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Amtsblatt sür die loniglichea md stiidtischm Behiirdea zu Freibag mb BMd. Verantwortlicher Redakteur: Jul^s Bkaun in Freiberg-dorf. «4. I Ursch«kN jtdm Wochentag Abinv« Ü Uhr für dm -nd«m Tag. PrrU vs«U«Ijähr»ch L Mart 88 Pf., «»NmonatNch 1 M. 80 Pf. u. einmvnatl. 78 Pf. - 28. AnhvßMdg - Sonnabend, den 1k. März. Issen» »erdm HU V««sch>g« 11 Uhr für nLchpe Skmower angmvmmm ml» Re gesxaltm« Zeile oder der« Raum »U 1t Pf- berechnet. 1878. einzigen Antwort des Reichskanzler-. Ja wohl — nur ist find, gerade«« lächerlich! Möge e--u seinen fünsztgtemsend einzige Antwort. «Was Mut, H«g«, Kälte und Seuchei Säcken Sand noch fünftausend Mzukaufen, um den «fischen Interpellationen und Antworten, mit denen wir L" Kredit von 6 Millionen Pfund doch nicht ganz umsonst seit Wochen zum Ekel überschüttet und die uns auch noch nach alter Gewohnheit möglichst pünktlich und wortgetreu telegraphirt werden. Es gab wohl eine Zeit, noch unter Palmerston, wo das englische Kabinet die erste Stimme in Europa führte; es gab damals noch englische Staatsmänner, welche die Europa aufregende orientalische Frage anders beantworteten, als mit fünfzigtausend Sandsäcken. Dir Zeit ist vorüber; der jetzige Krieg hat England sein Prestige genommen, wie der deutsche Krieg Frankreich. Die heutige englische Politik — um ihr doch schließlich etwas Rühmliche- nachzusagen — giebt uns in ihrer Kläglichkeit die unumstößliche Gewißheit, daß aus dem jetzigen Kriegt kein europäischer Krieg hervor gehen wird. Wir halten den europäischen Frieden durch den Frieden von San Stefano für vollkommen gesichert und die orientalische Frage für ebenso vollkommen gelöst. England verbünden, nachdem sein« Treulosigkeit gegen die ' Türkei so offen und klar zu Tage getreten, daß es selbst ein eigenes Interesse - und da- will wahrhaftig in Eng land viel, sehr viel sagen — geopfert hat, um nur nicht die Hand rühren zu müssen. Denn gehetzt und geschürt hat es in der Türkei, mögen es heute auch seine Staats männer zehnmal ableugnen und sich im Parlament unter zweideutigen Redensarten verstecken. Der englische Ge sandte in Konstantinopel hat ein» miserable Rolle gespielt, freilich ganz konform der miserablen Rolle seines eigenen Ministeriums. Die englischen Parlaments-Verhandlungen find nicht ohne Ekel zu lesen; selbst Lord Derby wurde es zuletzt überdrüssig, die sich stets wiederholenden, nichtssagenden Interpellationen immer wieder mit denselben nichtssagenden Floskeln zu beantworten. Wir lasen neulich wunderbarer Weise in einer deutschen Zeitung, wie ganz anders wären doch die englischen Interpellationen, als die deutschen; in London würden die Minister einem förmlichen Kreuzverhör unterworfen und in Berlin begnüge man fich mit einer gemacht zu haben: die Aufzählung seiner Streitkräfte durch den Kriegsminister reicht nicht hin, um die englischen Staats männer vor dem Spott und Hohn der europäischen Witz blätter zu schützen. Das englische Ministerium hat den Unsinn fertig ge bracht, nach abgeschloffenem Frieden zu rüsten. Das Parla ment klatschte Beifall dazu. Keinem Abgeordneten fiel es ein, die Aufschneiderei Disraeli'S zurückzuweisen: je ge rüsteter England zum Kongresse gehe, um so grö beren Einfluß werde es haben. Gewiß, vor dem Kna ben in Reiterstiefeln wird Europa zittern. Die Türkei ist besiegt, aber England blamirt, und das ist weit schlim mer. Die Türkei hat Land, aber John Bull hat die Achtung der Welt verloren und zu seiner Niederlage die Schmach geerntet, seinen treuesten Freund und Bundesgenossen ge opfert zu haben. Denn an der gänzlichen Niederwerfung der Türkei trägt einzig und allein nur England die Schuld. Der erste Fehler des stolzen Albions, fich vom Ber liner Memorandum loszusagen, führte alle anderen Thor- heiten konsequent herbei. Damals konnte der Krieg noch verhindert werden. Rußland war beigetreten und die Pforte mußte zustimmen, wenn England es gewollt hätte. Aber es zog vor, fich selbst sein Grab zu graben und die and — in Aussicht