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DER AUSGLEICH ZWISCHEN JASTORFKULTUR UND LATENEKULTUR Sehr bald steht die materielle Kultur südlich des großen Elbebogens im Strahlungsfeld der überlegenen keltischen Zivilisation. Es scheint, als seien hier die Möglichkeiten ergriffen und gepflegt worden, die erst der Ausgleich mit der Substratbevölkerung geschaffen hatte. Denn anders als im Kerngebiet der Jastorfkultur, wo das keltische Vorbild in Handwerk und Technik nur zögernd zur Wirkung auf die einheimische Produktion gelangte und den ökonomischen Prozeß, wenn man von der allmählich um sich greifenden Eisengewinnung und -Verarbeitung absieht, kaum voranzutreiben vermochte, begann im Vorland der Mittelgebirge eine aktive Auseinandersetzung mit der keltischen Kultur. Während der Mit- tellatenezeit (Latene C oder Latne II), etwa im 2. Jh. v. u. Z., ist die Durchdringung von Jastorf- und Latenekultur auf einheimischer Grund lage bereits weit fortgeschritten"a. In einem breiten Gürtel, der sich vom böhmischen Elbedurchbruch bis zur Werra erstreckt, trifft man nicht nur Erzeugnisse keltischer Werkstätten als Importe an; eine Anzahl von ihnen bildete vielmehr das Muster für die örtliche handwerkliche Tätig keit. Mit ihnen wurden auch die Produktionsmittel übernommen, die in der Zukunft eine Fertigung in Serie ermöglichten. Es handelt sich dabei um einfache, auf dem Prinzip der Rotation beruhende Maschinen, näm lich um die Töpferscheibe zur Herstellung keramischer Massenware95 und um die Drehbank vorwiegend für Holzerzeugnisse, jedoch auch bei der Bronzefeinbearbeitung von Nutzen 96 . Gleichzeitig bediente man sich der schmückenden Wirkung des Latene- stils. So sind im Saale-Elster-Raum als Bronzeguß hergestellte durch brochene Gürtelhaken mit großen Zierknöpfen verbreitet 97 ; sie bilden das Ergebnis der Angleichung des sporenförmigen eisernen Gürtelhakens der Jastorfkultur 98 an den plastischen Stil der entwickelten keltischen Latenekultur, der an ihnen als freilich vergröbertes Abbild in Gestalt von Buckeln, Spiralen und Wirbeln zum Ausdruck kommt. An den Jastorf- vorstoß erinnern nach wie vor die handgearbeiteten, hochschulterigen Töpfe mit gerauhtem Leib und Zapfen oder Wellenleisten als Handhaben. 9i aW. Schulz 1928a, S. 15; ders. 1928c, S. 105 ff.; H. Grünert 1958, S. 252 f.; ders. 1961, S. 362 f.; K. Peschel 1968, S. 193. 95 W. Schulz 1928 c, S. 107 f.; K. H. Otto und H. Grünert 1958, S. 392. 83 Verwendungsspuren der Drehbank nach G. Jacobi 1969, S. 80 erstmals im Metallgewerbe an den hier einheimischen Tutulusnadeln der Stufe Latene B(2). 97 W. Schulz 1928c, S. 106 f.; zusammengestellt von Th. Voigt 1971, S. 221 ff., 255 ff. 98 So bereits W. Schulz 1928 c, S. 106, was Th. Voigt 1971, S. 232 allerdings unberücksichtigt läßt. 37