit umfasten, an denen es der Gesellschaft leider nie fehlen wird und welche auch die Schulen nach sozialistischen Ideen nicht aus der Welt schaffen werden. Für diese Millionen des Pöbels — nicht der redlichen Arbeiter — wird nicht die idealistische Schwärmerei des Sozialismus da sein, sondern seine letzte realistische und materialistische Schlußfolge: Das faule Dasein möglichst auf Staatskosten. Die sozialdemokratische Preffe hat ja in täglichen massen haft gewordenen Wuthäußerungen, Verhöhnungen und die lebende Gesellschaft auf's frechste bedrohenden Angriffen selbst die Schuld daran, daß man an eine friedliche Mißion ihrer Partei nicht mehr glauben kann, daß sie als geschworener Feind der bestehenden Ordnung dasteht und man diesem wohl zutrauen muß, er werde bei Gelegenheit mit seinen Arbeiter-Bataillonen die Revolution unternehmen, ohne welche durchaus der Sozialismus nicht die von ihm er strebte Herrschaft im Staate erreichen kann. Denn die Wahlprogramme haben noch diese zweite Seite; die sozial demokratische Medaille auf ihrem Revers nimmt sich ganz anders aus. als wie sie gezeigt wird und die harmlosen Forderungen werden in ihren formulirten Punktationen zum revolutionären Kodex, auf den die nach Brot und Staatslohn verlangende Maße mit nichts weniger als friedlichen Gesinnungen schwört. „Die Arbeit", so lautet Artikel I. dieses Kodex, „ist die Quelle alles Reichthums und aller Kultur, und da die allgemein nutzbringende Arbeit nur durch die Gesellschaft möglich ist, so gehört der Gesellschaft, das heißt allen ihren Gliidern, das gesammte Arbeitsprodukt, bei allgemeiner Arbeitspflicht, nach gleichem Recht, Jedem nach seinen vernunftgemäßen Bedürfnissen." Ferner Artikel II.: „In der heutigen Gesellschaft sind die Arbeitsmittel Monopol der Kapitalistenklasse; die hierdurch bedingte Abhängigkeit der Arbeiterklasse ist die Ursache des Elends und der Knechtschaft in allen Formen." „Die Befreiung der Arbeit erfordert die Verwandlung der Arbeitsmittel in Gemeingut der Gesellschaft und die genossenschaftliche Regelung der Gesammtarbeit mit gemein nütziger Verwendung und gerechter Vertheilung des Arbeits ertrags." Das ist im Allgemeinen und Besonderen doch nichts als eine Kriegserklärung gegen den bestehenden Staat, die bestehende Ordnung, gegrn das Kapital, ohne welches — und zwar in den Händen von Einzelnen als Gewinn aus ihren Talenten, Unternehmungen, Arbeitsideen — wir uns ein vielgestaltiges, strebendes, nützendes, anregendes Geflll- schastsdasein nicht denken können. Und richtig sagt denn auch eine andere Formulirung des sozialistischen Programms: „Die Befreiung der Arbeit muß das Werk der Arbeiter klasse sein, der gegenüber alle anderen Klassen nur eine reaktionäre Masse sind!" Was ist also natürlicher, als daß alle diese anderen Klaßen gegen ihren erklärten Feind Front machen müßen? Der Lertiner Friedensvertrag. in. Art. 21. Die Rechte und Verpflichtungen der hohen Pforte, soweit sie die Eisenbahnen in Ostrumelien betreffen, werden unverändert aufrecht erhalten. Art. 22. Der Effcktivbestand des russischen Okkupationö- korpö in Bulgarien und Ostrumelien soll aus v Divisionen Infanterie und 2 Divisionen Kavallerie beflehen und 50,000 Mann nicht überschreiten. Dasselbe wird auf Kosten des be setzten Lankes erhalten. Die Okkupationstruppen behalten ihre Verbindung