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und Tag Matt. Amtsblatt für die königlichen und Müschen Behörden zu Freiberg und Brand. Verantwortlicher Redakteur Julius Braun in Freiberg. 165. Erscheint jeden Wochentag Abends S Uhr für den andern Tag. Preis vierteljährlich 2 Mar! 25 Pf., zweimonatlich 1 M. 50 Pf. u.einmonatl. 75 Pf. 3V. Jahrgang. Donnerstag, den 18. Juli. Inserate werden bis Vormittags 11 Uhr angenom men und beträgt der Preis sür die gespaltene Zeile oder deren Raum 15 Pfennige. 1878. Äus dem Ständesaale.*) XX. 2. Dresden, 15. Juli. Die Frage, wann endlich der Landtag geschlossen wer den wird, ist nun entschieden, vorläufig freilich nur auf dem Papier. An und für sich würde es wobl kaum Je mand bedauern, wenn es gelänge, nach der Absicht der Re gierung die Sitzungen der Kammern am 18. d. M., also am Donnerstag, zu beenden. Die durch den Landtag sehr von ihren regelmäßigen Arbeiten abgehaltenen Mini ster und Regicrungskommissare könnten nun wieder unge stört ihren Regierungsgeschäften obliegen; soweit sie erho lungsbedürftig sind, könnten sie auf Urlaub gehen, der für manchen höheren Beamten mit Rücksicht auf den bald zu- sammentreienden Reichstag ohnehin nur von sehr beschränk ter Dauer sein kann. Die Abgeordneten selbst haben ebenso wenig Anlaß, eine noch längere Dauer des Landtags her beizuwünschen. Soweit sie Landwirthe sind, erfordert die Ernte ihre Anwesenheit daheim; soweit sie Reichstagskandi daten sind, haben sie in nächster Zeit in Wählerversamm lungen ihre Programme zu entwickeln und sich zu rüsten zu den Strapazen der Wahlagitation und im günstigen Falle zur Sommersession des Reichstags. Die Industriellen wer den das Bedürfniß haben, sich wieder in voller Kraft ihren Geschäften zu widmen; nicht wenige endlich werden eine kleine Badekur, eine Reise und dergleichen für nothwendig halten, um sich nach 'der langen und anstrengenden Session wieder zu erholen. Leider aber hat es nicht den Anschein, als ob der in Aussicht genommene Schlußtermin eingehalten werden, könnte. Vor acht Tagen, als das Dekret den Ständen zuging, durfte man diese Hoffnung aussprechen, ohne deswegen als unverbesserlicher Optimist verschrieen zu werden. Es stan den damals den Ständen noch zehn Tage für ihre Be- rathungen zur Verfügung, und was gegen Schluß eines Landtags in zehn Tagen gearbeitet werden kann, ist Jedem bekannt, der einmal eine solche Schlußhetze durchgemacht hat. Aber sechs von diesen zehn Tagen sind vergangen, und wenn man fragt, was darin gearbeitet worden ist, so muß man die Antwort erhalten: Nichts, wenigstens nicht viel mehr als Nichts! In den vier Sitzungen, welche die zweite Kammer abhielt, wurde mit einer einzigen Aus nahme, auf welche später zurückgekommen werden wird, nichts erledigt, als Bagatellen und Petitionen. Mitunter hatte es den Anschein, als ob der Landtag überhaupt nur zu dem Zweck versammelt sei, um Petitionen zu berathen. Von den wichtigen Eisenbahnangelegenheiten, welche der Landtag vor seinem Auseinandergehen noch zu erledigen hat, war nicht die Rede, und noch ist nicht klar gestellt, aus welchen Gründen es nothwendig war, daß, wie in der vorigen Freitagssitzung ein Redner konstatirte, der Bericht der Finanzdeputation L über die Eisenbahnpetitionen, schon seit vielen Tagen im Satze fertig, als Manuskript gedruckt, in den Tischkästen der Deputationsmitglieder lag, ohne