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die Unterschiede auf, wenn man die Kerngebiete im Auge behält. An der Niederelbe lebt eine ältere Variante mit breiter Schulterwölbung fort 43 ; in Thüringen ist die Schulter verkürzt und kantig, und es wird ein kurzer Hals ausgebildet 44 ; an der oberen Elbe und bis zum Böhmerwald endlich greift das Oberteil weitausladend vor und erscheint nun auf ein Minimum der ursprünglichen Höhe reduziert 4 ’. Die südlichen Verbreitungsgebiete der Trichterurne lassen eine Entwicklung erkennen, in deren Folge Böh men und Thüringen enger zusammengehören, ohne daß hier oder in der Abgrenzung zum Norden eine Linie gezogen werden könnte, die Fund platz von Fundplatz trennt 46 . Die Gruppe der Elbgermanen ist die mittlere von mehreren archäologi schen Einheiten zwischen Rhein und Wisla, die alle spätestens um die Mitte des l.Jh. u. Z. ihre endgültige Gestalt angenommen haben 47 . Die sichtbaren Unterschiede beziehen sich insbesondere auf den Bestattungs brauch, die dabei verwendeten Beigaben und auf den Charakter der Ge brauchskeramik. Die Wurzeln reichen überall in die vorrömische Eisen zeit zurück. Besonderheiten der Gruppen erklären sich daher aus ört licher Gewohnheit, so in der Bevorzugung der Brandgrube und der Brandschüttung im Totenkult des Ostens und des Nordwestens, während an Elbe und Havel das Urnengrab vorherrscht, so in der Formgebung der Gefäße, die etwa in Westfalen und am Niederrhein wie auch an der Nord seeküste tief in der landschaftlichen Vergangenheit der Gemeinschaften verankert ist. Der Versuch, zu früheren Schichten des Zusammenlebens vorzustoßen, muß von diesen archäologischen Gruppierungen der älteren römischen Kaiserzeit ausgehen 48 , da nunmehr für das Gesamtgebiet ihrer Verbrei tung von Germanen als der tragenden ethnischen Substanz gesprochen werden darf. Die Elbegruppe des l.Jh. u. Z. erstreckt sich im Südosten 43 Vorkommen bis zum Nordharzgebiet und bis zur unteren Saale (W. Schulz 1928a, S. 72 f., Taf. 11,5) sowie östlich vom Elbeknie, hier in Wahlitz sodann entwickelte Gefäße mit Schulterknick bereits zusammen mit älteren Spätlatenefibcln, darunter solchen mit Stützfalte, Bügelknick (ähnlich J. Kostrzewski 1919, Variante K) und beginnender Aufwölbung bzw. Schweifung des Bügels, vgl. z. B. E. Schmidt-Thielbeer 1967, S. 13 f„ Taf. 51 (Grab 89), 60 (Grab 145), 78 (Grab 254), 91 (Grab 306). 46 Am besten zu beobachten in Großromstedt, vgl. G. Eichhorn 1927, S. 8 ff., Abb. 65 Ganz im Süden z. B. Lekarova Lhota, vgl. K. Motykovä 1963 a, S. 26 ff., Abb. 7-8. 46 Das Bild scheint sich mutatis mutandis durchaus ähnlich jenem darzustellen, welches W. Por zig 1950, S. 167 für den sprachlichen Wandel zwischen benachbarten Landschaften so beschreibt: „Wenn wir zum Beispiel von Thüringen nach Oberbayern wandern, kommen wir durch drei Dialektgebiete, die sich in ihren reinen Formen scharf voneinander abheben: das thüringische, das fränkische und das bayerische. Aber nirgends auf unserer Wanderung kommen wir in ein Dorf, das sich mit seinen Nachbardörfern nicht verständigen könnte oder sich auch nur in seiner Sprechweise für uns merklich von ihnen unterschiede.“ 47 Zum folgenden vgl. R. v. Uslar 1972 (1952), S. 153 ff. mit Karte; auch ders. 1951, S. 44 ff. mit Abb. 1. 48 So für die Elbegruppe auch G. Kossack in: R. Hachmann, G. Kossack und H. Kuhn 1962, S. 76 ff.