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1878. 114. Erscheint jeden Wochentag Abends 6 Uhr für den andern Tag. Preis vierteljährlich 2 Mark 2b Pf., zweimonatlich 1 M. bO Pf. ». cinmonatl. 7b Pf. 3V. Jahrgang. ... , Inserate werden bis Vormittags 11 Uhr angcnom- Freitag, den 17. Mau > und Tageblatt. Amtsblatt für die königlichen und Wüschen Behörden zu Freiberg und Brand. Verantwortlicher Redakteur Julius Braun in Freiberg. land befindlichen groben Anzahl von Spinnereien, gegen- eine einzige Baumwollenspinnerei mehr gegründet worden über den 11 Arbeitsstunden in der Schweiz und den ist? Wir in Sachsen haben n 12 Stunden in Belgien und Frankreich, — sollten hier hat sich kein Gründer gewagt- nicht ganz besondere örtliche Verhältnisse vorliegen, die ist zum Beispiel in Sachs st zum Beispiel in Sachsen die Spindelzahl der ist? Wir in Sachsen haben nichts davon gehört; daran Aber zurückgegangen die Folge sein, wenn wir nicht Abhilfe schaffen. Es ist zu klar, daß die Interessen der Eltern wie der Kinder sich diese Etablissements vielleicht zwingen, mit 10 Stunden für junge Arbeiter zufrieden zu sein? Sei es, daß sie vielleicht nicht genug vierzehn- bis sechszehnjährige Arbeiter bei mehr Arbeitszeit bekommen können, weil dieselben in anderen Branchen bei 10 Stunden angenehmere Be schäftigung finden, oder irgend welcher örtliche Grund. Ehe solche Fragen nicht näher untersucht sind, möchte ich auf eine solche ausnahmsweise andere Aastet kein großes Ge wicht legen. Ist doch der Gedanke bei einem Industriellen unter vielleicht schwierigeren Arbeiterverhältnissen sehr natür lich, daß er sagt: mir wäre es lieb, die Konkurrenten wären auch nicht in einer besseren Lage wie ich, wenn eben seine örtlichen Verhältnisse etwa nachtheiligere sind. Also auf solche ausnahmsweise vorkommenden abweichenden Meinungen muß man nicht so großen Werth legen, ohne sich vorher ganz speziell über die Gründe vergewissert zu haben, die dort zu dieser eigenthümlichsn Ausnahme ge führt haben. Es ist gesagt worden, meine Herren, es komme gar nicht darauf an, ob die Produktion durch diese in Zukunft zu exerzirenden erschwerenden Bedingungen, insbesondere für die Spinnereien, überhaupt etwas theurer würde oder nicht; man möchte durch Schutzzölle das ausgleichen. Ja, so leicht ist das auch nicht gemacht, besonders wenn man in niedrigen Nummern baumwollene Garne vielleicht schon etwas mehr spinnt, als das eigene Land braucht, und ex- fi o r ti r e n muß. Ich kann Ihnen versichern, daß wenn Sie heut in die Baumwollindustriegegenden gehen, werde» besttzer, hundert Jahr alte renommirte Häuser, zu Grunde gehen, weil sie sich gegenseitig so ungeheure Konkurrenz, nur um Arbeit zu haben, machen, nachdem ihnen die Ab satzgebiete nach Amerika und Ostindien und anderwärts durch Zollschranken, Errichtung eigener Etablissements u. s. w. immer mehr abgeschnitten werden, so daß sie in der gegenseitigen Konkurrenz ersticken und sich gegenseitig nicht mehr den Nutzen lasten, den sie zur Existenz brauchen Die Rücksicht, die man hinsichtlich der Waarenpreis stellung auf die auswärtige Konkurrenz nehmen muß, meine Herren, die kann man, besonders in einem Lande mit niedrigen Zöllen, doch nicht ganz weglengnen. Wenn wir unsere Leute durch gesetzliche Vorschriften zwingen, theurer zu produziren als die anderen Nachbarstaaten, wenn wir dabei das