daß er zur Registrande der Kammer eingereicht wurde. Ec hat jedoch inzwischen seine Auferstehung gefeiert und befindet sich in den Händen der Kammermitglieder. Dagegen erschien der Bericht der vereinigten Finanz deputationen über den projektirten Ankauf der Privat - bahnen noch zeitig genug, daß derselbe, wenn es nach dem Willen des Präsidenten gegangen wäre, schon am Sonn abend hätte berathen werden können. Um dies zu er möglichen, hätte es allerdings einer Dispensation von der Bestimmung der Geschäftsordnung bedurft, nach welcher jeder Deputationsbericht, ehe er zur Berathung gelangen kann, sich mindestens zwei volle Tage in den Händen der Kammermitglieder befinden muß, und diese zweitägige Frist lief erst am Sonnabend Abend ab. Von verschiedenen Seiten wurde aber nachdrücklich auf die große Wichtigkeit der Angelegenheit hingewiesen, um gegen eine Abkürzung der Frist zu protestiren, und so kam es, daß die vom Präsidenten proponirte Sonnabendsitzung nicht zu Stande kam, sondern der Bericht erst Montag zur Berathung gestellt wurde. Bei der bekannten Schnelligkeit, mit welcher die Finanzbcputation der ersten Kammer arbeitet, namentlich in Elsenbahnangelegenheiten, über welche der Kammerherr v. Erdmannsdorff ständiger Referent ist, ist zu erwarten, daß vielleicht schon Mittwoch auch die erste Kammer sw über die Angelegenheit schlüssig machen kann, und so würd . *) Verspätet zum Druck gekommen. Die Ned. j wenigstens dieser Gegenstand allein nicht zu einer Ver längerung des Landtags nöthigen. Aber freilich harren außer diesem noch so manche andre Gegenstände ihrer Er ledigung. Bezüglich der Vorlage über den Ankauf der Privat bahnen hat sich das Unerwartete ergeben, daß fast gegen jedes Ankaufsprojekt in den vereinigten Ftnanzdeputationen eine Minorität sich ausgesprochen hat. Nur über den An kauf der Linie Annaberg-Weipert ist man ganz einig. Die Majorität allerdings ist einverstanden mit dem Be streben der Regierung, die beim vorigen Landtage be gonnene Eisenbahnpolitik fortzusetzen, das reine Staats eisenbahnsystem durchzuführen und das sächsische Staats bahnnetz durch den Ankauf sämmtlicher Privatbahnen vollständig abzurunden. Sie will mit dem Finanzminister sobald als möglich Klarheit bringen in die Situation, da mit auf Grund des Zustands, wie er durch den Ankauf der letzten Privateisenbahnen geschaffen wird, ein einheitlicher Plan entworfen werden kann über die Befriedigung der im Lande noch vorhandenen Eisenbahnbedürfnisse. Aus früheren Aeußerungen des Herrn Finanzministers o. Könneritz ist bekannt, daß er über die Art und Richtung seiner Eisenbahnpolitik vollständig im Klaren ist. Er wird ein Verzeichnis derjenigen Linien entwerfen lassen, deren Ausbau vorläufig als nothwendig anerkannt wird, und diese Linien werden möchlichst rasch als Sekundärbahnen gebaut werden. In ungefähr zehn Jahren hofft er die vorhandenen Eisen- bahnbedürfnisse befriedigen zu können. Daß zur Aus führung dieses Plans einige Opfer werden gebracht werden müssen, versteht sich von selbst; indessen werden sie auf keinen Fall so groß sein, daß diejenigen Gegenden des Landes, welche bisher das Glück gehabt haben, mit Eisen bahnen bedacht zu werden, den minder begünstigten Landes heilen dieselbe Wohlthat des Kostenpunktes halber vorent- halten müßten. Rechnet man dazu, daß zwei von den neu zu erwer benden Linien, Chemnitz Würschnitz