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Tagesschau. . Freiberg, 24. Januar. Ueberall im deutschen Vaterlande, namentlich aber in Schlesien, wird heute der achtzigste Geburtstag des Dichters Karl von Holtet festlich begangen. Der geist- und ge- müthvolle Sänger ist wohl ein deutscher Dichter geworden, Hal aber dabei nie aufgehört, ein durch und durch schlesischer Dichter zu bleiben, welcher der dortigen Mundart weit über die Grenzen dieser Provinz sowie des gesammten deutschen Vaterlandes hinaus Geltung und Ansehn verschaffte. Darum hat auch Schlesien vor allen den Beruf, ihn zu ehren und ihm heute die wärmsten Glück- und Segenswünsche zuzu- rufen. Doch wird gewiß jeder Deutsche, der Holtet's Muse kennen gelernt, auf ihn das Dichterwort anwenden: Wer den Besten seiner Zeit genug gethan, der hat gelebt für alle Zeiten! Die halbamtliche Provinzial-Korrespondenz erblickt in den ersten, erfolgreichen Waffenstillstands - Verhandlungen zugleich die Wahrscheinlichkeit eines baldigen Friedens. Der volle Friedensabschluß werde freilich nicht durch beide Kriegführende allein bestimmt, die Lösung der in Betracht kommenden Fragen werde theilweise nicht ohne Einverständ- niß und Mitwirkung der europäischen Mächte erfolgen können, aber die bisherigen Beziehungen unter den Mächten schienen die Zuversicht zu begründen, daß es auch in diesem entscheidenden Augenblick in der orientalischen Verwicklung liege, eine Lösung unter voller Friedenswahrung zu erreichen. Hierfür schienen die Weisheit und Mäßigung des russi chen Kaisers seine innige vertrauensvolle Verbindung mit den Nachbarmächten und die neu bekundeten friedlichen Nei gungen Englands Bürgschaft zu gewähren. — Das preußische Abgeordnetenhaus erledigte gestern zwei kleinere Vorlagen und berieth sodann den Bericht der Unterrichtskommission, betreffend die Petitionen des Grafen Drofie-Vischering und Genossen über Ertheilung des katho lischen Religionsunterrichts in den Volksschulen durch Geistliche. Die Kommission empfiehlt den Uebergang zur Tagesordnung, Abg. Reichensperger aber die Ueberweisung der Petitionen an die Regierung zur Abhilfe. Am Schluffe der fünfstündigen Debatte beantragte Schorlemer-Alst die Namensabstimmung. Das Haus beschloß, solche heute vor- zunehmen. Im Laufe der Debatte sprach sich Regierungs- kommiffar Stander gegen das Verlangen der Petenten aus, das gegen die rechtsbegründrte Verfügung des Kultus ministers vom 18. Februar 1876 wie gegen das Gesetz, die Beschlüsse des Hauses und die Urtheile des Obertribu- nals verstoße, er erklärte sich ebenso wie der Kultusminister für den Kommissionsantrag. Die badische zweite Kammer ging in ihrer gestrigen Sitzung über die Anträge auf Einführung direkter Wahlen für den Landtag, die Kceisvrrtretung und die Bezirksräthe zur Tagesordnung über. Die Regierung hatte sich energisch gegen diese Anträge ausgesprochen. die ewigen Ausgleichsdebatten und Streitigkeiten die besten Kräfte des Staates lähmen und aufzehren. Die stete Wiederkehr dieser Krisen und die traurige Neberzeuguna, daß es mit dem ersten und auch mit dem zweiten, ja viel leicht auch mit dem dritten Ausgleiche noch nicht abgethan sei, und man nach einem gewissen Zeiträume wieder von vorn anfangen, wieder mit einander ringen, Gladiatoren kämpfe führen, und was