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DER ELBGERMANISCHE HORIZONT DER AUSGEHENDEN LATENEZEIT Von nun an hatten Veränderungen, die den keltischen Süden betrafen, für den Raum zwischen Werra und Elbe nur mehr am Rande Bedeutung. Wichtiger sollten jene Kräfte werden, die unser Gebiet erneut und jetzt in seiner gesamten Ausdehnung dem Einfluß des Nordens unterwarfen. Das Keltentum ging als Faktor politischer Macht und als geschlossenes, weithin tonangebendes kulturelles Gebilde seinem Ende entgegen. Die einstigen Zentren keltischer Unabhängigkeit südlich der Mittelgebirge, die Oppida, verloren zunehmend an Wirksamkeit, nachdem ihren Be wohnern durch den Vormarsch der Römer an den Rhein und an die Donau die Möglichkeit zu eigenem Handeln entweder gänzlich entzogen oder, im Vorfeld der römischen Okkupation, wenigstens empfindlich be schnitten worden war. Der Niedergang der keltischen Zivilisation20a konnte auch auf das nördliche Mittelgebirgsland nicht ohne Folgen blei ben, gefährdete jedoch kaum ernstlich den ökonomischen Spielraum der dort ansässigen Gruppen. Immerhin waren im Umgang mit keltischen Produzenten handwerkliche Fertigkeiten erworben und eigene Erzeug nisse entwickelt worden, die denen des germanischen Nordens weit über legen waren und dem Zwischengebiet eine gewisse selbständige Geltung zu sichern schienen. Auch dauerten manche Verbindungen noch etwas fort, so die zu den keltischen Siedlungen des böhmischen Beckens, die fernab von der römischen Operationsbasis lagen 231 . Schon jetzt lief der ^aEs braucht als selbstverständlich nur am Rande vermerkt zu werden, daß dieser Vorgang in all jenen Gebieten, die dem römischen Imperium inkorporiert wurden, keineswegs den wirt schaftlichen Zusammenbruch nach sich zog, vgl. etwa zur Kontinuität der keramischen Pro duktion F. Maier 1970, S. 101 ff., 136. Die im Keltengebiet bestehenden guten Ausgangsbedin gungen begünstigten vielmehr den Romanisierungsprozeß, zumal Rom bemüht war, auf „na tionale“ Eigenheiten der materiellen und geistigen Kultur Rücksicht zu nehmen. 201 Das Ende des bisher fundreichsten böhmischen Oppidums Hradit bei Stradonice (J. L. Plc 1906) möchte K. Castelin 1971a, S. 65 ff., 70 nach bestimmten hier vorkommenden keltischen Kleinsilbermünzen in die Jahre um Beginn unserer Zeitrechnung setzen, doch dürfte das Datum, wenn man nach den Münzen urteilen will, einen viel weiteren Spielraum haben, da der Umlauf der gleichen Typen am Magdalensberg in Kärnten nach gleichzeitig kursieren den römischen Geprägen vielleicht bis in die frühen Jahre des Claudius, nach einem Schatz fund zusammen mit Tiberiusmünze aber „bis mindestens ins 2. Jahrzehnt unserer Zeitrech nung“ verfolgt werden kann, vgl. ders. 1971 b, S. 10 ff. Wie groß die Spanne tatsächlich sein mag, zeigt das Vorkommen offenbar gleicher Typen mit ähnlich geringem Gewicht bereits in Manching, die dort ihrerseits zur Stütze des Enddatums 15 v. u. Z. für das Oppidum dienen sollen, vgl. ders. 1973 b, S. 124 f. An beiden Beispielen, Manching und Hradit, wird im Ver gleich zum nachweislich längeren Umlauf am Magdalensberg offenbar, daß scheinbar sicher begründete archäologische Endwerte zur Stützung der Münzdaten herangezogen wurden, nicht umgekehrt. Die Gefahr eines Kreisschlusses liegt auf der Hand. Daß sich K. Castelin dieser Schwäche durchaus bewußt geworden ist, zeigt eindringlich seine jüngste Studie 1976, S. 16 ff., die sich mit Diskrepanzen zwischen eigener numismatisch, archäologischer Datierung (fallendes Münzgewicht, Fixpunkt Manching 15 v. u. Z.) und neuen archäologischen Befun-