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Zum Grab gehörten außer der Urne, in deren Lei chenbrand sich zwei Bronzeringe befanden, drei ver zierte und mehrere unverzierte Gefäße. In einem der verzierten Gefäße lag der Trinkhornbeschlag. Er war bereits bei der Auffindung „in zwei Stücke zerbro chen, die, obschon sich Spuren der Schmelzung zeig ten, dennoch zusammen paßten“. In einem weiteren, ebenfalls verzierten Gefäß befand sich „ein metallnes Bildchen von menschlicher Gestalt mit auf der Brust zusammengelegten Händen“, „einem Marienbilde nicht unähnlich“, „doch .. . dermaßen schon von Rost zerstört, daß damit jede Nachforschung nach irgend einem Attribut vereitelt ward“ (C. v. Zehmen 1843, S. 105 ff.). Das Figürchen ist vermutlich schon bei der Bergung abhanden gekommen, denn K. Preusker, der sich — wahrscheinlich unmittelbar nach Bekannt werden des Fundes — für seine eigene Sammlung einen Topf gesichert hatte, kann die Figur nicht mehr gesehen haben, wenn er schreibt, daß sie „ohne wei tere Nachricht davon jedoch eher . . . mittelalterlichen als heidnischen Bildern zu gleichen scheint" (K. Preusker 1844, S. 138). Der Trinkhornbeschlag ist dagegen noch vor 1843 an den Dresdner Altertums- verein eingesandt worden und befindet sich jetzt zu sammen mit dem Topf aus der Preuskerschen Samm lung. der seinerseits 1887 aus dem Nachlaß Preuskers nach Dresden gelangt ist. im Landesmuseum für Vor geschichte Dresden. Von den 14 Gefäßen aus Hahne feld. die aus der Sammlung v. Zehmen in den Besitz der Deutschen Gesellschaft zu Leipzig kamen, sind noch drei in der Leipziger Universitätssammlung vor handen. Es handelt sich um die beiden Töpfe Taf. 71.12.15 und um den Napf Taf. 71.13. an deren Zu gehörigkeit zur Billendorfer Kultur ebensowenig zu zweifeln ist wie bei dem Topf Taf 71,16 aus der ehe maligen Preuskerschen Sammlung. Die beiden Bronzeringe aus der Urne werden später nicht mehr erwähnt und sind wahrscheinlich verschollen. In der antiken Überlieferung gelten Trinkhörner als traditionelle Trinkgefäße bei den Völkern Klein asiens und des nördlichen Schwarzmeergebietes. Der Grieche Xenophon schildert ein Gastmahl bei den Paphlagoniern in Phrygien, an dem er persönlich im Frühling des Jahres 400 v. u. Z. teilgenommen hatte. Dort wurde der Wein — wie er ausdrücklich betont — in den landesüblichen Trinkhörnern gereicht (Anaba ¬ hat auf Beisetzung von Todten in Kriegs- oder Pestzeiten vermuthet", aber die Bestatteten waren mit Gefäßen, „und zwar meist bei den Köpfen und Armen, einzelne auch bei den Füßen“ ausgestattet. Bei dem Gefäß, das K. Preusker auf Taf. VI,92 d als „ein solches“ abbildet, handelt es sich allerdings um einen Billendorfer Topf, wahrscheinlich um den aus seiner eigenen Sammlung, der mit dieser 1887 ins spätere Landesmuseum für Vor geschichte nach Dresden gelangt ist und der zu der „heid nischen Grabstätte“ und dem Trinkhornbeschlag gehört. Reichlich 1 km nordnordöstlich vom ehemaligen Gut be findet sich in einem Gehölz auf dem Mühlberg ein Grä berfeld der jüngeren Urnenfelderzeit (W. Coblenz 1976 a. S. 360). sis VI, 1,4). Das gleiche geschah wenig später bei einem Gastmahl, das der Thrakerkönig Seuthes II. für Xenophon und seine Griechen gab (VII,3,24). Wie sielt aus dem Verlauf dieses Gastmahles erschließen läßt, muß, zumindest bei den Thrakern, dem Trinken aus einem Horngefäß neben der profanen auch eine zeremoniale Bedeutung zugekommen sein. So tran ken die Gäste einer nach dem anderen dem König Seuthes aus ihrem Horn zu und brachten ihm Ge schenke dar. um ihn zu ehren, denn „je größere Ge schenke du ihm machst, um so größere Gunstbeweise wirst du von ihm erfahren“, heißt es im Text (VII,3, 20)A 3 Das Fest erreichte seinen Höhepunkt, als sich Xenophon mit seinen Leuten in die Gefolgschaft des Thrakerkönigs begab: „Seuthes stand auf, trank mit ihm zusammen das Horn aus und spritzte den Rest zugleich mit ihm aus“ (VII,3,32). Dabei bleibt offen, ob Seuthes und Xenophon jeder aus seinem eigenen Horn tranken oder beide gemeinsam aus dem glei chen Horn, wie I. Venedikov und T. Gerassimov (1976. S. 64) meinen, wobei diese die Zeremonie der Schwurbrüderschaft bei den benachbarten Skythen vor Augen haben, bei der beide Partner aus einem gemeinsamen Horn trinken (M. Artamonow 1970, Abb. 81 und Taf. 203; A. Hancar 1976, S. 742 f.). Nach Mitteleuropa ist das Trinkhorn gegen Ende des 8. ,1h. v. u. Z., vermutlich über die Kimmerier oder mit ihnen verwandte Völker, gekommen. Jeden falls finden sich die frühesten Trinkhörner aus Metall zusammen mit entsprechendem östlichem Pferdege schirr. so ein aus Bronze gegossenes Trinkhornende und wohl auch der zugehörige Randbeschlag, in einem Grab von Steinkirchen in Niederbayern (F. Holste 1940, S. 7 ff., Abb. 2.8.9) und ein vollständig aus Bronze gegossenes Trinkhorn in einem Hortfund von Pruszcz Gdanski, pow. Gdansk, ehemals Prau- sterkrug, Kr. Danziger Höhe (E. Sprockhoff 1956, Taf. 69,2). Im Grab von Steinkirchen gehört zu dem Trinkhorn noch ein weiteres Trinkgefäß, dessen Aus gangsform ebenfalls in Kleinasien und dem angren zenden syrisch-iranischen Kulturbereich zu suchen ist. Es handelt sich um einen Schöpfer mit Tierkopfgriff (F. Holste 1940, Abb. 3), der, zusammen mit den ebenfalls im östlichen Mittelmeerraum beheimateten Trinkschalen, die Trinksitten in Mitteleuropa von nun an bis zur Frühlatenezeit bestimmen sollte (G. Kos sack 1964. S. 96 ff.). Wie die Situlenbilder zeigen, wurde der Wein — gleichgültig ob aus südlichen Trauben (W. Specht 1972. S. 128) oder aus heimi schem Honig (U. Körber-Grohne 1985. S. 121 f.) — von Bediensteten mit einem Schöpfgefäß dem Misch kessel entnommen und den Zechenden in die Trink schalen gefüllt. G. Kossack (1964, S. 96 ff.) konnte nachweisen, daß es sich bei dem Trinkgeschirr aus ge triebenem Bronzeblech und hier speziell bei den Schöpfern mit Tierkopfgriff um den Besitz einer 43 Zum Geschenk als Kategorie des Prestiges vgl. G. Kossack 1974, S. 22 f.; auch F. Fischer 1973, S. 436 ff.