noch mehr ist, gleich Schacherjuden feilschen und mäkeln muffe, sei die bedenklichste Erscheinung im befreundeten Kaiserstaate. Das komme ihm vor wie ein schleichendes Fieber, welches, wenn es nicht nach den ersten und zweiten Symptomen radikal kurirt wird, lebens- ' gefährlich werden kann, indem es die besten, gesundesten Säfte absorbirt. — Wäre er ein Rathgeber Sr. Majestät des Kaisers von Oesterreich, so würde er demselben rathen: Majestät, appelliren Sie an Ihre Völker dies- und jenseits > der Leitha; was den Parlamenten allzuschwer gelingt, wird Ihnen ein Leichtes sein. Machen Sie die Lösung der Diffe renzen zwischen der Ost- und Westhälfte Ihres Reiches zu einer Majestätssache und ich garantire Ihnen, der Ausgleich st binnen zwei Wochen fix und fertig." — In Wien be hauptet man, das Ministerium Auersperg habe bereits eine Demission überreicht. Ein wirklicher Rücktritt wird ndeß hier nicht geglaubt, da Kompromiße im Zuge sind. Oesterreich wird bezüglich der Restitution, Ungarn bezüglich der Bankschuld und Ermäßigung der Finanzzölle nachgeben müßen. Man hofft, die Abgeordneten werden ven Kom promiß genehmigen. — Was die Orientpolitik des Irafen Andrassy betrifft, so behaupten Wiener offiziöse Blätter, daß die Fortsetzung des Krieges in der Richtung auf Konstantinopel nicht ein Grund sei, um Oesterreich- Ungarn zu veranlassen, aus seiner Reserve herauszutreten. > Konstantinopel falle, wie Jedermann wisse, nicht in die Interessensphäre der habsburgischen Monarchie, und es sei demnach kein Grund vorhanden, von den Russen zu fordern, sie sollten darauf Verzicht leisten, die militärischen Kon sequenzen ihrer Siege gegen die türkische Hauptstadt zu ziehen. In Frankreich geht die Regierung jetzt mit Nachdruck voran, die Kammern auf praktische Bahnen zu lenken und dem Lande zu zeigen, daß die Republik zu mehr als libe ralen Redensarten tauge. Zunächst ist es besonders das Verkehrs- und Volksschul wesen, das gebessert werden soll. Der Budget-Ausschuß vernahm am 18. d. Mts. Floquet's Bericht über die Schulkaße und trat den Schlußfolgerungen desselben bei. Der von der Regierung vorgelegte Entwurf wurde im Wesentlichen beibehalten. Es handelt sich um die Gründung einer Kaße, die bis zum Betrage von 120 Millionen den Gemeinden die Summen zum Bau von Schulhäusern zur Verfügung stellt. 60 Millionen werden als Subvention und 60 Millionen als Vorschuß zuerkannt. Die Budget-Kommission verwarf einen Antrag von Camille Säe; sie ist der Ansicht, der Unterrichtsminister allein sei für die zwischen den verschiedenen Gemeinden zu machende Vertheilung verantwortlich, nur müße die Regierung jähr lich Rechenschaft von den verteilten Summen ablegen. — Die beiden Vorlagen, welche der Kriegsminister der Depu- tirtenkammer vorgelegt, verlangen im Ganzen eine Summe von 350 Millionen für außerordentliche Kricgsausgaben. 