Elsaß im Genuß von Ausnahmssreiheiten lassen und dagegen der altländischen Industrie durch die Ver schärfung der Bestimmungen vermittelst schärferer Hand habung der bisher nur auf dem Papier gestandenen Be dingungen der Arbeitszeiten die Produktionsbedingungen erschweren, dann ist doch unzweifelhaft, daß wir damit störend eingreifen in ein Gewerbe, welches ohnehin Noth und Mühe hat, den Kopf über dem Master zu erhalten. Ich mache nur aufmerksam, ob Sie jemals gehört haben, daß während der ganzen großen Gründerzeit auch nur Die Folge, wenn Sie die jungen Leute von 1^ bis 16 Jahren zwingen, nur 10 Stunden zu arbeiten, ist ganz entschieden die, daß weil der erwachsene Arbeiter, der an d-r langen Maschine steht, wobei er zwei bis drei unter- tützende Hilfsarbeiter zur Anknüpfung der Fäden und anderen Hilfsleistungen gebraucht — (in der ganzen deul- chen Textilindustrie ist von früh 6 llhc bis Abends 7 Uhr mit Abzug von 2 Stunden Pausen, Mittags eine Stunde, Vormittags eine halbe und Nachmittags eine halbe Stunde, also 11 Stunden reguläre Arbeitszeit) — die Folge also st, wenn Sie dem Mann in der elften Stunde seine drei Zureicher und Beihelfer wegnehmen, daß Sie den er wachsenen Mann auch zwingen, früher aufzuhören, und Sie kommen daher indirekt auch für die erwachsenen Arbeiter auf einen zehnstündigen Arbeitstag. Häufig sind es selbst besten eigene Kinder, die Sie so zur Ursache eines geringeren Verdienstes des VaterS machen. Denn Sie können sich doch denken, meine Herren, daß bei der jetzigen gedrückten Lage der Industrie der Fabrikbesitzer agen wird: ja, lieber Freund, wenn du mir nur zehn an statt elf Stunden dienst, kann ich dir auch die elfte Stunde nicht ferner bezahlen. Oder der Fabrikbesitzer sagt: gut, ich will 11 Stunden wie bisher fortarbeiten, da aber deine drei Hilfsarbeiter nicht üb.r 16 Jahr alt sind, so müssen sie aus der Fabrik heraus, und ich muß welche nehmen, die über 16 Jahr sind. Was wird dann erreicht? Drei arbeitsame Kinder, die ihren Eltern etwas mit verdienen helfen, werden entlasten und können nur noch halbe Schicht tage, also 6 Stunden arbeiten, wie die 12-jährigen arbeiten, was natürlich auch weniger lohnt. Er ist für Spinnereien ganz einerlei, ob Sie sagen, Kinder von 14 bis 16 Jahren dürfen nur noch 10 Stunden arbeiten, oder wenn Sie einfach sagen, die 14- bis 16-jährigen dürfen auch nur 6 Stunden arbeiten, denn 7 und 8 Stunden, 9 oder 10 Stunden, Pasten nirgendwo in der Spinnerei in die gegebenen Verhältnisse, und dreitheilige Tages schichten zu 8 Stunden einzuführen, wie im Bergbau, das geht in der Textilindustrie nicht. Meint Herren, der Antrag, den ich gestellt habe, ist auch bereits in der Kommission gestellt und verhandelt worden. Wenn Sie die Güte haben, im Kommisstons- bericht nachsehen zu wollen, so werden Sie finden, wie eingehend schon dort über die Sache verhandelt wurde. Das betreffende Kommissionsmitglied hat ebenfalls be hauptet, diese Zeit von 10 Stunden sei zur Zeit mit den thatsächlichen Verhältnissen verschiedener Industriezweige unvereinbar, und ist ebenfalls auf die 11 Stunden zu gekommen. Wenn Sie ferner dann die bereits ungezogene Behauptung der königlich preußischen Fabrikinspeklvren in Betracht ziehen, wenn sie die Angst der GrwerbSintereffenten vor der beabsichtigten faktischen Neuerung in diesem Packet Depeschen, welche an verschiedene unserer