stand. Aber bis dahin hatte Nr >eutsche Einfluß — das Berliner Memorandum — genügt, den Krieg, der nicht zu verhüten war, zu lokalisiren. Jetzt, nach Beendigung des Krieges, mußte Bismarck, der sich die „Rolle eines Friedensmaklers" zuschrieb, alle Kräfte aüf- üeten, um die Entzündung eines Weltbrandes zu verhüten, >enn schon traten mächtige Anzeichen von Verstimmungen, n Oesterreich-Ungarn sogar, hervor. Der russisch-türkische Frieden gab plötzlich der Lage ein anderes Gesicht. Am )rte der Kriegsthaten war die Sache zwischen den Bethei ligten beendet. Aber es sind noch eine Menge „sekundärer" Fragen oder wenn man will, es ist auch noch eine Hauptfrage zu lösen. Welche Verhältnisse sind zu schaffen, damit der Friede dauernd erhalten wird? Dieses bisher im Orient ungelöste Räthsel, die Sphinx am Marmara-Meer, soll in Berlin die Diplomatie beschäftigen. Die Drei-Kanzler- Konferenz soll sich zu einem europäischen Areopag erweitern, zu welchem von allen Seiten die leitenden Persönlichkeiten erwartet werden. Berlin wird sie mit dem Wunsche will kommen heißen, daß ihr Zusammenwirken dauernde gute Erfolge für den Weltfrieden haben möge! Türkei mit htneinzuretßen. Die fünfzigtausend Sand säcke retten beide nicht mehr. Freilich enthielt das Berliner Memorandum auch eine Demüthigung der Türkei, wenn man darunter die Be freiung der christlichen Bevölkerung verstehen will ; aber wenigstens war noch die Integrität des versumpften Staa tes am goldenen Horn gerettet. Jetzt ist die Türkei der solidarisch verpflichtete Bundesgenosse Rußlands und die Schutzmauer für Indien ist niedergerisien. Denn wie Ruß land jetzt' als Retter der Christenheit in der Türkei aufge treten ist, wird es auch einmal Gelegenheit finden, um gekehrt die muselmännische Bevölkerung in Indien zu schützen. England hofft noch immer einen kontinentalen Bundes genossen zu haben; es hätte gewiß seine fünfzigtausend Sandsäcke nicht bestellt, träumte es nicht davon, Oesterreich für seine Don Quixote'sche Politik zu gewinnen. Aber Oesterreichs Interessen wurden, so weit man bis jetzt die FriedenSbedingungen kennt, von Rußland wohlweise mög lichst gewahrt. Oesterreich begriff auch bald, daß es am deutschen Reiche doch einen etwas anderen Hinterhalt hat als an England. Wer wird sich auch heutzutage noch mit Wer ist blamirt? Die Türkei ist allerdings niedergeworfen, aber die em pfindlichste und zugleich schmählichste Niederlage erlitt ohne Zweifel England. Mögen seine Staatsmänner immer und immer wieder versichern, daß sie der Türkei niemals den Schutz Englands versprochen haben — so viel steht fest, daß die Türkei einzig und allein mit Rücksicht auf diesen Schutz den Krieg begonnen hat. So albern waren die türkischen Staatsmänner nicht, daß sie je hoffen konnten, allein und ohne fremde Hilfe den Krieg glücklich zu beenden. England braucht die Türkei in seinem Interesse; die In tegrität des Osmanenreiches war seit einem Jahrhundert, seit jener Zeit, als die Pforte dem Verfall entgegen ging, ein Glaubensdogma der englischen Politik. Jetzt liegt die Türkei am Boden; sie liegt zu Füßen Rußlands, der ein zigen Macht, die England gefährlich zu werden im Stande ist. Die Türkei ist mit Würde gefallen, das erkennen auch ihre Feinde an; England ist unter dem Spott und Hohn Europa'- gefallen, daß erkennen auch seine Freunde an, wenn es deren etwa noch besitzt. Seine jetzigen Rüstungen Der Kongreß zu Lerlin. Berlin, welches mit jeder Saison seinen Charakter als Residenz des Reiches mehr hervorkehrt, soll nunmehr auch in den hohen politischen Angelegenheiten von den euro päischen Großmächten als Zentrum anerkannt werden. Der Kongreß, welcher in der orientalischen Frage das Schluß wort sprechen soll, findet zu Berlin statt. In Berlin er wartet man also den edlen Lord Beaconsfield oder Lord Derby aus London, Savfet Pascha aus Stambul, Wad dington aus Paris, Gortschakoff, Andraffy u. s. w. Man erwartet alle berühmten Freischärler der hohen Politik, welche jeden Kongreß umschwärmen, die Polen und Dänen, sowie