1877 hat man für diese Zwecke bereits 209 Millionen neunundneunzig Fällen wegen öffentliches Aergerniß er regender Handlungen (etwa 8 166 des deutschen Straf gesetzbuches) zu zwrihundertneunundneunzig Mal 14 Tagen Einschließung; b. wegen zweiundzwanzig Verbrechen gegen die Sittlichkeit, zwetundzwanzig Mal zu einem Jahre Zuchthaus; o. zweimal zu je acht Tagen Haft wegen Ueber- schreitung des ihm als Lehrer zustehenden Züchtigungs rechtes. — Der geistliche Schulbruver Thireus ist demnach wegen Verbrechens gegen die Sittlichkeit, wegen Verletzung der guten Sitte und Mißhandlung seiner Zöglinge in zu sammen dreihundertdreiundzwanzig Strafen, in Folge von dreihundertdreiundzwanzig erwiesenen Straffällen verurtheilt worden. Äber noch nicht genug: das Gericht konnte nicht alle Fälle vor sein Forum ziehen, denn viele waren verjährt. Es wird versichert, daß Estmland entschloßen ist, von der russischen Regierung die Mittheilung der FriedenS- bedingungen innerhalb einer sehr kurz bemessenen , Frist zu verlangen, sobald die russischen Truppen Anstalten machen, sich der Hauptstadt der Türkei über Adrianopel hinaus zu nähern. Gestern hat die Vermählung des Königs von Spanit« stattgefunden. Das zu dieser Festlichkeit ausgestellte Pro gramm lautet: Am 23. Januar findet um 11 Uhr Vor mittags die religiöse Trauungs-Ceremonie in der Basilika von Antocha statt. Dieser Ceremonie werden die Groß- würdenträger des Reichs und die Granden von Spanien, sowie 25 Mitglieder der Deputirtenkammer und 25 Sena toren, die außerordentlichen Vermählungs-Botschafter der verschiedenen Länder, der Graf und die Gräfin von Paris, die alte Königin Christine (in zweiter Ehe Madame Munoz), der König Franz von Assisi (Vater des Königs AlphonS), der Herzog von Montpensier (Vater der Braut) und die sonstigen Mitglieder der königlichen Familie, mit Aus nahme der Exkönigin Isabella, anwohnen. Der Zug wird sich in großem Pomp nach der Kirche begeben. Zu beiden Seiten der Straßen werden die Truppen in Parade- Uniform Spalier bilden. In allen Theatern Madrids nden am Abend Gratis-Vorstellungen statt. Während des Theaters ist eine große Illumination angesetzt, für welche bereits die umfassendsten Vorbereitungen getroffen werden. Am „Lendemain", den 24. Januar, findet im Palast des Königs ein großer Gala Empfang statt. Für den 25. Ja nuar sind Stiergef echte und eine Gala-Vorstellung im königlichen Theater angesetzt. Am 26. Januar werden poetische Blumenspiele abgehalten werden, denen die junge Königin präsidirt und bei welchen sie die für die besten Dichtungen bewilligten Preise austheilen wird. Für den 27.Januar endlich sind Wettrennen, einFackelzug und zuletzt eine feierliche Serenade zu Ehren der Neuvermählten in Aussicht genommen. Das offizielle Organ der ruffischen Regierung, „Jour nal de St. Petersbourg", schreibt: Schon seit der ersten telegrapischen Nachricht über den Wunsch der Pforte nach Verhandlungen haben wir vor einem übertriebenen Opti AngefichtS der inneren Zerwürfnisse in der österreichisch- ««garischen Monarchie soll sich Fürst Bismarck vor Kurzem wie folgt geäußert haben: „Er halte Oesterreich nach Außen für kräftiger und einflußreicher, als es feit Metternichs Zeiten gewesen fei, und sei aufrichtig befriedigt davon, weil diese Monarchie durch ihre geographische Lage, dadurch, daß sie mit einem Arme gleichsam in die Barbarei, mit dem andern in die höchste Zivilisation htneinreiche, als Binde glied zwischen Ost und West, wie zwischen Nord und Süd von größter europäischer Wichtigkeit fei und noch manche zivilisatorische Aufgaben und Kulturmissionen zu erfüllen habe. Aber gerade weil Deutschland interessirt sei, daß Oesterreich-Ungarn diesen Aufgaben, wenn sie herantreten, gewachsen sei, erfülle