und Gößnitz-Gera, nicht nur keine Staatszuschüsss fordern, sondern eher noch Ueberschüsse abwerfen werden, daß ferner eine andre der anzukaufeuden Bahnen, die Muldenthalbahn, eine günstige Verkehrsentwickelung zeigt, so begreift man gar nicht, wie sich auch nur eine Minorität finden kann, welche mit Rücksicht darauf, daß doch vielleicht nicht Alles so gehen könnte wie man hofft, daß doch vielleicht wenigstens Zeitweise einige Zuschüsse erforderlich sein könnten, daß man später einmal diese oder jene Eisenbahn vielleicht noch billiger kaufen könnte, der Eisenbahnpolitik der Regierung ihre Unterstützung verweigert. Wenn man freilich dem Abg. Hartwig glauben darf, so treibt die Regierung gar keine bestimmte Eisenbahnpolitik, zum Mindesten ist das Staatseisenbahnsystem in Sachsen noch nie proklamirt worden. Nach seiner Ansicht „würden sich weder die Re gierung noch die Kammern widersprechend verhalten, wenn jetzt von Seiten des Privatkapitals der Eisenbahn bau in Sachsen wieder ausgenommen werden sollte." Wenn der Abgeordnete an Kohlenbahnen, Verbindungs gleise nach Fabriken oder Pferdebahnen in den Städten denkt, so mag er Recht haben; aber eine Kon zession zu dem, was man im engeren Sinne des Wortes eine Eisenbahn nennt, kann wohl der Abg. Hartwig geben, wenn er einmal Finanzminister geworden ist und die Kammern zu seiner Ansicht bekehrt hat, aber bis dahin wird es niemals geschehen und wenn er in einem seiner Minoritätsberichte meint, daß es ja noch eine Anzahl Privatbahnen im Lande gebe, auf deren Erwerb noch Niemand sein Augenmerk gerichtet habe, wie die Zwickauer Kohlenbahnen, ferner Werdau-Weida rc-, so würde er von manchen Seiten großen Dank ernten, wenn er dieses „rc." noch etwas näher erläuterte. Denn daß auf die Erwerbung von Werdau-Weida noch Niemand sein Augenmerk gerichtet hätte, ist nicht wahr, sie wird auch früher oder später erfolgen, wenn die Eisenbahngesellschaft erst zu der Ueberzeugung gelangt sein wird, daß sie nicht im Stande ist, inmitten des großen und gewaltigen Staats bahnnetzes eine so kleine Bahn auf eigene Rechnung zu betreiben. Und was Kohlenbahnen, Pferdebahnen und Fabrikgleise anlangt, so geht soweit, auch solche Bahnen von btaatswegen bauen und betreiben zu wollen, wohl auch der größte Staatseisenbahnenthusiast nicht. Wenn man demnach das sächsische Eisenbahnsystem ein gemischtes System nennen will, so giebt cs ein Staatseisenbahnsystem überhaupt in keinem Lande der Welt. Indessen es ist nicht zu erwarten, daß die Minorität der Finanzdeputationen in der Kammer zur Majorität wird; höchstens bezüglich des Ankaufs der zu fünf Sechsteln außerhalb Sachsens gelegenen Linie Mehl theuer-Weida könnte man sich vielleicht ablehnend verhalten, weil hier allerdings der Zweifel gerecht fertigt wäre, ob es unbedingt nöthigt ist, bei der ge- gegenwärtigen Finanzlage diese Bahn, die hauptsächlich den Nachbarländern zu Gute kommt, auf Kosten der sächsischen Steuerzahler auszubauen und zu unterhalten. Der einzige Berathungsgegenstand der verflossenen Woche, der ein weitergehendes Interesse beanspruchen darf, war eine Vorlage über den nunmehr vollendeten Hoftheater bau, in welcher Auskunft gegeben wird über die bei diesem Bau vorgekommenen, so kolossalen Ueberschreitungen des ursprünglichen Anschlags. Die linke Seite der Kammer hatte das Verlangen, diese Angelegenheit einer gründlichen Prüfung zu