mit Rußland nicht nur durch Rumänien nach dem zwischen den beiden Staaten abzuschließenden Vertrage, sondern auch über die Häfen des schwarzen Meeres, Varna und Burgas, wo sie während der Dauer der Okkupation die nöthigen Depots errichten können. Die Dauer der Besetzung Ostrumelienö und Bulgariens durch die kaiserlich russischen Truppen ist aus 0 Monate fest gesetzt, von dem Austausch der Ratifikationen des gegenwärtigen Verlages an. Die kaiserlich russische Regierung verpflichtet sich, spätestens in 2 Monaten den Durchmarsch ihrer Truppen durch Rumänien und die vollständige Evakuation dieses Fürstenthumö zu beenden. Art. 23. Die hohe Pforte verpflichtet sich, am der Insel Kreta genau das organische Reglement von 1860 zur Anwen dung zu bringen und dabei die billig gefundenen Modifikationen anzuwenden. Aehnliche den lokalen Bedürfnissen angepaßte Reglements, ausgenommen soweit dieselben die Kreta bewilligte Steuer- > exemtionen betreffen, werden ebenfalls in den übrigen Theilen der europäischen Türkei, für welche durch den gegenwärtigen Vertrag eine besondere Organisation nicht vorgesehen worden ist, eingeführt werden. Die hohe Pforte wird Spezialkommissionen damit beauf tragen, unter denen das eingeborene Element zahlreich vertreten sein soll, die Details dieser neuen Reglements für jede Provinz auszuarbeiten. Die Organisationsentwürfe, welche aus diesen Arbeiten hervorgeben, sollen der Untersuchung durch die hohe Pforte unterworfen sein, welche vor Erlaß der Verordnung, welche dieselben in Kraft setzen soll, die Ansicht der europäischen, für Ostrumelien eingesetzten Kommission einholen muß. Art. 24. Im Falle, daß die hohe Pforte und Griechenland nicht dazu kommen sollten, sich über die im 13. Protokoll des Berliner Kongresses angegebene Rektifikation der Grenzlinie zu einigen, so behalten sich Deutschland, Oesterreich-Ungarn, Frankreich, Großbritannien, Italien und Rußland vor, beiden Theilen ihre guten Dienste anzubieten, um die Unterhandlungen zu erleichtern. »Art. 25. Die Provinzen Bosnien und Herzegowina sollen von Oesterreich besetzt und verwaltet werken. Da die öster reichisch-ungarische Regierung es nicht wünscht, sich mit der Verwaltung des SankichakS von Novibazar zu befassen, welches sich zwischen Serbien und Montenegro in südöstlicher Richtung bis nach Mitrovitza erstreckt, wird die ottomanische Negierung auch fortfahren, dort in Kraft zu sein. Nichts kestoweniger be hält sich Oesterreich-Ungarn, um den Bestand des neuen poli tischen Staates ebenso wie die Freiheit und Sicherheit der Kommunikationswcge zu sichern, das Recht vor, Garnisonen zu halten und militärische und Handelsstraßen zu besetzen, im ganzen Umfange dieses Theilö des alten Vilajctö von Bosnien. Zu diesem Zwecke behalten sich die Regierungen von Oestcr- rcich-llngar» unk der Türkei vor, über die Details sich ins Ein verständnis! zu setze». Art. 26. Die Unabhängigkeit Montenegros wird von der hoben Pforte unk von allen ken hohen kontrahirenkcn Parteien anerkannt, welche sie bis setzt noch nicht zugclassen hatten. ^lr>7 27. Die hohen kontrahirenkcn Parteien sind über die folgenden Bedingungen einverstanden: In Montenegro darf der Unterschied des Glaubens und der Konfession »Niemanden entgegen gestellt werden als ein Grund der »Ausschließung oder der Unfähigkeit, insofern es den Genuß