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del und Röderau fehlen sie bislang noch ganz. Des halb verwundert es nicht, wenn ihre Anzahl, gemes sen an der weiten Verbreitung, verhältnismäßig ge ring ist. Aus dem Arbeitsgebiet sind 54 Spitzkrüge erhalten, hinzu kommen weitere elf, die inzwischen verschollen sind, von denen aber Zeichnungen vor liegen. Die knappe Hälfte, nämlich 31 von 65, stammt aus den sogenannten Lehmgräbern von der Zeithai ner Windmühle. Davon lassen sich noch 15 auf insge samt sieben Gräber verteilen (vgl. Anm. 56, dazu Lehmgrab 1, Sig. G. Preßprich mit zwei Spitzkrügen, Taf. 35,12,13). Für weitere sechs Spitzkrüge ist eben falls der Grabzusammenhang bekannt (Brockwitz, Grab 7, Taf. 5,5-15; Kötitz, Grab 2, Taf. 7,4-16 [2X]; Bobersen, Grab, Taf. 14,13—14; Liebersee, Grab 10, Taf. 39,8—23; Casabra, Grab, Taf. 41,17 bis 26). Alle Spitzkrüge sind sehr sorgfältig aus einem fei nen, kaum gemagerten Ton hergestellt. Dabei gab es gelegentlich Schwierigkeiten, denn einige Gefäßchen sind nach der einen oder anderen Seite verzogen, ja sogar teilweise in sich zusammengesackt (Taf. 36,3; Taf. 66,18). Auffällig ist, daß immer nur die Gefäß außenseite mit einer Überfangschicht versehen und geglättet, die Gefäßinnenseite dagegen roh belassen wurde. Das mag sicher zum Teil damit Zusammen hängen, daß die Spitzkrüge so klein sind, daß man mit den Fingern nicht mehr ins Gefäßinnere gelangen kann. Doch hätte dies nicht daran gehindert, die Ge fäße durch Eintauchen auch innen mit einer Über fangschicht zu versehen, durch die sie dichter gewor den wären. Aber offensichtlich hat man gar nicht be absichtigt, eine Flüssigkeit längere Zeit in ihnen auf zubewahren. Ihre Böden sind so klein, daß die meisten von ihnen gar nicht sicher stehen können. 63 Mög licherweise waren die Spitzkrüge nur zum Einschen ken gedacht (D.-W. Buck 1979, S. 122 f.). In der Billendorfer Kultur fehlen Schöpfer mit Hebelgriff, mit denen man nach den Situlenbildern das Getränk in die Omphalosschalen gefüllt hat. Andererseits sollte man bei einer Deutung berück sichtigen, daß die im mediterranen Raum im Grab kult verwendeten Aryballoi, mit denen unsere Spitz krüge zumindest äußerlich verwandt erscheinen, nicht als Schöpfgefäße, sondern als Behältnisse für Salböl verwendet worden sind. Derartige stark fetthaltige Stoffe ließen sich selbst in porösen Gefäßen über einen längeren Zeitraum aufbewahren. Auch spricht die Tat- sache, daß man in Gräbern Spitzkrüge mit eigens da für hergestellten Tonstöpseln verschlossen vorgefun den hat (D.-W. Buck 1979, S. 123), nicht dafür, daß man sie als Schöpfgefäße verwenden wollte. Viel eher könnte man meinen, daß sie Substanzen enthalten haben, von denen man wußte, daß sie bei längerem 63 Von den 65 Spitzkrügen besitzen nur sechs einen Boden- durchmesser, der größer ist als 2 cm. Bei weiteren sechs Spitzkrügen, davon vier mit einem Bodendurchmesser unter 2 cm, ist der Boden zusätzlich eingedellt (Taf. 66,8,13). Luftzutritt verderben. So verlockend es wäre, die Spitzkrüge als Zeugnis für einen mediterran beein flußten gehobenen Lebensstil anzusehen, in dem die Körperpflege eine große Rolle gespielt hat, beweisen ließe sich das erst, wenn es gelänge, als Inhalt eines auf solche Art verstöpselten Spitzkruges entspre chende Mixturen nachzuweisen. Importierte Kosme tika wären jedoch kaum darin zu erwarten, denn jene sind auch in dieser frühen Zeit immer in Originalge fäßen verhandelt worden, 64 so wie auch der begehrte Südwein in Originalabfüllung, nämlich in griechi schen Amphoren, nach dem Norden gelangt ist. Wenn eine Beeinflusung aus dem mediterranen Raum vor läge, dann müßte diese außerdem bereits am Ende der Urnenfelderzeit erfolgt sein (G. Kossack 1964, S. 102 ff.). Die hallstättischen Spitzkrüge stellen nämlich keine grundsätzlich neue Gefäßform dar, sondern lassen sich auf die Kännchen der waagerecht gerieften Ware zurückverfolgen (W. Grünberg 1943, Taf. 54,2,4,6; Taf. 58,19,23). Sie sind lediglich kleiner und schlan ker, auch etwas hochhalsiger und spitzbodiger gewor den, das heißt, sie haben sich der allgemeinen Mode linie angepaßt (Höhe: 4—11 cm; größter Durchmes ser: 4—9 cm). Neben der „klassischen “Form (Taf. 66,2) mit ko nischem Unterteil, gewölbter Schulter, abgesetztem konischem Hals, ausbiegendem Rand und überstän digem Bandhenkel begegnen alle Übergänge bis hin zu Kännchen wie Taf. 36,3 oder Taf. 66,18, ohne daß sich chronologische Unterschiede erkennen ließen. (Man vergleiche die Spitzkrüge von Kötitz, Grab 2, Taf. 7,14,15, oder Zeithain, Lehmgrab 1, Taf. 35,12, 13, oder Lehmgrab 3, Taf. 36,2,3 — ebenso D.-W. Buck 1979, S. 122). Auch hat das Vorhandensein oder Fehlen einer Verzierung keinen Einfluß auf Form und Oberflächengestaltung. Gerade unverzierte Exemplare sind oft scharf profiliert und besitzen eine metallisch glänzende schwarze Oberfläche. Von den insgesamt 65 Spitzkrügen sind 26, etwas mehr als ein Drittel, verziert. Wie bei den Terrinen begegnet als häufigstes Ornament (20X) ein Horizontalrillenband am Halsansatz, dem in drei Fällen Horizontalrillen unter dem Rand entsprechen (Taf. 41,26; Taf. 66, 6,10), und ein Sparrenmuster auf der Schulter (5X). Audi Flechtbänder, bei denen die einzelnen Felder durch Kanneluren begrenzt sind, wodurch der Ein druck eines glänzenden Zickzackmusters auf mattem Grund entsteht (Taf. 66,2), echte Zickzackmuster (Taf. 66.3), Gruppen senkrechter Rillen (Taf. 66,6,7) und Dellengruppen (Taf. 66,7,9) kommen vor. 64 Zwei Aryballoi aus der Zeit um 700 v. u. Z. stammen aus der griechischen Nekropole von Cumae bei Neapel, ein protokorinthischer Aryballos aus der ersten Hälfte des 7. Jh. v. u. Z. aus der Tomba Regolini in Caere nördlich von Rom (G. Kossack 1959, S. 52 ff.) und je ein Aryballos aus der zweiten Hälfte des 7. Jh. v. u. Z. aus Gräbern von Este und Bologna (O.-H. Frey 1969, S. 27, S. 38). Sie zeigen, daß in dieser Zeit tatsächlich Kosmetika verhan delt worden sind.