Volltext Seite (XML)
ken des Römers zu verstehen ist, fußte dennoch auf den Beobachtungen und den daraus entwickelten Anschauungen, die seit Caesar gemacht wor den waren, und hat bei Tacitus ihre endgültige literarische Form gefun den 22 . Innerhalb dieser Einheit erlaubten Sitte und Brauchtum eine Glie derung in einzelne Gemeinschaften recht verschiedenartiger Größe und Geltung. Sie alle fügen sich wie die Steine eines Mosaiks zum Germanen bild des Tacitus zusammen. In ihm haben Hermunduren und Markoman nen einen festen Platz als Glieder der über den gesamten Osten der Ger mania ausgedehnten Suebi. Der hier umrissene Zustand bedeutete zeit lich, sachlich und darstellerisch das Ende einer Entwicklung und mag deshalb als Zielpunkt dieses Aufsatzes dienen. Es soll nach dem Weg ge sucht werden, auf dem sich archäologischer Befund und schriftliche Über lieferung an einem für die Geschichte der Germanen exemplarischen Bei spiel darstellen und im Ergebnis miteinander vereinen lassen. Dem Bericht des Tacitus entnehmen wir, daß Germanien durch eine große Zahl von nationes und gentes bewohnt war 23 , Völkerschaften, die, teilweise lose unter sich verbunden, meist aber unabhängig voneinander, die rechtsrheinischen Landschaften wenigstens bis zur Wisla in Besitz hatten. Tacitus nennt die einzelnen Stämme der Germanen, trennt sie von ihren Nachbarn und hebt wesentliche Unterschiede zwischen ihnen hervor. Diese Merkmale betreffen Trachteigentümlichkeiten, Besonder heiten der Bewaffnung, bestimmte Formen des Zusammenlebens und ihm bemerkenswert erscheinende Charakterzüge der einzelnen Gruppen. Die Unterschiede hinderten nicht, den Gruppen die gleiche ethnische Grund lage zuzusprechen. Man glaubte sich einer Gesamtheit von Stämmen ge genüber, die als Ureinwohner des Landes auf eine gemeinsame Abstam mung zurückblicken konnten. Die enge Verwandtschaft zwischen ihnen schien sich auf dem Gebiet der Heeres- und Stammesverfassung, des Rechts, des Götterglaubens, des Familienlebens und der Wirtschaft zu bestätigen. Nur in den Randgebieten des Westens und dort, wo sich ger manische Stämme in der unbekannten Ferne des Ostens und Nordostens verloren, schwankte die Zuordnung. Hier diente auch die Sprache dazu, Germanen von Galliern, Pannoniern und Sarmaten zu unterscheiden. Gewiß wird sich Tacitus die zu seiner Zeit wohlbegründete Meinung zu eigen gemacht haben, wenn er die Germanen als tantum sui similis gens 22 Zu Caesar vgl. K. Kraft 1964, S. 316 f. Zu den ethnischen Kriterien des tacitelschen Germanen bildes vgl. auch H. Jankuhn 1970, S. 60 f. 23 Der bemerkenswerte Versuch von C. Redlich 1965, S. 186 ff., dem Bedeutungsinhalt von populus, natio, civitas und gens bei Tacitus (Zusammenstellung in: R. Much 1967, S. 93) beizukommen, ist wohl zu schematisch; man traut dem Römer damit mehr Einblick in die innere Organi sation germanischer Gemeinschaften zu, als er billigerweise haben konnte, zumal Autopsie des Tacitus wohl ausscheidet.