der bürgerlichen und politischen Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Remtern, Funktionen und Ehrenstetten, oder die »Ausübung der verschiedenen Professionen und Industrien be trifft, an welchem Orte cö auch sei. Die Freiheit und die öffent liche Ausübung aller Kulte werken alten Einheimischen Mon tenegros ebenso wie ken Fremkcn gesichert, unk kein Hinkerniß darf kcr hierarchischen Organisation kcr verschiedenen »Bekennt nisse okcr kcrcn »Beziehungen zu ihren geistlichen Ehesö cnt- gcgcngestellt werken. »Art. 28. Die neuen Grenzen »Montenegros sind wie folgt festgestcllt worden: Die Linie, welche von kcm Ilinobrdo, nörd lich von Klobuk auSgcht, geht mehr die Trebimcica in der Rich tung von Grancancwo zu, welches bei der Herzegowina bleibt, unk folgt kann dem Laufe kicseS Flusses aufwärts bis zu einem Punkte, ker einen Kilometer abwärts von kcr Mündung der Ecpclica gelegen ist, und geht von dort in gerader Linie auf die Höhen, welche links der Trebinjcöca hinlauicn. Sic geht dann in der Richtung auf Pilatowa zu, welches Dorf bei Montene gro verbleibt, unk geht kann in nörklichcr Richtung, so viel als möglich in kcr Entfernung von 6 Km. von kcr Straße Bilek- Korito-Gacko, biS zu kein zwischen kcr Somina »Blanina und dem Berge Kurilo belegenen »Basse, von wo sie in östlicher Richtung bei Vratkorwi vorbei, welches Dors bei Montenegro bleibt, biö zum »Berge Orlina geht. Bon diesem Punkt auö geht die Grenze, Raono bei Montenegro lassend, nordnordöstlich in gerader Linie über die Gipiel des Lebersnik und Volnjak, geht dann nach der kürzesten Linie nach der Piwa, welche sie durchschncidet, und trifft da Tara, zwischen Orkoica und Ned- wina durchgehend. Von diesem Punkte geht sic der Tara auf wärts nach Mojkorac, von wo sie dem Kamm der Vorberge bis Sickojczero folgt. Von diesem Orte auS gebt sic die alte Grenze entlang bis zu kein Dorfe Sckulare. Von kort geht kic neue Grenze über ken Kamm ker Mokra-Planina — das Dors Mokra verbleibt Montenegro — und trifft dann den Punkt 2166 der österreichischen Generalstabskarte, indem sie der Hauptkette zwischen dem Lim einerseits und dem Drin und der Eievna (Cem) andererseits folgt. Sie läuft dann der jetzigen Grenze zwischen dem Stamm der Kuri-Drekalovici einerseits und der Kutschka-Krajna wie der Stämme der Klcmcnti und Gruki andererseits entlang biS zur Ebene von Podgoriza, von wo sie auf Plawnica gebt, die > Stämme kcr Klcmcnti, Gruki und Hoti bei Albanien lassend, j Von kort durchschneikct die neue Grenze den See bei der : Insel Gorika-Topal und geht von Gorika-Topal aus gerade auf die Höhe des KammeS zu und folgt dann der Wasserscheide zwischen Mcgured und Kalimed-Mikovic bleibt bei Montenegro und trifft das adriatische Meer bei V. Kruci. Im Nordwesten bildet eine Linie die Grenze, welche von der Küste zwischen ken Dörfern Susana unk Zubci gebt und an dem äußersten südöstlichsten Punkte der Grenze von Monte negro an der Vrsuta-Planika endet. »Art. Al. »Antivari und sein Ufer werken von Montenegro annektnt unter solgcnkcn Bedingungen: Die südlich von diesem Territorium belegenen Gegenden nach der obigen Grcnzbcstimmung biS zur Bojana werken kcr Türkei zurück gegeben. Die Gemeinde Spiza bis zur nördlichen Grenze dcö in der genauen Beschreibung der Grenzlinie angegebenen Territoriums wird Dalmatien cinverleibt.