Volltext Seite (XML)
V. Keramik Gefäße und deren Bruchstücke bilden die Masse des Fundmaterials. Im Arbeitsgebiet entfallen etwa vier Fünftel der Keramik auf Grabfunde. Da es sich bei der vom Umfang her geringen Siedlungskeramik außerdem um recht kleinteiliges aufgelesenes Scher benmaterial handelt, ist dort die sichere Unterschei dung der einzelnen Gefäßarten nicht immer möglich. Vor allem Tassen und Krüge lassen sich, wenn die Henkelansätze nicht erhalten sind, nur schwer als solche bestimmen. Grundsätzlich kann jedoch gesagt werden, daß alle zu behandelnden Gefäßarten in glei cher Qualität in Gräbern und Siedlungen, wenn auch vielleicht unterschiedlich häufig, auftreten. Sollte dies für die Siedlungen des Arbeitsgebietes bei einer Ge fäßart auf Grund des bestehenden Ungleichgewichtes zwischen Grab- und Siedlungsfunden hier und da nicht nachweisbar sein, dann finden sich bestimmt entsprechende Belege aus dem Gebiet östlich der Elbe (D.-W. Buck 1979, S. 73, Abb. 59). Hinzu kommt, daß zahlreiche Grabgefäßc kleinere Beschädigungen aufweisen, wie abgesplitterte Oberflächen oder ange schlagene Kanten, die einen vorherigen längeren Ge brauch anzeigen. Daß ihnen oft die Henkel fehlen, hat dagegen offenbar rituelle Gründe. Die Billendorfer Keramik ist im allgemeinen her vorragend gearbeitet. Das zeigt sich nicht nur an der Qualität des Einzelstückes, sondern vor allem daran, daß entsprechend den gewünschten Gebrauchseigen schaften für die einzelnen Gefäßgattungen offenbar gezielt unterschiedliche Magerungsmittel, Oberflä chenbehandlungen und Brenntemperaturen ange wendet worden sind. Wo immer mineralogische und petrographische Untersuchungen vorliegen (G. Pe schel 1969, S. 293 ff.; M. Maggetti 1979, S. 141 ff.; S. Dusek 1979, S. 125 ff.; J. Riederer 1974, S. 169 ff.), stammte der Ton — selbst später noch bei der Drehscheibenware — stets aus der unmittelbaren Umgebung der Fundstelle. Ton entsteht bei der Ver witterung der Eruptivgesteine Granit, Gneis und Por phyr, aber auch aus Sand- und Kalksteinen und kommt im Mittelgebirgsraum praktisch überall vor. Außerdem kann er aus Löß oder Auelehm durch Aus schlämmen der gröberen Fraktionen gewonnen wer den (M. Maggetti 1979, S. 151 ff.). Lößlehm und kao linhaltige tertiäre Tone (G. Peschel 1969, S. 295) wa ren ebenso wie Sande als Magerungsmittel im Ar beitsgebiet überall in erreichbarer Nähe und ohne großen technischen Aufwand zu gewinnen. Magerung mit Schamotte — fein zerstoßenen hart gebrannten Scherben — oder mit organischen Bestandteilen kom men im Arbeitsgebiet nicht vor (vgl. auch A. Götze 1912, S. 312 ff.). Konnte man normalerweise in geringer Tiefe auf brauchbaren Ton stoßen, so ist die Aufbereitung die ser Tone doch recht kompliziert, vor allem ist sie so zeitaufwendig, daß es schon unter diesem Gesichts- punkt als äußerst unpraktisch erscheinen würde, nur Gefäße für den eigenen Verbrauch anzufertigen. In Afrika südlich der Sahara wird deshalb von den Töp ferinnen oder Töpfern immer eine ganze Kollektion Gefäße unterschiedlicher Arlen auf einmal hergestellt und gebrannt (D. Drost 1967, S. 214 ff.). Wenn wir von den Produktionsverfahren in den sogenannten Bauerntöpfereien ausgehen, wie sie etwa in Thüringen bis vor kurzem in nahezu jedem größeren Ort meist zu mehreren bestanden haben, so sind folgende Arbeitsgänge bis zur Verwendung des Tones erforderlich. 4 ''* Das Rohmaterial — ein in der Nähe anstehender Ton unterschiedlicher Qualität — wurde mit einem Spaten oder einem ähnlichen schar fen Werkzeug abgestochen und zur Verarbeitungs- stätle gebracht. Nach Möglichkeit wählte man dazu die Zeit kurz vor dem Einsetzen des Frostes, denn die Tonbatzen mußten, flach gelagert und ab und zu mit Wasser übergossen, zunächst kräftig durchfrieren. Die Sprengwirkung des gefrierenden Wassers lockert das Gefüge des Tones und macht ihn mürbe. Deshalb war es günstig, die Tonbatzen an frostfreien Tagen mög lichst oft erneut zu durchfeuchten, weil sich durch mehrmaliges Auftauen und Wiedergefrieren bei ho hem Wassergehalt die Frostwirkung erheblich stei gern läßt. Als nächster Arbeitsgang erfolgte das Ausschläm men des Tones. Dazu mußte das Rohmaterial mög- lichst vollständig im Wasser aufgelöst werden. Man verwendete große Holzbottiche mit Abflußlöchern, die — je nachdem wie fein man den Ton haben wollte — in unterschiedlicher Höhe über dem Boden angebracht waren. Aus ihnen konnten die aufge schwemmten Tonteilchen in Absetzbottiche weiter- fließen, während die gröberen und deshalb schwere ren Bestandteile sich am Grunde des Schlämmbot tichs absetzten. Es dauert mehrere Wochen, bis der abgesetzte Ton 44 Das folgende nach H. Michel und G. Schering 1953.