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sehr viel rentablere Verfahren —, so bleibt eigentlich nur eine Erklärung: der „Ofen“ wurde zwar mit Brennmaterial gefüllt, dann aber gar nicht in Gang gesetzt. Ein solches Verfahren würde die stark von einander abweichenden Konstruktionsmerkmale der einzelnen Ofenmodelle unerheblich erscheinen lassen. Scheinfunktionen begegnen auch sonst durchaus, selbst innerhalb der „Hochkulturen“. Aus der grie chischen Bronzehydria von Grächwil, Kanton Bern, hätte man keine Flüssigkeit ausgießen können, ohne den Henkel zu sehr zu beanspruchen, obwohl sie dazu ja eigentlich gedacht war (H. Jucker 1966, S. 15), und der berühmte Krater von Vix bei Chälillon-sur-Seine wäre zusammengebrochen, wenn man die 1200 Liter Wein, die er seinem Volumen nach fassen kann, tat sächlich hineingeschüttet hätte (F. Fischer 1982, S. 46). Im allgemeinen gehört eine Handlung, bei der es genügt, wenn sie symbolisch abläuft, nicht in den Bereich des Profanen, und es empfiehlt sich deshalb, daß wir uns unter jenen Gefäßen nach Vergleichbarem umsehen, von denen wir wissen, daß sie im Kult eine Rolle gespielt haben. Dafür bieten sich die reichen Hügelgräber des Ostalpenraumes mit ihren Südbe ziehungen an. Es gibt dort eine ganze Menge ver schiedenartiger Fußgefäße, die unseren Ofenmodellen äußerlich ähnlich sind, die jedoch noch gewisse zu sätzliche Details aufweisen, um bei deren Erklärung weiterhelfen zu können. Ich meine die Schalen mit Zwischen wulst (Nove Kosariskä, Hügel 1, vgl. M. Pichlerovä 1969, Taf. 8,1; Taf. 9,1,2) und die Schalen mit durchbrochenem Fuß (Nove Kosariskä, Hügel 3 und 6, vgl. M. Pichlerovä 1969, Taf. 14,1 bis 3,5; Taf. 30; Taf. 38,3,4; Taf. 39,6,12). Unter den letzteren ist zweifellos das Kernosgefäß von Nove Kosariskä das interessanteste. Außer dem durchbro chenen Fuß und den beiden Tochtergefäßen auf der Schulter weist das Muttergefäß zwei gegenständige Arme auf, deren Handflächen nach oben gekehrt sind und von denen Tonketten herabhängen. Kernosgefäße sind ebenso wie Protomengefäße im östlichen Hall stattkreis weitverbreitet. A. Siegfried-Weiss (1979 a) konnte nachweisen, daß sie auf alte mittelmeerische Vorbilder zurückgehen und in der Zeit des orienta- lisierenden Stils ihre Blüte erlebten. Ihre Kenntnis wurde über Italien in den Ostalpenraum vermittelt. Auch die Schalen mit Zwischenwulst können über reichverzierte bronzene Untersätze (Hallstatt, Grab 682, vgl. K. Kromer 1959, S. 144, Taf. 129) bis hin zu bronzenen Untersätzen von Greifenkesseln (Tomba del Duce in Vetulonia, Grab 4, vgl. 0. Montelius 1912, S. 94 f., Taf. 55,8) und ihren keramischen Imitatio nen verfolgt werden (Vulci, Grab 20, vgl. O. Monte lius 1912, S. 75 ff.; Abb. 190). In Italien lassen sich derartige tönerne Gefäßuntersätze, die Calefattori, seit dem 10. Jh. v. u. Z. nachweisen (H. Müller-Karpe 1959 a, S. 56 ff.). Sie besitzen ihrerseits Vorbilder, die im östlichen Mittelmeerraum bis in minoische Zeit zu rückreichen. H. Müller-Karpe bringt sie mit einem speziellen Voropfer in Zusammenhang, das jedem blutigen Opfer voranzugehen hatte und bei dem Wein und Weihrauch den Göttern auf einem tragbaren Herd dargebracht wurden (H. Müller-Karpe 1959 a, S. 86). Damit soll nun auf gar keinen Fall behauptet wer den, daß man in der Billendorfer Kultur nach dem gleichen Ritual geopfert habe wie im etruskischen Raum. Im einzelnen wird so etwas niemals zu bele gen sein. Auf der anderen Seite beweisen die Unter suchungen von G. Kossack (1954 a, S. 73 f.), H. Müller-Karpe (1959 a) und A. Siegfried-Weiss (1979 a), daß in der Summe doch ein ganz erhebliches Maß an religiösen Vorstellungen des Mittelmeerrau mes, wenn auch gewiß umgewandelt und entstellt, bis in unser Gebiet gedrungen ist. Auf diese Weise, meine ich, ließe sich vielleicht am ehesten erklären, daß man hier ganz offensichtlich keine realen Vorstellungen mehr von der für den ursprünglichen Zweck erforder lichen Formgebung dieser Geräte besaß und sie etwa so gebaut hat, wie man im Mittelalter Löwen und Nashörner in der christlichen Kunst darstellte, ohne daß der Künstler solche Tiere jemals zu Gesicht be kommen hatte. Der Symbolgehalt brauchte dadurch keineswegs geschmälert zu sein. Auch das Nebenein ander von einteiligen und zweiteiligen Ofenmodellen ließe sich so zwanglos erklären. Die Calefattori des 10. und 9. Jh. v. u. Z. waren alle einteilig. Dabei hat man entweder einem der üblichen Gefäße einen vier eckigen durchbrochenen oder glatten Fuß angesetzt (wie unsere Taf. 36,12) oder man hat Gefäß und Unterteil als Einheit aufgefaßt und durchgehend ge arbeitet, wie es bei uns meist üblich ist. Selbst die kleinen Näpfchen auf den Calefattori haben sich auf den Ofenmodellen als kleine Knubben erhalten (vgl. O. Montelius 1912, Taf. 22,19—25). Erst mit dem orientalisierenden Stil erfolgte die Trennung von Stabdreifuß beziehungsweise Untersatz und Proto- menkessel (A. Rathje 1979, S. 158 ff., Taf. 5). Doch stellen beide — ebenso wie unsere zweiteiligen Ofen modelle — stets eine funktionale Einheit dar. 7. TELLER (Taf. 66,39,40) Teller liegen in zehn nahezu vollständigen Exempla ren und sieben Bruchstücken vor. Davon sind vier aus den Lehmgräbern von der Zeithainer Windmühle verschollen. Bei einem Bruchstück ist die Zuweisung problematisch. Zu dem verhältnismäßig reich ausge statteten Grab 8 von der Zeithainer Windmühle (Taf. 36,21—35) gehört auch ein Teller, zwischen dessen Scherben sich ein stark abgelaugtes Bruchstück befin det, das nicht von diesem Teller stammen kann (Taf. 36,32 rechts). Es weicht sowohl durch sein erheblich dünneres, abgerundet rechteckiges Profil als auch in der Farbe von Oberfläche und Bruch von den übrigen Scherben ab. Möglicherweise handelt cs sich um den