Kollegen hier im Hause gerichtet wurden, sich ausdrücken sehen, in welchen sie behaupten, „es geht uns ans Leben", wenn Ihnen ganz außerhalb aller Interessen stehende Kollegen auf Grund früherer langjähriger eigener Erfahrungen Aehn- liches versichern, so dürfen Sie schon glauben, daß an der Sache doch etwas Wahres ist, und daß nicht bloße egoisti sche und einseitige Herzlosigkeit und Sonderinteressen dazu drängen Der Gegenstand ist wichtig und der Mühe wohl werth, zu überlegen, ob die Sache sich wirklich so verhält, und wenn man dann zur Erkenntniß gelangt, daß in der früheren Gesetzgebung aus nicht genügender Orientirung in der Angelegenheit seinerzeit ein Fehler gemacht wurde, dann, meine Herren, thut man doch bester, man reparirt den Fehler, als daß man eine Fiktion in dem Gesetz fort bestehen läßt und die Leute zwingt, die Bestimmungen deS Gesetzes fortwährend zu umgehen, oder sich Entbehrungen aufzuerlegen. Das wird nach meiner Meinung entschieden machen kann, können wir auch nicht alle Industriezweige mit denselben generellen Bestimmungen gleichmäßig be denken. Trotz dieser warmen Befürwortung der elfstündigen Arbeitszeit für 14- bis 16jährige Arbeiter wurden vom Reichstage bei tz 130 die darauf bezüglichen Anträge ab- gelehnt und eine 10 stündige Dauer festgesetzt. Dagegen gelang es Herrn Penzig und Genossen, bet tz 138 ein Amendement zur Annahme zu bringen, wodurch dem Reichs kanzler oder dem BundeSrathe die Ermächtigung gegeben wird, auf Antrag Ausnahmen von dieser Gesetzesbe stimmung zu gestatten. Es ist also auf diesem Wege er reicht, was die Herren Penzig und Genossen mit ihrem Anträge auf elfstündige Arbeitszeit im Allgemeinen ver folgten. Rede des Mg. Penzig über die Verwendung jugendlicher Arbeiter bei der Textilindustrie. (Schluß). Es Hut Ihnen der Herr Abgeordnete Buhl ferner ge sagt, daß er für die 10 Stunden Arbeitszeit der jugend lichen Arbeiter sei; er hat zwar zugegeben, daß in diesen 10 Stunden, wenn sie nun wirklich gehandhabt würden, eine bedeutende Verschärfung der jetzigen faktischen Zustände liege, er sei aber doch für 10 Stunden. Ich weiß auch, meine Herren, daß in seiner heimathlichen Gegend eine oder zwei benachbarte Spinnereien existiren, welche die Be hauptung aufstellen, daß sie mit 10 Stunden Arbeit täglich für die jugendlichen Arbeiter recht gut durchkämen, und ich muß Ihnen gestehen, ich bin über diese Behauptung förmlich überrascht gewesen, weil sie unter allen Spinnereien in Deutschland und Elsaß die einzigen sind, die diese Behauptung aufstellen. Ich habe aus der Zahl der jugendlichen Arbeiter, die sie beschäftigen, ersehen, daß deren Zahl nicht groß ist, und ich bin hierdurch und aus noch einem Grund unwillkürlich auf den Gedanken ge kommen: sollte denn hier nicht bei dieser merkwürdigen, einzigen Ausnahme gegenüber den entgegengesetzten Zu ständen und Behauptungen anderer in Elsaß und Deutsch Sie wahrlich da sehr wenig Freude erleben. Hier und da giebt es ein großes Etablissement, vielleicht billig erbaut oder erworben, oder dessen Gebäude und Maschinen bereits abgeschrieben sind, mit in glücklicheren Zeiten gebildeten starken Reservefonds oder billiger BetriebSkraft u. s. w-, was noch ziemlich gut oder doch Halbwegs rentirt, bei einer vorzüglichen geschickten Direktion; aber die mittleren und kleineren Spinnereien ohne große Mittel sind nach meiner