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einer frühen Phase der Lautverschiebung übernommen worden sein soll 92 , so wäre, wenn dieser Schluß richtig und die Verknüpfung zwischen ma terieller Kultur und Sprache berechtigt ist, die Ausbildung des „Ger manischen“ als Einzelsprache während der Jastorfvorstöße zur älteren Latenezeit noch nicht voll erreicht gewesen. Es bleibt aber dann die Frage, ob die geschilderten archäologischen Merkmale im Randgebiet ausreichen, den Vorgang ethnischer Distanz auf der einen und das Be wußtsein der Zusammengehörigkeit ihrer Träger 93 als „Germanen“, die sie ja sprachlich noch nicht voll waren, auf der anderen Seite glaubhaft zu machen, während die für die Übertragung des Volcae-Namens mit neuem Sinngehalt erforderlichen Voraussetzungen, kulturell und lin guistisch, hier erst im Wachsen begriffen waren. Ein grundsätzlicher Zweifel ganz anderer Natur scheint mir schwerer zu wiegen. Wie unsere Karte Abb. 1 lehrt, verläuft die Grenze zwischen Ja storfvorstoß und der Zone geschlossener keltischer Siedlung, die nach Nor den hin schon jetzt, mehr noch später, von einzelnen keltischen Material gruppen überschritten wird, von Nordböhmen nach Südostthüringen. Diese Linie stabilisiert sich vorerst in Latene B 2, d. h. gegen Ende des 3. Jh. v. u. Z. Damit wäre in ihrem Bereich die Aufnahme des Volcae- Namens möglich und verständlich. Dessen Verschiebung zu germanisch *Walhös an Ort und Stelle, nämlich im Raum zwischen Saalemündung und Mittelgebirge, will jedoch deshalb nicht recht einleuchten, da aus die ser Sekundärzone der Jastorfkultur — im Gegensatz zum Kerngebiet — fast alle sicheren Belege germanischer Lautverschiebung innerhalb des erhaltenen standortgebundenen Namengutes zu fehlen scheinen. Von doch wohl jüngeren Bildungen im südwestlichen Vorland des Thüringer Waldes um Schmalkalden abgesehen, werden als gewichtige Zeugen nur der Name der Finne, jenes Höhenzuges westlich von Naumburg, und die altgermanische Bezeichnung Fergunna für die Hercynia silva Caesars ge nannt. Indessen gilt die Erklärung der Finne aus keltisch-kymrisch „penn“ durch Lautverschiebung nur mehr für möglich, die von Fergunna aus einer umstrittenen Vorform *(P)erkunia hätte dann Interesse, wenn die spätere Beschränkung des Namens auf das Erzgebirge bereits für die Frühzeit gesichert werden könnte. Fallen aber auch diese Zeugen aus, womit man rechnen muß, so würden Jastorfvorstoß und das durch diesen Vorstoß zumindest geförderte ethnische Selbstverständnis kaum mehr mit sprachlichen Neuerungen der Träger dieser Bewegung einhergehen, die noch während der Expansionsphase hätten wirken können, sondern 92 So H. Birkhan 1970, S. 98, 234 f., vgl. zum folgenden auch Rezension EAZ 15, 1974, S. 167 (K. Pe schel). Dagegen scheint H. Krahe 1964, S. 80 an einen fortgeschrittenen Abschnitt zu denken. on R, Wenskus 1961, S. 90; H. Birkhan 1970, S. 160, zum folgenden auch ders., S. 101 f. 3* 35