es ihn mit einer gewißen Besorgniß und Unruhe, daß der fortdauernde innere Zwiespalt und mismus gewarnt, weil uns die Aufrichtigkeit des Friedens verlangens nicht hinreichend nachgewiesen erschien. Die Dokumente des englischen Blaubuchs haben unsere Auffassung bestätigt. Die Initiative der Pforte ist eingegeben durch Lord Derby, nicht um den Kriegführenden ein Terrain zur Annäherung zu bieten, sondern um England von Anfang an die Einmischung in die Verhandlungen zu gestatten. Dieses diplomatische Manöver ohne jeden Präzedenzfall verdiene, allen Freunden des Friedens signalistrt zu werden. Das Blatt begründet in eingehendster Weise, daß ein Waffenstillstand nur nach erfolgter Verständigung über die Friedenspräliminarien erfolgen könne und fährt dann fort: Nun erkläre das Londoner Kabinet, daß es nur einen Frieden zulassen wolle, der unter Betheiligung Europas verhandelt worden sei. Hieraus folge, daß die Friedens präliminarien, selbst wenn die Pforte dieselben unterschneben habe, werlhloS leien, da die Zustimmung der Pforte un verbindlich sei, indem Europa dieselben nichtig machen könne. Diese Situation werde noch verschärft durch die Erklärung der englischen Regierung, daß sie erst die Bedingungen Rußlands abwarten und dann vom Parlamente Geldbe willigungen verlangen wolle. Der Artikel des „Journal de St. Petersbourg" schließt: So würde, wenn der gegen wärtige Versuch scheitern sollte, abermals die Haltung Eng lands einen Waffenstillstand und einen Frieden unmöglich machen und den Orient in eine verhängnitzvvlle Lage stürzen. verausgabt, gebraucht aber noch 120 Millionen. Dieselben verthetlen sich folgendermaßen: Vorräthe und Ausrüstung 95,000,000, Genie 22,000,000, allgemeine Transporte 3,000,000. Die 230, welche für die außerordentlichen Kriegsausgaben für 1878 nothwendig erachtet werden, ver- theilen sich folgendermaßen: Vorräthe und Ausrüstung 102,000,000, Genie 70,199,500, Unterhaltungsmitte 7,650.500, Hospitäler und Ambulanzen 960,500, allgemeine Remonte 2,000,000, Kleidung 42,689,500, allgemeiner Transport 4,500,000. Mit den gewöhnlichen Ausgaben für das Kriegsbudget und den gewöhnlichen und außeror dentlichen Ausgaben für die Marine wird also Frankreich dieses Jahr naht an 900 Milliontn für Kriegszwecke verwenden. In dem gut katholischen Vel-tt» fand dieser Tage ein Prozeß statt, welcher die Trefflichkeit der dortigen geistlichen Erziehungsanstalten ins hellste Licht stellt. Man schreibt darüber unterm 20. d. aus Thermonde: Der Bruder Thireus, Mitglied des Ordens der geistlichen Schulbrüder von Alost ist heute verurtheilt worden: «. in zweihundert- Nachbestellungen a«s de« für die Monate Februar und März »erde« von der Unterzeichneten Expedition wie von iammtltcheu Postanstalten zum Preise von 1 Mark 75 Pf. angenommen. ffol8ekvn'8ekv kuekkanälung. 1878. Inserate «erden bi» Vormittag» 11 Uhr für nächste Nummer angenommen und die gespaltene Zeile oder deren Naum mit tö Pf. berechnet. Erscheint jeden Wochentag Abend» ä Uhr für den andern Lag. Prei» viertel jährlich 2 Mart 2d Pf-, zweimonatlich 1 M. 56 Pf. u. «inmonuU. 75 Pf. ! 29 Jahrgang. —— Freitag, den 25. Jamar. MMHyeia und TayMM. Amtsblatt für dir königlichen und städtischen Behörden zn Freiberg vnd Brand. Verantwortlicher Redakteur: Julius Braun in Freibergsdorf.