Ansicht unrettbar dem Tode geweiht, wenn es noch lange so fort geht, wie jetzt. Die größeren können, vermöge ihre- größeren Kapitals, ihrer besonderen Hilfsmittel und Absatzquellen sich lange helfen, aber die mittleren und kleineren Etablissements werden große Noth haben, wenn sie durchkommen sollen. Wenn Sie nun noch schwerere Bedingungen für die Produktion zu der Noth der Zeit hinzusügen, dann entsteht doch die Frage, ob Sie ihnen nicht hierdurch so bedeutende Nachtheile zusügen, wenn auch ohne Absicht, daß das Absterben unaufhaltbar Wird Ich verweise Sie hinsichtlich der Geschäftslage ein fach auf die Zustände, wie sie jetzt in England herrschen Sie lesen in den Zeitungen, daß die Baumwollenspinner in Lancaster Stuke mache» wegen Lohnherabsetzung. Ich kann versichern, daß ich durch Freunde gehö-t habe, da ic selbst ja ganz außer allen Geschäften stehe, wie traurig di Zustände dort sind, wie die ältesten Baumwollenspinnereien- Tagesjchau. Freiberg, 16. Mai. Im deutschen Reichstage findet morgen die dritte Lesung der TavakSsteuer Vorlage statt. Von Seiten zweier Mitglieder der deutschen Reichspartei (v. Schmid und vr. LuciuS) ist ein Abänderungsantrag eingebracht worden, der nicht mehr von „statistischen Erhebungen," sondern von einer Untersuchung über die Tabaksindustrie spricht, im Uebrigen aber die Vorlage nur wenig abschwächt, namentlich auch die Buchkontrole und die Erzwingung der Aussagen der Interessenten unter Androhung von Geld strafen enthält Wir sind überzeugt, daß dieser An trag nicht die Zustimmung der Reichstagsmehrheit findet. — Die Kommission zur Vorberathung des Servisgesetzes hat einige Beschlüsse angenommen, welche sämintlich die Gemeinen besser stellen, als eS die Vorlage wollte, während der für Offiziere zu bewilli gende Stlvis niedriger als in der Vorlage angenommen wurde So wurde beschlossen, den SrrviStaris sür die Feldwebel Unteroffiziere, Portepeefähnriche nur um 1k; Prozent zu erhöhen, während di» Regierungsvorlage 33; Saumwollenspinnereibereits um hunderttausende.. Ich sollte meinen, das ermahnte doch zu einiger Vorsicht/ve-einign, um den Fabrikherrn, der das Gesetz aussühren und ich möchte bitten, es sich sehr zu überlegen, ob wir soll, zu zwingen, daß er nachgibt und sie 11 Stunden etzt recht thun, eine faktisch- Verschärfung durch das Gesetz fortbeichästigt, wie es jetzt allgemein Sitte und Gebrauch eintreten zu lassen, und in Betracht zu ziehen, ob es nicht 'ist. Gibt dieser, sei es aus Guthmüthigk-it, sei es aus athsamer wäre, im allgemeinen Interesse den faktisch be- Interesse. nach, dann haben Sie die Strafe oder den tehenden Zustand von 11 Stunden Arbeitszeit der vier- Betrug des Fabrikinspektors, und wie gesagt, wie in zehn- bis sechszchnjährigen Arbeiter als Handlanger, Zu- Frankreich ist es auch schon anderwärts geschehen, reicher für die Erwachsenen, die die schwere Arbeit hesorgen, daß man die Kinder versteckte, wenn der Fabrikinspektor auch noch in Zukunft foctbestehen zu lassen, indem Sie. sich zeigte, und das Gesetz bleibt wie bisher Papier, einen meiner Anträge anzunehmen die Güte haben. jWir kommen, meine Herren, nicht mehr aus, mit bloßen generalen Bestimmungen eingreifend in das ge werbliche Leben. Wir müssen anfangen, zu spezialifiren nach dem Beispiel der praktischen Engländer, denn wie der Schuhmacher nicht alle Stiefel über denselben Leisten