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VORBEMERKUNG ZU SCHRIFTLICHEN UND ARCHÄOLOGISCHEN QUELLEN Mit der Ausdehnung der römischen Herrschaft bis an Rhein und Donau in den Jahrzehnten vor dem Beginn unserer Zeitrechnung erweiterte sich das ethnographische Wissen über die Bewohner des Nordens entschei dend. Allmählich wurde sichtbar, daß jenes Bild, wie es griechische Geo graphen von den Nord Völkern seit Jahrhunderten lehrten, zu einfach war und selbst in seiner allgemeinsten Form den tatsächlichen Verhält nissen wenig entsprach und nun auch den praktischen Ansprüchen nicht mehr genügte. Es waren nicht allein die beiden Gruppen der Kelten und Skythen, die im Norden die Völkertafel füllten und sie in eine westliche und eine östliche Hälfte teilten 1 . Zu diesen oder besser, um im Bild zu bleiben, zwischen sie traten Völkerschaften, die man jetzt von den Kelten zu sondern lernte und mit einem an der Keltengrenze gewonnenen Hilfs namen als Germanen bezeichnete 2 . Germanen waren zum ersten Mal durch die Kimbernkriege in den Gesichtskreis der Römer gerückt, an fangs wahrscheinlich, ohne daß man sich über ihre genauere Herkunft und ihre ethnische Stellung im klaren war 3 . Nach dem Kimbernsturm ' Diese Anschauung als ethnographisches Gerüst im Keim möglicherweise bei Herodot (n, 33-34); nach F. Jacoby 1923, S. 329, eine zunächst allein geographische Zweiteilung der nördlichen, europäischen Halbscheibe des Erdkreises durch den Istros schon bei Hekataios (vgl. zu F 36), obwohl aus den Fragmenten selbst nicht unmittelbar ersichtlich, sondern aus der Ausein andersetzung des Herodot mit der älteren ionischen Erdkunde vermutet. Vgl. auch H. Berger 1903, S. 3 f., 87 ff., 91 f., 125 f.; F. Frahm 1930, S. 182 ff.; W. Mohr 1941, S. 255 f.; H. Nesselhauf 1951, S. 74 f.; ferner: R. Wenskus 1961, S. HO, 219, Anm. 527, doch ist ein festes ethnographisches Schema für Hekataios nicht gesichert. Zum Problem von Istros, Donau und der Westhelmat der Kelten bei Herodot: F. Fischer 1972, S. 111 ff. 2 Aus der verzweigten kontroversen neueren Literatur zu Herkunft, Aufkommen und Gebrauch des Germanennamens, die sich letztlich um das Poseidonioszitat F. Jacoby 1926, A, S. 232, F 22 und um Tacitus, Germania 2,3 bewegt, seien hier nur genannt: E. Norden 1920, S. 70 ff., 352 ff., 410 ff.; H. Nesselhauf 1951, S. 74 f„ Anm. 6; K. Büchner 1955, S. 301 f., Anm. 30; R. Wenskus 1961, S. 218 ff.; R. Much 1967, S. 60 ff.; H. Birkhan 1970, S. 203 f., Anm. 356, S. 225 f„ Anm. 431; R. Hach mann 1971, S. 15 ff., 49 f. 2 Während E. Norden 1920, S. 78 ff., 466 ff. den entscheidenden Ansatz, das tatsächliche Volks tum der Kimbern zu erfassen, in den ethnischen Sonderungen der aufständischen Sklaven der Jahre 73 bis 71 v. u. Z. sieht, unter denen er noch kriegsgefangene Kimbern vermutet, die nun im Vergleich mit den gegen 70 v. u. Z. nach Gallien einbrechenden Ariovlstgermanen als diesen verwandte Gruppe kenntlich wurden, meint, um die extreme Ansicht zu benennen, W. Aly 1957, S. 303 f., die vom Gallischen abweichende Sprache der Kimbern müsse schon während des marianlschen Krieges zur entsprechenden Unterscheidung Anlaß gegeben haben. Wenn das letztere erwogen werden sollte, muß man dann aber fragen, welche Vergleichs- möglichkeiten am Ende des 2. Jh. v. u. Z. bestanden, die Kimbern als Teil einer größeren ethnischen Gruppierung, eben der Germanen, zu begreifen, zumal Poseidonios wenig später beide Begriffe nach eigener Erkundung säuberlich voneinander trennte, die Kimbern also neben seine Germanen stellte, wie E. Norden 1920, S. 70 ff. dargetan hat. Übrigens schwankte bereits K. Müllenhoff 1887, S. 157 in dieser Frage zwischen Sklaven- und Kimbernkrieg. Die begriffliche Verschmelzung geschah wohl erst kurz vor Caesars Wirken in Gallien (E. Norden 1920, S. 79 f.; F. Jacoby 1926, C, S. 182 zu Poseidonios F 31), nach G. Walser 1956 a, S. 37 f. mit 11