die Humanttätsapostel, endlich aber auch den großen Generalstab der öffentlichen Meinung, die Vertreter der europäischen Presse, welche ihre Spürkraft bei Portiers und Waschfrauen in den Gesandtenhotels beweisen werden. In der That ist Berlin für die Konferenz oder für den Kongreß viel geeigneter, als ein kleinerer Ort. Die öffent lichen Interessen Europas laufen oft genug in der Wil helmstraße zusammen und gerade in der orientalischen Frage blickte man mit größter Spannung auf BtSmarck's Einfluß hin. In Berlin ist das Dreikaiserbündniß geschloffen worden, welches bisher auf den Gang der orientalischen Frage vom bedeutendsten, entscheidenden Einfluß gewesen ist. ES war im September 1872, daß der russische Czar und der österreichische Kaiser bei Kaiser Wilhelm, Gra Andraffy und Fürst Gortschakoff bet Fürst Bismarck zu Gast waren. Bet Wusterhausen gab es ein großes Ma növer und in der Wilhelmstraße gehetme Konferenzen. De Reichskanzler faßte damals die Bedeutung der Kaiser- un Kanzler-Begegnung, bei welcher die Erinnerungen an die heilige Allianz wachgerufen wurden, in den Worten zu- Tagesschau. Freiberg, 15. März. Die Budgetkommission des Reichstags hat zum Etat der Postverwaltung folgende Resolutionen eingebracht: 1) den Herrn Reichskanzler aufzuforNrn: künftig bei Forderung von Summen sür Dienstgebäude anzugeben, inwieweit beabsichtigt wird, in den Dienstgebäuden Dienst wohnungen einzurichten, desgleichen bei Forderungen neuer Raten sür Dienstgebäude anzugeben, wie weit die bereits bewilligten Gelder zur Verwendung gelangt sind, und inwieweit sich der Fortgang des Baues in den Grenzen des GesammtanschlageS hält. 2) Den Herm Reichskanzler auszufordern: der Etatsaufstellung der Post- und Telegraphen verwaltung künftig eine Berechnung der Ausgaben für Telegraphenanlagen und des unbeweglichen Anlagekapitals der Post- und Telegraphenverwaltung beizufügen. 3) Die Erwartung auSzufprechen, daß von der Retchsverwaltung beim Ankauf von Grundstücken Kreditverbindlichkeiten nur eingegangen oder übernommen werden, soweit dieselben einschließlich der Baarzahlungen in den Grenzen der be willigten Summen liegen oder soweit eine dahin gehende Absicht im Etat ersichtlich gemacht ist. Der Verein zur Wahrung der Interessen der chemischen Industrie Deutschlands, welcher dieser Tage in Berlin Sitzungen hielt, zu denen auch das ReichSkanzieramt einen Kommissar entsandte, hat seitens der Regierung die Zusage erhalten, daß sür drnaturirten Spiritus eine Steuerrück- sammen: Die Thatsache dieser Zusammenkunft wird überall als ein den Frieden verbürgender Abschluß der großen Er eignisse von 1866 und 1870 angesehen werden; der Glaube n den Frieden ist ja besonders für di« emporblühende Gewerbthätigkeit so wichtig, als der Friede selbst. Der DretkaiftchMb. Ward in der Blüthe der Gründerzeit geschloffen. Letzt«« iss Ne wirthschaftliche Deroute, Nr katzenjammer gefolgt, au-dem stolzen Kaiser-Bund ist ein Kaiser-Verhältniß geworden. Berlin hat von Anfang an in den orientalischen Angelegenheiten als ein Ort ge golten, an welchem man sich über die verzwickte Lage der SüdostenS am besten auSsprechrn konnte. Fürst Gortscha koff traf im Dezember 1875 in Berlin ein und konferirte mit dem Fürsten Bismarck Schon im Mai des nächsten Jahres traf Gras Andraffy — der Dritte im Bunde - ein, und alle drei Staatsmänner versuchten ihr Ziel, den Aufstand In der Türkei, da» Blutvergießen daselbst zu be enden, zu erreichen. Man erwartete schon damals eine Lösung der orientalischen Frage in der Wilhelmstraße; «S entstand das geflügelte Wort, daß eS fich nicht um „das Bischen Herzegowina", sondern um die Türkei selbst — um die ganze orientalische Frage — handle. Die FriedenS- versuche waren erfolglos. ES hat nicht sollen sei«! Ein neues und schrecklicheres Blutvergießen war nöthig, um die OSmanen zu demüthigen. ,7—' V .m mußten erst den Starr sinn ^er Moslemin NekM Vor den Thoren von Stambul machten die Sieger erst Halt, und zwar lm Mo- ment, als ein neuer Krieg — zwischen England und Ruß-