unterziehen, und so beantragte sie die Zurück ziehung der Vorlage und die Wiedereindringung derselben beim nächsten Landtage, wogegen die rechte Seite wünschte, daß diese leidige Angelegenheit, die schon bei früheren Land tagen so viel böses Blut in den Kammern gemacht hat, endlich zu Grabe getragen werde. Der Zufall wollte aber, daß beide Anträge abgelehnt wurden und daß somit gar kein Beschluß zu Stande kam. An und für sich war es wohl auch kaum uothwendig, einen solchen zu fassen; wenigstens wird in dem königlichen Dekrete, mit welchem die Vorlage an die Kammer gelangt ist, eine ständische Erklärung nicht verlangt und es hätte somit der Kammer ohnehin freige standen, die Mittheilung einfach zur Kenntniß zu nehmen. Der Prüfung der Angelegenheit bei Gelegenheit des späteren Rechenschaftsberichts wird natürlich durch die jetzige Be- chlußfaffung in keiner Weise präjudizirt. Tagesschau. Freiberg, 17. Juli. Trotzdem der Friedtusvertrag von Berlin erst nach seiner Ratifikation durch die betheilrgten Mächte der Oeffent- lichkeit übergeben werden sollte, bringt heute der Reichs anzeiger schon den Wortlaut desselben. Den wesentlichsten Inhalt erfuhren unsere Leser bereits durch die gestrige Nummer; gleichwohl erachten wir es als eine unumgäng liche Pflicht, auch den Wortlaut des so wichtigen Vertrages in den nächsten Tagen zu veröffentlichen und zwar nach Maßgabe des uns zu Gebote stehenden Raumes. — Fürst Bismarck ist nicht, wie ursprünglich beabsichtigt war, vor gestern Abend nach Kissingen abgereist, er hat vielmehr seine Reise verschoben. Inzwischen wurde der Vizepräsident des preußischen Staatsministeriums, Graf zu Stolberg-Wer nigerode, mit der allgemeinen Vertretung des Reichskanzlers beauftragt, so daß derselbe durch Amtsgeschäfte am Antritt seines Urlaubs nicht gehindert wird. Wie es heißt, würde derselbe nur kurze Zeit dauern, da Fürst Bismarck an den Verhandlungen des neuen Reichstags theilzunehmen gedenkt und sich erst nach dem Schluß des Reichstag längere Zeit der Ruhe widmen will. Im bairischen Landtag wurde eine Königsbotschaft verlesen, welche die Wahl von Ausschüssen zur Gesetzent- wurfberathung für das Reichsgenchtsverfassungsgesitz an ordnet. Der Gesetzentwurf, die Verwendung des aus den Ersparungen der deutschen Okkupationstruppen an Baiern gezahlten Theiles dem Militärwittwen- und Waisenfond zu überweisen, wurde einstimmig angenommen. Der Haupt militäretat Baierns auf 1878/79 wurde gleichfalls nach den Ausschußanträgen einstimmig angenommen. Der nahe bevorstehende Einmarsch der österreichischen Truppen in Bosnien und der Herzegowina Hai zu den verschiedensten Gerüchten Stoff gegeben. Von denselben erwähnen wir die Nachricht, welcher zufolge in Bosnien unter der mohammedanischen Bevölkerung durch die An kündigung der Okkupation große Gährung hervorgerufen worden sei, ja daß sogar eine Erhebung gegen die österreichischen Truppen vorbereitet werde. Dw „Pol. Korr." läßt sich melden, daß blos in Prizren (Altserbien) Spuren einer solchen Bewegung hervorireten und daß sich dort „freiwillige Kämpfer" ansammeln. Wie dem auch immer sei, es ist nicht daran zu zweifeln, daß unter dem nalürlichen Drucke der Verhältnisse und der zu schaffenden Thatsachen diese Bewegung in Nichts zerfließen wird. Die hohe Pforte bewährt jetzt eine gewisse Konzilia»; gegen- süber den unvermeidlich gewordenen Ereignissen und hat